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Gregorius in Schweden

Gregorius in Schweden Für Henk van der Liet, bei seinem Abschied.⸪1EinleitungIm Jahre 1983 erschien in der Reihe ‘Texte zur Forschung’ eine Ausgabe der mittelhochdeutschen Legende ‘Gregorius auf dem Stein’ (Plate 1983). Darin wird auf S. 2 auch auf Übersetzungen dieses Werkes in anderen Sprachen hingewiesen. Unter den dort genannten Übertragungen fehlen allerdings die skandinavischen Übersetzungen: eine altnordische Übersetzung in der ‘Reykjahólabók’ (Loth 1969–70) und eine altschwedische Übersetzung. Letztgenannter Text findet sich im sogenannten ‘Linköpinger Legendar’ (Cod. Linc. B 70a), einer Handschrift von etwa 1525 aus dem Kloster Vadstena in Schweden. Sie wurde von einer und derselben Hand geschrieben, die auch den Codex A 1 der Königlichen Bibliothek in Stockholm schrieb (Gödel 1912: 268). Die Handschrift B 70a enthält eine Sammlung von Texten, die zur Erbauung der Schwestern im Kloster Vadstena diente und daher wahrscheinlich nicht in der Bibliothek dieses Klosters, sondern eher in einem der Gemeinschaftsräumen aufbewahrt wurde (Gödel 1912: 269).Die Handschrift erwähnt auf Bl. 58v, Sp. 1 ausdrücklich, dass der Text der Gregorius-legende aus dem Deutschen übersetzt wurde: Thzta ær thæs hælga herrans sancti gregorii oppa stenenom hans liffwerne oc hælga synda bættring, som war kæra syster haffuer wænt syster cristin elffs dotter aff tyska twngo oc oppa swænsko (Stephens 1874: 321). Die Übersetzerin Christina Elofsdotter wurde im Jahre 1510 von Bischof Vincent von Skara zu Nonne geweiht. Sie starb im Jahre 1541, vgl. Verzeichnis der Mönche und Schwestern in Vadstena in Silfverstolpe 1875: Nr, 269, S. 71. Auffällig ist dabei, dass die Legende vom heiligen Gregorius nicht wie die meisten anderen Texte in dieser Handschrift aus dem Lateinischen sondern aus dem Deutschen übersetzt wurde, denn auch in Skandinavien galt die selbstverständliche Priorität der veritas latina (Williams-Krapp 1992: 183). Die ‘Gregorius’-Legende ist allerdings nicht der einzige Text im ‘Linköpinger Legendar’, der aus dem Deutschen übersetzt wurde. Das gilt auch für die Legende der Heiligen Thekla (… wændh aff tysko – Stephens 1874: 154), für die Legende der Heiligen Emerentia und Anna (larens elff son henne af tysko oc i swænsk wændhe – Stephens 1874: 7271) und für ‘S. Johannes Chrysostomus Sagan’, zu der bemerkt wird, dass sie ist … wænt aff the bok som kallas tyska passionali (Stephens 1858: 660).2 Es handelt sich wohl um solche Legenden, die in Skandinavien zu den eher seltenen Stoffen gehörten und daher dort gesammelt und übersetzt wurden, wie Williams-Krapp wohl mit Recht bemerkt (1992: 182). Sowohl die Geschichte von Gregorius auf dem Stein als die Legenden von Thecla, Johannes Chrysostomus (und Servatius) kommen in der Sammlung ‘Der Heiligen Leben’ vor, die auch unter dem Namen ‘Passional’ bekannt ist. Sie werden daher vermutlich aus einem und demselben deutschen ‘Passional’ übersetzt worden sein.3 Die Frage ist dann, welche Vorlage damit gemeint sein könnte.Das ursprüngliche ‘Passional’ ist eine Sammlung von gereimten mittelhochdeutschen Heiligenlegenden. Sie wurde um 1300 im oder für den Deutschen Orden verfasst (Kunze 2002). Das Werk besteht aus drei Büchern: 1. Marienleben, Leben Jesu und Passionsgeschichte; 2. Legenden der Apostel; 3. Legenden der Heiligen, geordnet nach dem liturgischen Jahreskalender. Die wichtigste Quelle, aus der die Sammlung schöpfte, bilden die lateinischen ‘Legenda aurea’ des Jacobus de Voragine. Da viele der Brüder des Deutschen Ordens lateinunkundig waren, diente das Passional wohl als Tischlesung oder als Stoff für Predigten, die auch dem Volk vermittelt wurden. Der Verfasser ist unbekannt. Es handelt sich dabei vermutlich um einen Geistlichen von hoher Bildung, der wahrscheinlich Mitglied des Deutschen Ordens war.Diese Sammlung wurde dann eine der Quellen für ein jüngeres Werk, nämlich ‘Der Heiligen Leben’, die am weitesten verbreitete volkssprachliche Legendensammlung des Spätmittelalters. Sie entstand um 1390 im Dominikanerkloster Nürnberg als zweibändiges Legendar in Prosa, vgl. Rosenfeld 1982: 64–65. Das Werk ist in etwa 200 Handschriften und in 33 oberdeutschen und 8 niederdeutschen Drucken überliefert und war im gesamten deutschsprachigen Raum ebenso wie in den Niederlanden und in Skandinavien verbreitet. Es stellt eine große Ausnahme unter den deutschen Legendaren dar, weil es nicht primär auf lateinische Quellen, sondern letztlich fast ausschließlich auf deutsche Vers- und Prosalegenden zurückgeht (‘Passional’, ‘Märterbuch’, Hartmann von Aues ‘Gregorius’, Ebernand von Erfurts ‘Heinrich und Kunigunde’, Reinbot von Durnes ‘Georg’ usw.). Es galt als volkssprachiges hagiographisches Quellenwerk schlechthin und wurde aufgrund seiner großen Popularität im Jahre 1537 auch zum Ziel einer Spottschrift Martin Luthers, Die Lügend von Sant Joh. Chrysostomus.Es ist daher wahrscheinlich, dass sich die Bemerkung im schwedischen Text über die deutsche Herkunft mancher Texte – mit Ausnahme der Legende von Emerentia und Anna – auf diese Sammlung bezieht, wobei es nahe liegt, an eine mittelniederdeutsche Vorlage zu denken, weil der Einfluss der mittelniederdeutschen Literatur in Skandinavien weit stärker gewesen sein dürfte als die der mittelhochdeutschen Literatur, vgl. etwa auch Bengtsson 1947: 53. Es liegt daher auf der Hand, den altschwedischen Text mit einem mittelniederdeutschen Druck von ‘Der Heiligen Leben’, etwa den von Lucas Brandis (Lübeck ca. 1478) zu vergleichen. Dieser Druck wurde 1488 von Steffen Arndes praktisch ungeändert übernommen, vgl. Kohushölter 2006: 181. Im Jahre 1492 hat Arndes dann einen inhaltlich und stilistisch überarbeiteten zweiten Druck herausgebracht. Nach Bengtsson (1947: 53) sind die anderen Drucke von Arndes (von 1499 und 1507) weitgehend miteinander und dem Druck von 1492 identisch.2Die Gregorius-Legende im DeutschenWenn man von der Geschichte der ‘Gregorius’-Legende im deutschen Sprachbereich ausgeht, so beginnt diese mit Hartmann von Aues Werk von etwa 1186–90. Bernward Plate hat in seinem oben genannten Buch die Geschichte dieser Legende geschildert (s. auch Kohushölter 2006). Die mittelhochdeutsche Versdichtung wurde im 14. Jahrhundert in Prosa umgeschrieben (Plate 1983: 1). Danach wurde der Text unter dem Titel ‘Gregorius auf dem Stein’ in das Legendar ‘Der Heiligen Leben’ aufgenommen. Er findet sich dort im ‘Winterteil’ für den 28. November und steht gewöhnlich zwischen der Konrad- und der Saturninus-Legende. Als Repräsentant für den Legendentext kann nach Plate (1983: 19) die Handschrift F gelten. Dies ist eine Papier- und Pergamenthandschrift von 1431, die sich in der Universitätsbibliothek Frankfurt (MS Präd. 7) befindet. Sie wird bei Plate neben den Fassungen der Handschriften M (München, BSB, Cgm. 537) und I (Innsbruck, UB Cod. 631) abgedruckt. Dass ein ähnlicher Text wie der Text der Handschrift F auch für den schwedischen Text eine Rolle gespielt hat, wird schon in den ersten Zeilen deutlich: J aquitania i waland war en ädhla riker man (Stephens 1874: 321). Die Fassung in M ist viel ausführlicher: Er den zeitten was gar ein reicher edeler man jn wellischen lannden, jn der stat Aquitania. Die Fassung F hat hier: Es was ain reicher edeler man zu Aquitania jn dem wehlischen lande. In der Fassung I dagegen fehlen die Adjektive edel und reich. Der mittelniederdeutsche Druck von Brandis hat: Jn Aquitania in dem walschen lande was een ryke eddel man, was also sowohl der Handschrift F wie noch stärker dem schwedischen Text entspricht. Auch weiter stimmt der schwedische Text meistens mit F und dem Druck von 1478 überein. Im Druck von Arndes aus dem Jahre 1492 hat der Drucker den Text angepasst: IN Aquitanea in deme walschen lande was eyn ryke konnink de hete Marcus. Nach Kohushölter wurde dieser Text nach den ‘Gesta Romanorum’ überarbeitet, um mehr Glaubwürdigkeit zu erreichen, indem eine angeblich historische Person eingefügt wurde (2006: 182). Dies hänge wohl mit der Kritik an der Glaubwürdigkeit von Legenden, auch der Gregorius-Legende, zusammen, vgl. das Schlusswort der Legende im Druck von 1492:Hyr is to wetende dat etlike wyllen dat / disse hystorie van Gregorio verne van der / warde sy. wo woel dath me de hystorie be-/schreuen vind in dem boeke Gesta romano-/rum genomet. dar ok wol meer steit dat der / warde nycht ghelik is.4[Bl. 297r]Für diesen Beitrag werden zum Vergleich sowohl die Ausgabe von Brandis (1478) wie die Ausgabe von Arndes 1492 herangezogen.3Die altschwedische HandschriftDie Legende von Gregorius auf dem Stein ist in Schweden in nur einer Handschrift erhalten. Es handelt sich um die Handschrift Linc. B 70a (urspr. XXXIX), die in Stephens Ausgabe ‘Ett fornsvenskt legendarium’ Band II (1858), S. 1333– 36 beschrieben wird. Die Handschrift enthält die folgenden Texte:1r–12r5Sankt Amalberga – diese Geschichte wurde laut Vorwort von Nils Ragvaldi aus dem Lateinischen ins Schwedische übersetzt, abgedruckt bei Stephens: 1874: 276–320;12r–23vdie Geschichte der Hl. Maria von Oignies, abgedruckt bei Stephens 1874: 390–432;23v–24vdie Legende der Hl. Jakelina, abgedruckt bei Stephens 1874: 386–89;24v–25vLegende der Joleida, abgedruckt bei Stephens 1874: 448–51. Nach Angabe des schwedischen Übersetzers wurde sie ebenso wie die beiden vorigen Legenden aus dem Werk von Thomas von Cantimpré übersetzt;25v–26rdie Legende der Hl. Otilia, abgedruckt bei Stephens 1874: 443–47;26r–30vdie Legende der Hl. Rakel, abgedruckt bei Stephens 1874: 433–42;29r–29vdie Legende der Hl. Elisabeth, abgedruckt bei Stephens 1874: 478–80;29v–30vdie Legende der Hl. Phara, abgedruckt bei Stephens 1874: 271–75;30v–31vdie Legende der Hl. Thecla, abgedruckt bei Stephens 1874: 154–57. In diesem Text wird gesagt, dass sie aus dem Deutschen übersetzt wurde;31v–32rdie Legende der Hl. Petronilla und32r–33rdie Legende der Hl. Felicula, beide abgedruckt bei Stephens 1847–51: 331–36;33r–34vAff enne hælge iomfru som heth Maria, abgedruckt bei Stephens 1874: 64–6934v–36rLegende des Hl. Albinus, abgedruckt bei Stephens 1874: 262–70;36v–41rLegende von Johannes Chrysostomus, abgedruckt bei Stephens 1847–51: 660–75. Der Text enthält die Bemerkung, dass er aus einem deutschen “Passional” übersetzt wurde (S. 660);41r–48rdie Legende des Hl. Macharius romanus, abgedruckt bei Stephens 1874: 452–71;48r–57vdie Legende des Hl. Servatius, abgedruckt bei Stephens 1874: 158–96;57v–63rdie Legende des Hl. Gregorius auf dem Stein, aus dem Deutschen übersetzt von Christina Elofsdotter;63r–63rdie Legende des Papstes Stephanus, abgedruckt bei Stephens 1847–51: 399–400. Der Text enthält die Bemerkung: … oc honom wændhe herr iøns ewangelista (S. 399);63v–65vdie Legende von den Sieben Schläfern, abgedruckt bei Stephens 1847–51: 435–42 mit darin die Bemerkung … thz wændhe war kare brodher her jøns ræff (S. 435)6;65v–104vdie Legende der Hl. Emerentia und die Legende der Hl. Anna, abgedruckt bei Stephens 1874: 585–727. In der Handschrift findet sich die Bemerkung: larens elff son henne af tysko oc i swänsk wändhe (S. 727)7;104v–106rdie Legende von der Mutter des Bartolomeus, abgedruckt bei Stephens 1847–51: 217–22, übersetzt von Karl Benedictsson, der Hilfspriester in der Kapelle der Heiligen Katharina war und im Jahre 1501 von Bischof Brynolph von Skara zum Mönch und Priester in Vadstena geweiht wurde. Dort wurde er zweimal Confessor Generalis und starb 1528, vgl… . som war kære fadher her karl benedicti haffwer vænt (S. 217);106r–110rChronik der Heiligen Birgitta von Margareta Claussadotter, Nonne in Vadstena und außerdem 14 Jahre Äbtissin des Klosters († 1486). Der Text wurde u.a. von Er. Benzelius (Uppsala, 1710) und von Rietz (1844) gedruckt, vgl. Geete 1908: Nr. 323 (S. 116–18);110r–111vLegende des Hl. Stephanus, abgedruckt bei Stephens 1847–51: 291–94, aus dem Lateinischen übersetzt von Johannes Matthaei: … som allas ware ælskelike oc kære fadher herr joghan mathei haffwir wænth aff latino oc oppa swensko idher allom til hugnat (S. 291);111v–114r“Epistola som Fadher Ioghan Matei screff systromen”, abgedruckt bei Dahlgren 1875: 139–48;114r–118rAuszüge aus dem ‘Tractatus de instructione simplicium confessorum’ von Erzbischof Antoninus von Florenz (†1459), abgedruckt bei Dahlgren 1875: 149–66;118r–124rdie Abhandlung ‘De vita coenobitica’ des Henricus de Hassia8, abgedruckt bei Dahlgren 1875: 1–26.;125r–154r‘Claustrum Animae ællar Siælennas Andelikit closter’ des Hugo de St. Victor (†1140), übersetzt von Jöns Budde in Nådendals Kloster, Abgedruckt bei Dahlgren unter dem Titel “Själens kloster” (1875: 27–136);154r–166vAuszüge aus den ‘Regulae’ des Hl. Basilius, Der Text wurde bei Dahlgren (1875: 167–323) abgedruckt, vgl. Geete 1908: Nr. 246.Der Text der Gregorius-Legende wird nach der Ausgabe von Stephens zitiert, wobei er in der Handschrift kontrolliert und notfalls gebessert wurde. Die Rechtschreibung wurde insofern angepasst, dass hier ä mit æ und ö mit ø wiedergegeben wird, wie das heute üblich ist. Die Handschrift ist in einem Digitalisat der Stiftsbibliothek Linköping leicht zugänglich.4Vergleich des altschwedischen Textes mit der deutschen FassungWie gesagt wurden einige Legenden im Linköpinger Legendar aus dem Deutschen übersetzt. Nach Bengtsson (1947) wurden nicht nur die Legenden der Hl. Thekla, des Johannes Chrisostomus und der Hl. Emerentia und Anna aus dem Deutschen übersetzt, sondern auch die Servatius-Legende (1947: 42, Anm. 1 und 60–68), obwohl das in der Handschrift nicht ausdrücklich gesagt wird. Bengtsson nimmt auf Grund dessen denn auch an, dass das Kloster in Vadstena über ein Exemplar von ‘Dat Passionael’ verfügte, das dann die Vorlage für drei der vier Legenden war. Die Legende von Emerentia und Anna basiert wohl auf das ‘St.-Annen Büchlein’ (Braunschweig 1507 gedruckt von Hans Dorn), vgl. Roolfs 1997.Wenn man den altschwedischen Text mit dem mittelniederdeutschen Text in ‘Der Heiligen Leben. Sommer und Winterteil’9 im Druck von Lucas Brandis (Lübeck ca. 1478) vergleicht, so stellt man bald fest, dass er diesem Druck meistens ganz genau zu folgen scheint. Das betrifftt sogar die Wahl der Vokabeln und die Wortfolge.Beispiele für die große Übereinstimmung zwischen beiden Texten:Man vergleiche auch die Szene, wo die Schwester ihre Schwangerschaft entdeckt:Gegen Schluss bereitet sich die Mutter des Gregorius darauf vor, den neuen Papst zu besuchen und es heißt dort:Es ist deutlich, dass der schwedische Text hier eine fast wörtliche Übersetzung des mittelniederdeutschen Textes von 1478 ist. Das deutet wohl darauf hin, dass dieser oder einer der oben erwähnten späteren Drucke, die ja weitgehend einen identischen Text haben, die niederdeutsche Vorlage war, denn die Unterschiede mit dem mittelhochdeutschen Text sind etwas größer, vgl. Awe mir armen weib, warczu pin ich geporen! Jch han durch deynen willen gots huld verloren vnd auch der menschen vnd muß ewiclichen geschant sein, wann ich trag ain kint pey dir (DHL Winterteil. 234).Manchmal kann man denn auch anhand des Druckes sogar die Ausgabe des Textes bei Stephens verbessern, weil der mittelniederdeutsche Text deutlich macht, dass der Herausgeber die Handschrift falsch interpretiert hat. So heißt es bei ihm (1874: 330,19): som thu haffwer mik mykyt sakt. In der Ausgabe von Brandis steht: Sone du hest my veel gesecht. Da der Herausgeber korrekt vermerkt, dass som mit Nasalstrich geschrieben wurde, ist es auf Grund des mittelniederdeutschen Textes klar, dass man im schwedischen Text son statt som lesen soll: ‘Sohn, du hast mir viel erzählt’.Man kann auch feststellen, dass der spätere Druck von Steffen Arndes (Der helleghen leuent unde lydene. Anders ghenomet Passionael, 149210) mit kleinen Abweichungen in der Rechtschreibung im Großen und Ganzen weitgehend denselben Text bietet wie Brandis. Nach Bengtsson (1947: 53) seien die Drucke von Arndes von 1492, 1499 und 1507 denn auch fast identisch.Es ist dann interessant sich die Frage zu stellen, wo der schwedische Text mehr oder weniger stark vom mittelniederdeutschen Text abweicht und was der Grund für eine solche Abweichung sein könnte. Es können ja mehrere Gründe vorliegen: Die Übersetzerin hat vielleicht ihre Vorlage nicht richtig verstanden oder sie hat den schwedischen Text deutlicher machen wollen.4.1Offensichtliche FehlerAb und zu scheint der mittelniederdeutsche Wortlaut die Übersetzerin irregeführt zu haben. Manchmal kann man sich nämlich fragen, ob sie die Vorlage richtig verstanden hat. So heißt es im altschwedischen Text: iak sørgher meer om thina syster (322,2), wo es im niederdeutschen Text heißt: ik besorge nu dine suster darumme. Hier scheint die Ähnlichkeit zwischen mnd. besorgen ‘Sorge, Angst haben’ und aschw. syrghia ‘trauern; Schmerz fühlen; Sorge haben’ (Söderwall II,582–83) bei der Übertragung mitgespielt zu haben.Auch an anderen Stellen kann man sich die Frage stellen, ob die Übersetzerin ihre Vorlage genau verstanden hat. So heißt es Tha han kom wnfingho the honom ganzska gudelika, oc ledho han jn i en kamara (323,6–7), wo aschw. gudelika einem mnd. gutlyken entspricht. Das mittelniederdeutsche Wort jedoch bedeutet ‘gütig, wohlwollend, freundlich’ (MNH 132). Die schwedische Vokabel dürfte aber eher ‘göttlich, mit Gottesfurcht’ (Söderwall I,432) bedeuten. Ein Adjektiv godhliker zu goþer ‘gut’ (Söderwall I,415) scheint nämlich im Altschwedischen nicht belegt zu sein. Dasselbe kann man in der Szene mit dem Fischer beobachten, als er Gregorius hinauswerfen will (336,15): tha taladhe han [= Gregorius] gudelika til honom = Do sprak he to em gutliken. Gregorius ist hier demütig und will sich freundlich verabschieden. Im Schwedischen fehlt diese Bedeutung jedoch. Vielleicht deswegen wird an einer dritten Stelle mnd. guthlyken richtig mit aschw. wæl übersetzt (336,22).Sicherlich falsch ist die Übertragung auch auf S. 324: oc at man skulle thy lata læra the hælga skrefft, oc tha thz henne kwnne, für: vnde men scholde em de hylgen scrifft laten leeren vnde wen yd vp wusse. Die Übersetzerin hat die Bedeutung von wusse in diesem Satz – ‘wenn es (= das Kind) aufwachsen würde’ zu dem Verb wassen ‘wachsen’ – offenbar nicht verstanden und scheint es mit dem Imperfekt des Verbs ‘wissen’ assoziiert zu haben. Weiter hat der Text (326,4–5): han badh sina fiskara før dagh wt fara oc fiskia für mnd. de heth syne vysschere veer dage vysschen. Es ist ja kaum anzunehmen, dass aschw. ƒør dagh für ‘4 Tage’ steht.Als die Frau des Fischers ihn fragt, woher er das Geld hat, antwortet er: dat yd Gregorius was gewesen, vnde wo me em vp dem watere hadde gevunden. Für die Übersetzerin dürfte nicht ganz klar gewesen sein, dass hier mit dem Namen Gregorius der Abt und nicht das nach ihm benannte Kind gemeint ist, denn sie übersetzte: at the haffdo hørt gregorium til oc hwru han war fwnnen oppa watnet (328,14–16). Im Druck von 1492 wird diese Stelle nicht zu Unrecht verdeutlicht: dat id em de abbet Gregorius vmme dat kint vp te vodende ghegheuen hadde. vnde wo me ene vp dem watere hadde gheuunden. Es dürfte damit auch klar sein, dass dies nicht die Vorlage des altschwedischen Textes war.Als Gregorius aus der Stadt zieht, um den aufdringlichen Bewerber seiner Mutter zu bekämpfen, heißt es im mittelniederdeutschen Text: vnde toch des morghens to velde ‘und zog morgens ins Feld’. Hier hat sich die Übersetzerin wohl vom Wortlaut des mittelniederdeutschen Textes verführen lassen, indem sie schreibt: oc om morghonen tok han til markenna (333,10). Die Bedeutung des Verbs taka ‘nehmen, greifen’ passt hier wohl kaum. Auch hier dürfte das Schriftbild im Mittelniederdeutschen bei der Übertragung mitgespielt haben.Auch in der Szene mit dem Fischer, bei dem Gregorius ankommt, scheint ein Missverständnis vorzuliegen. Im mittelniederdeutschen Text heißt es, dass der Fischer Gregorius versprak ‘tadelte, schalt’, als er sieht, dass er ein starker Mann ist. Im schwedischen Text steht: oc swaradhe honom ‘und antwortete ihm’ (336,12). Die spezifische Bedeutung des mittelniederdeutschen Verbs scheint der Übersetzerin somit entgangen zu sein.4.2Freiere Übertragungen und AnpassungenDie Übersetzerin hat ihren Text ab und zu offenbar etwas freier übertragen. So heißt es im niederdeutschen Text: Do wart se seer bedrouet. vnde stellede sik iamerliken mit mnd. sik stellen ‘sich gebärden’, wo der altschwedische Text oc sørgdhe ganzska iæmmerlika (322,16–17) mit syrghia ‘trauern’ hat. Etwas Ähnliches liegt wohl auch in der folgenden Stelle vor:Der niederdeutsche Text hat guede ‘Güte’ und schließt sich damit an den mittelhochdeutschen Text an: vnd trost dich gotz gut (S. 235), während der schwedische Text gudhz nadher ‘Gottes Gnade’ gebraucht. In der Episode, worin erzählt wird, wie sie das Kind in ein Fässchen aufs Wasser setzen, heißt es im mittelniederdeutschen Text, dass sie Vorsorge trafen, dass dem Kind nicht wynt off regen schaden könnten. Hier hat der Text im Linköpinger Legendar die stabreimende Formel ey wædher ællar watn (324,21) gewählt.4.3Verdeutlichungen und PräzisierungenDer Text im Linköpinger Legendar verdeutlicht und präzisiert ab und zu. So heißt es in der Szene, wo die Frau den Tod ihres Bruders erfährt, im Mittelniederdeutschen vnde beclagede ene gantz yamerlyken myt gantz groten ruwen vnde droffnyssen und in Link.: oc klagadhe hans dødh mz størsta sorgh oc drøffwilse (324–25). Hier fällt auch auf, dass Link. das Adverbiale ein bisschen kürzt, obwohl die Bedeutung dieselbe bleibt und hier ausdrücklich der Tod des Bruders als Anlass erwähnt wird.Manchmal wird der Text näher präzisiert. So wird vom Abt gesagt, dass er dem reicheren Fischer eine Mark schenkt, damit er über die Angelegenheit schweigt: vnde gaf dem riken ene mark; im schwedischen Text wird das ergänzt: oc them rika fiskarenom gaff han ena mark gul (327,10–11). Der Druck von 1492 ist hier auch etwas genauer: vnde gaff deme ryken ok van deme golde. Die etwas andere Formulierung macht aber wieder deutlich, dass diese Fassung wohl nicht die Vorlage für den schwedischen Text war.Eigentümlicherweise spricht der niederdeutsche Text von nur einem Kind, mit dem Gregorius streitet: Do spelede he vp eyne tijt met des visscheres kinde vnde dede em wee (so auch im Druck von 1492), während im altschwedischen Text von mehreren Kindern die Rede ist: tha lekte han entidh mz fiskarans barnom oc the slogos sin i mællan (328,17–18). Im nächsten Satz wird dann allerdings gesagt, dass ein Kind weinend zu seiner Mutter rennt, weil ihn Gregorius geschlagen habe. Ein paar Sätze weiter heißt es dann wieder: Oc tha war gregorius tith mz barnommen gangin (328,24–25).In einigen Fällen wurden kleine Hinzufügungen aufgenommen:Hier entspricht aschw. gudhlikhet an sich schon mnd. andacht, vgl. Söderwall III,432, aber möglicherweise wird hier durch die Hinzufügung das Gottesvertrauen des späteren Heiligen extra betont.Eine Änderung wurde in der Stelle vorgenommen, worin die Herkunft des Gregorius entdeckt wird: Nu hadde he11 ene maget de merkede dat he yo alletijt vrolik was wen he in de kamere gink. Hier ist also die Rede von einer Dienerin des Gregorius (so auch im Druck von 1492). Im altschwedischen Text ist das anders: nu haffde frwn ena pigho, oc hon førmærkte altidh at herran war altidh gladher tha han gik jn i kamaran (334,14–16). Hier ist es also eine Dienerin der Gattin, die beobachtet, dass Gregorius regelmäßig auf die Tafel guckt. Möglicherweise wird so das Ausplaudern des Geheimnisses plausibler gemacht.Auch in dieser Episode wird im altschwedischen Text präzisiert. Während es im deutschen Text heißt: [vnde sach] … vnde wor he se hen leede, wird im schwedischen Text ein neues Verb eingeführt: waktadhe grant hwar han henne lagdhe ‘beobachtete genau, wohin er sie legte’ (334,20–21).Ergänzungen finden sich weiter in:1213Der Nebensatz im letzten Zitat fehlt bei Brandis, aber die Ausgabe von Arndes (1492) hat hier to Rome, sodass man eventuell annehmen könnte, dass auch diese Ausgabe oder einer der späteren Drucke der Übersetzerin vorlag, aber an und für sich ist die Ergänzung auch ohne direkte Vorlage logisch.In der Ausgabe von 1492 heißt es an dieser Stelle: do nam he den slotel vnde sloet de yseren kede vp daer de hylghe Gregorius inne gheslaten was. Hier ist der Satz vollständiger, sodass man sich fragen kann, ob im Druck von 1478 etwas verloren gegangen ist. Auf jeden Fall scheint der schwedische Text hier auf den ersten Blick dem Text im Druck von 1492 etwas näher zu stehen, obwohl hier die Mehrzahl benutzt wird, weil die Boten aus Rom die Ketten lösen. Der mittelhochdeutsche Text ist hier allerdings auch kurz: Vnd sloß do die eysen auf (S. 244). Aber Handschrift M weist Übereinstimmung mit dem schwedischen Text auf:Do namen dy zwen Romer, dy gesant woren, den sluszel und sluszen das slosz auff, da mit Sant Gregorius versloszen was.PLATE 1953: 188Weiter:Die letzte Hinzufügung findet sich nicht in den möglichen Vorlagen. Auch der Druck von 1492 hat nur: vnde hebbe my gode ghegheuen. Möglicherweise wurde sie nach einem anderen Vorbild eingefügt, vgl. den Satz gudh gaff hanum wald badhe binda ok lösa (Söderwall I,814) in einer Legende im Codex Bildstenianus (Stephens 1847–51: 115).Wie gesagt weisen der altschwedische und der niederdeutsche Text sehr große Übereinstimmungen auf. Es ist dann interessant zu sehen, wo sie voneinander abweichen und was dafür der Grund sein könnte. In manchen Fällen lässt sich allerdings kein deutlicher Grund finden. Man vergleiche etwa: wente wy willen dy een grot lydent clagen mit: thy wi wiliom war stora drøffuilse klaga. Eigentlich wird in beiden Texten im Großen und Ganzen etwas Ähnliches gesagt, nur dass die Wortwahl etwas abweicht.Hier fällt auf, dass im middelniederdeutschen Text die Mehrzahl gebraucht wird, während im altschwedischen Text die Aufmerksamkeit ganz auf die Frau gerichtet ist. Auch ist der Text hier etwas präziser. Allerdings weicht der Text bei Arndes etwas ab, indem dort em ‘ihm’ statt en ‘ihnen’ steht und auch dat se hemeliken daer van quemen, wodurch es auch hier nur auf die Frau bezogen wird.Ab und zu finden sich im schwedischen Text kleine Zusätze. So heißt es Bl. 323,17–18): at i laten sammankalla herrana i landet, wo im mittelniederdeutschen Text nur von de heren gesprochen wird. Auch an anderen Stellen scheint die schwedische Übersetzerin hinzugefügt zu haben, s. auch oben 4.3. So heißt es nach der Geburt des Kindes in Link.: thz han them wille wærdoghas lata faa wetta, hwat aff thy barne skulle gøras (324,5–7) gegen mnd. dat he en apenbaerde wor se best ane deden. Diese Ergänzung fehlt auch im hochdeutschen Text, der dasselbe hat wie die mittelniederdeutschen Drucke (S. 235: daz er in zu tun geb, was das pest were), vgl. auch Plate 1983: 56–57. So wird nach dem Tode des Bruders im altschwedischen Text gesagt: oc klagadhe hans dødh, wo der niederdeutsche Text nur das Pronomen ene hat. Dagegen wird gantz yamerlyken ausgelassen. Ähnlich heißt es im altschwedischen Text: som laa iij dagha oskadder i fiskenom 1874: 325–26), wo es im mittelniederdeutschen Text nur de in dem vissche lach dre dage heißt. Im niederdeutschen Text heißt es: Jk wil dy raden als mynem kinde, während der schwedische Text präzisiert: iak radher tik som thu ware meth barn (329,13) und etwas weiter wird in torne erweitert zu i thinne wredhe (329,16). Es lässt sich allerdings vermuten, dass in einigen dieser Fälle die Ergänzung im Kontext ohne weiteres verständlich ist.4.4PaarformelnCharakteristisch für frühe Übersetzungen ist, dass sie gerne Paarformeln benutzen. So gibt Bengtsson (1947: 56) ein Beispiel aus der Thekla-Legende, wo es heißt: wari mik thzta watnet en kælla ællar brwn, wo der mittelniederdeutsche Text nur ein born und der lateinische Text nur fons hat. Diese Erscheinung findet man auch in der Gregorius-Legende: dat se dat land moet bewaren – thz hon skal styra oc bewara landet (323,21–22); een vateken – eth faat ællar twnno (324,9); to regerende – at styra oc regera (325,2–3); vnde verwoeste er ere lande – oc striddhe ællar røffuade henna landh (325,18); de beschermde eer goth – then stadhen beskærmadhe oc gømdhe henne gudh (325,21–22) – man beachte hier auch die Ergänzung oder Präzisierung then stadhen –; wor gy dat hebben gekregen – hwar i haffwn thz fangit ællar fwnnit (326,21–22); dat he dat kynt gevunden hadde – at han haffde faat ællar fwnnit thz barnet (326,26–28); dat speer – eth spær ællar glæffio (330,16); vnde besworen em – oc spordho oc manadho honom (339,32); vnde was den sunderen gantz gnedich – oc war syndarom ganzska nadogher oc mildher (341,3). Bei der Begegnung von Mutter und Sohn in Rom gegen Schluss der Legende findet sich eine vergleichbare Erweiterung im schwedischen Text:Hier wird also im Grunde auch zweimal dasselbe gesagt, um die Freude der Mutter über das Wiedersehen auszudrücken.Eine seltsame Übertragung findet sich auf S. 325: oc taladhe til henna mz orætta ‘und sprach zu ihr mit Unrecht’. Im niederdeutschen Text steht hier vnde greep se an myt vnrechte ‘und griff sie unrechtmäßig an’. Eventuell kann man allerdings aschw. tala til als ‘anklagen’ interpretieren (vgl. Söderwall II,617). An einer späteren Stelle heißt es im mittelniederdeutschen Text Myne dumheyt is so groot, dat ick iuw nycht volghen mach ‘Meine Unwissenheit ist so groß, dass ich Euch nicht folgen kann’. Ein Vergleich mit dem mittelhochdeutschen Text macht deutlich, dass hier tatsächlich mnd. dumheit ‘Unwissenheit’ gemeint ist (mhd. tumphait, S. 238). Im schwedischen Text steht jedoch: Min kønheit ær swa stoor at iak førma ey at følia idhro radhe. Hier wird also eine andere Begründung gegeben: Im Falle der schwedischen Übersetzung ist es also die Kühnheit14 (eines Ritters?), die den jungen Mann dazu bringt, den Rat des Abtes nicht zu befolgen.4.5KürzungenAb und zu wurde die mittelniederdeutsche Vorlage gekürzt:Als Gregorius zufällig erfahren hat, dass er ein Findling ist, heißt es im niederdeutschen Text: vnde quam to deme clostre, vnde sede deme abbete. Hier hat die Übersetzung etwas gekürzt: gik hem til abotan oc sagdhe honom (328–329). Der Druck von 1492 hat hier praktisch denselben Text.Offensichtlich hat die Übersetzerin hier den mittelniederdeutschen Text gekürzt, weil er im Grunde zweimal dasselbe sagt.Hier liegt wohl eine Kürzung vor, weil im mittelniederdeutschen Text ‘Mutter’ zweimal steht. Auch der Druck von 1492 hat die Vokabel nur einmal (295v).Es lässt sich vermuten, dass die schwedische Übersetzerin mit dem Wort untuchteliken an dieser Stelle nicht viel anfangen konnte, weil es im Mittelniederdeutschen ‘unzüchtig’ (MNH 444) bedeutet und diese Bedeutung hier nicht in den Zusammenhang passt. Im Druck von 1492 fehlt das Adverb denn auch. Vermutlich handelt es sich bei Brandis um eine Fehlinterpretation von mhd. untugentlichen (S. 242,30) ‘tugentlos’ (Lexer II,1947).4.6ÄnderungenBeim Abschied erzählt der Abt dem Gregorius, dass er dem Fischer, der ihn aufgezogen hat, drei Mark Gold gegeben habe. Im schwedischen Text heißt es aus irgendeinem Grund hier: iak gaf fiskaromen iij marker som tik fwnno (331,18–19). Eine Erklärung für diese abweichende Übersetzung könnte sein, dass die Übersetzerin mnd. dē visschere als Plural aufgefasst und in dem Sinne den Text abgeändert hat.Bei der ersten Begegnung zwischen Mutter und Sohn hat die Übersetzerin die Satzkonstruktion geändert. Während im mittelniederdeutschen Text gesagt wird, dass Gregorius ihr gefiel und sie ihm (Gregorius behagede eer wol. vnde se em ok), ist es im altschwedischen Text umgekehrt: hon behagadhe gregorium ganzska wæl oc han henne (332,18–19). Etwas später wird die Satzkonstruktion abgeändert, obwohl inhaltlich keine Änderungen auftreten:Ab und zu jedoch sieht es fast aus, ob die Übersetzerin noch eine zweite Vorlage hatte. In der Episode, wo sich Mutter und Sohn zum ersten Male sehen, ohne von ihrer Verwandtschaft zu wissen, heißt es im mittelniederdeutschen Text, dass die Leute in der Stadt die Vorzüge des jungen Mannes gelobt hatten und Darumme sach se ene ok geerne (so auch im Druck 1492). Der altschwedische Text ist hier ausführlicher: før thy sagh hon honom gærna, oc kærlekare ælskadhe æn nakon annan man (332,12–14), ohne Basis im mittelniederdeutschen Text. Die Erweiterung erinnert wohl etwas an den mittelhochdeutschen Text: vnd sahe jn fleissiclicher an den ye kain man (103). Aber hier dürfte eher eine mehr oder weniger logische Ergänzung vorliegen.5SchlussfolgerungenEs ist deutlich, dass einer der niederdeutschen Drucke aus Lübeck im Kloster Vadstena vorhanden war. Mit einiger Sicherheit wird das der Druck von Brandis 1478 oder eventuell der von Arndes 1488 gewesen sein, weil dieser ohne große Änderungen auf Brandis zurückgeht. Aber auf Grund einiger der oben genannten Besonderheiten scheint es möglich, dass auch der Druck von Arndes 1492 oder später anwesend war, weil er an einigen Stellen dem schwedischen Text etwas näher zu stehen scheint. Besonders die folgende Stelle ist darüber aufschlussreich:oc hwru han haffde læst honom oppa stenen, tha wordho the ganzska gladha, oc tænkto, at thz ær the samma mænniskia ther gudh haffuer os oppenbarat, Tha badh fiskaren them at the gaffuen honom boot før syna syndher, som the oc giordho, …339,13–18Im mittelniederdeutschen Druck von Brandis (1478) steht hier nur: vnde he bath bote vnde beterynge vor syne sunde. Dat deden se, aber bei Arndes 1492 heißt es: vnde wo he en vp den steen geslaten hadde. Do worden se ghans vro. vnde dachten id were de sulue minsche dat en got van geheapenbart hadde. Die Stelle entspricht auch dem mittelhochdeutschen Text in ‘Der Heiligen Leben’ (S. 243).Beim ersten Blick scheint die Gregorius-Legende im Linköpinger Legendar also mit dem Text in Arndes Druck vom Jahre 1492 verwandt zu sein. Aber wenn man auf den Anfang schaut, so ändert sich dieses Bild. Der altschwedische Text beginnt mit den Worten: J aquitania i waland war en ædla riker man, han haffde mz sinne hwstru ij barn en son oc ena dotter. Bei Brandis lautet der Anfang des Textes: In Aquitania in dem walschen lande was een ryke eddel man de hadde myt siner vrouwen twee kyndere, enen sone vnde ene dochter. Dagegen hat der Druck von Arndes 1492 einen abweichenden Text: In Aquitanea in deme walschen lande was eyn ryke konnink de hete Marcus. de hadde mit syner vrouwen .ij. kinder. enen sone vnde ene dochter. Hier hat der Drucker nach dem Muster der lateinischen ‘Gesta Romanorum’ den Text abgeändert. Dieselbe Einleitung findet man auch in den weiteren Drucken von Arndes 1499 und 1507, und in den späteren Drucken von Petri 1511 und 1517.Die Gregorius-Legende im ‘Linköpinger Legendar’ wurde verhältnismäßig wortgetreu übersetzt. Bengtsson (1947: 123) hat schon festgestelt, dass Legenden, die auf eine niederdeutsche Vorlage zurückgehen, wortgetreuer übersetzt wurden als solche die auf eine lateinische Vorlage zurückgehen. Nach Carlquist (1996: 107) passt das zu der Entwicklung der Übersetzungskunst in Vadstena. Anfangs seien die Texte in diesem Kloster meistens ziemlich frei aus dem Lateinischen übertragen, aber im späteren Mittelalter seien die Texte immer häufiger wortgetreu übersetzt worden. Auch vermutet Carlquist, dass die Legenden an erster Stelle zur Erbauung der Schwestern im Kloster dienen sollten und auch zu meditativem Nachdenken anregen sollten. Die Schwestern dürften im Spätmittelalter zu den “kultivierten Schriftgebrauchern” (1996: 233) gehört haben, was heißt, dass sie hauptsächlich im Stande waren, volkssprachige Texte zu lesen. Die aus dem Deutschen übersetzten Legenden dürften wegen ihres Stoffes übersetzt worden sein, denn sie gehören zu den in Skandinavien weniger bekannten Heiligen. Die Legende vom Gregorius auf dem Stein dürfte in den Augen der Nonnen von Vadstena ein Beispiel dafür sein, dass ein an sich sehr sündiger Mensch doch nach Reue und langer Buße das höchste in der (religiösen) Welt erreichen kann. Das entspricht der Meinung von Carlquist (1996: 54), dass man in Vadstena Lebenbeschreibungen von Heiligen bevorzugte, weil sie ein Ideal für ein frommes Leben präsentierten. http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik Brill

Gregorius in Schweden

Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik , Volume 82 (4): 23 – Dec 21, 2022

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0165-7305
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1875-6719
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10.1163/18756719-12340276
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Abstract

Für Henk van der Liet, bei seinem Abschied.⸪1EinleitungIm Jahre 1983 erschien in der Reihe ‘Texte zur Forschung’ eine Ausgabe der mittelhochdeutschen Legende ‘Gregorius auf dem Stein’ (Plate 1983). Darin wird auf S. 2 auch auf Übersetzungen dieses Werkes in anderen Sprachen hingewiesen. Unter den dort genannten Übertragungen fehlen allerdings die skandinavischen Übersetzungen: eine altnordische Übersetzung in der ‘Reykjahólabók’ (Loth 1969–70) und eine altschwedische Übersetzung. Letztgenannter Text findet sich im sogenannten ‘Linköpinger Legendar’ (Cod. Linc. B 70a), einer Handschrift von etwa 1525 aus dem Kloster Vadstena in Schweden. Sie wurde von einer und derselben Hand geschrieben, die auch den Codex A 1 der Königlichen Bibliothek in Stockholm schrieb (Gödel 1912: 268). Die Handschrift B 70a enthält eine Sammlung von Texten, die zur Erbauung der Schwestern im Kloster Vadstena diente und daher wahrscheinlich nicht in der Bibliothek dieses Klosters, sondern eher in einem der Gemeinschaftsräumen aufbewahrt wurde (Gödel 1912: 269).Die Handschrift erwähnt auf Bl. 58v, Sp. 1 ausdrücklich, dass der Text der Gregorius-legende aus dem Deutschen übersetzt wurde: Thzta ær thæs hælga herrans sancti gregorii oppa stenenom hans liffwerne oc hælga synda bættring, som war kæra syster haffuer wænt syster cristin elffs dotter aff tyska twngo oc oppa swænsko (Stephens 1874: 321). Die Übersetzerin Christina Elofsdotter wurde im Jahre 1510 von Bischof Vincent von Skara zu Nonne geweiht. Sie starb im Jahre 1541, vgl. Verzeichnis der Mönche und Schwestern in Vadstena in Silfverstolpe 1875: Nr, 269, S. 71. Auffällig ist dabei, dass die Legende vom heiligen Gregorius nicht wie die meisten anderen Texte in dieser Handschrift aus dem Lateinischen sondern aus dem Deutschen übersetzt wurde, denn auch in Skandinavien galt die selbstverständliche Priorität der veritas latina (Williams-Krapp 1992: 183). Die ‘Gregorius’-Legende ist allerdings nicht der einzige Text im ‘Linköpinger Legendar’, der aus dem Deutschen übersetzt wurde. Das gilt auch für die Legende der Heiligen Thekla (… wændh aff tysko – Stephens 1874: 154), für die Legende der Heiligen Emerentia und Anna (larens elff son henne af tysko oc i swænsk wændhe – Stephens 1874: 7271) und für ‘S. Johannes Chrysostomus Sagan’, zu der bemerkt wird, dass sie ist … wænt aff the bok som kallas tyska passionali (Stephens 1858: 660).2 Es handelt sich wohl um solche Legenden, die in Skandinavien zu den eher seltenen Stoffen gehörten und daher dort gesammelt und übersetzt wurden, wie Williams-Krapp wohl mit Recht bemerkt (1992: 182). Sowohl die Geschichte von Gregorius auf dem Stein als die Legenden von Thecla, Johannes Chrysostomus (und Servatius) kommen in der Sammlung ‘Der Heiligen Leben’ vor, die auch unter dem Namen ‘Passional’ bekannt ist. Sie werden daher vermutlich aus einem und demselben deutschen ‘Passional’ übersetzt worden sein.3 Die Frage ist dann, welche Vorlage damit gemeint sein könnte.Das ursprüngliche ‘Passional’ ist eine Sammlung von gereimten mittelhochdeutschen Heiligenlegenden. Sie wurde um 1300 im oder für den Deutschen Orden verfasst (Kunze 2002). Das Werk besteht aus drei Büchern: 1. Marienleben, Leben Jesu und Passionsgeschichte; 2. Legenden der Apostel; 3. Legenden der Heiligen, geordnet nach dem liturgischen Jahreskalender. Die wichtigste Quelle, aus der die Sammlung schöpfte, bilden die lateinischen ‘Legenda aurea’ des Jacobus de Voragine. Da viele der Brüder des Deutschen Ordens lateinunkundig waren, diente das Passional wohl als Tischlesung oder als Stoff für Predigten, die auch dem Volk vermittelt wurden. Der Verfasser ist unbekannt. Es handelt sich dabei vermutlich um einen Geistlichen von hoher Bildung, der wahrscheinlich Mitglied des Deutschen Ordens war.Diese Sammlung wurde dann eine der Quellen für ein jüngeres Werk, nämlich ‘Der Heiligen Leben’, die am weitesten verbreitete volkssprachliche Legendensammlung des Spätmittelalters. Sie entstand um 1390 im Dominikanerkloster Nürnberg als zweibändiges Legendar in Prosa, vgl. Rosenfeld 1982: 64–65. Das Werk ist in etwa 200 Handschriften und in 33 oberdeutschen und 8 niederdeutschen Drucken überliefert und war im gesamten deutschsprachigen Raum ebenso wie in den Niederlanden und in Skandinavien verbreitet. Es stellt eine große Ausnahme unter den deutschen Legendaren dar, weil es nicht primär auf lateinische Quellen, sondern letztlich fast ausschließlich auf deutsche Vers- und Prosalegenden zurückgeht (‘Passional’, ‘Märterbuch’, Hartmann von Aues ‘Gregorius’, Ebernand von Erfurts ‘Heinrich und Kunigunde’, Reinbot von Durnes ‘Georg’ usw.). Es galt als volkssprachiges hagiographisches Quellenwerk schlechthin und wurde aufgrund seiner großen Popularität im Jahre 1537 auch zum Ziel einer Spottschrift Martin Luthers, Die Lügend von Sant Joh. Chrysostomus.Es ist daher wahrscheinlich, dass sich die Bemerkung im schwedischen Text über die deutsche Herkunft mancher Texte – mit Ausnahme der Legende von Emerentia und Anna – auf diese Sammlung bezieht, wobei es nahe liegt, an eine mittelniederdeutsche Vorlage zu denken, weil der Einfluss der mittelniederdeutschen Literatur in Skandinavien weit stärker gewesen sein dürfte als die der mittelhochdeutschen Literatur, vgl. etwa auch Bengtsson 1947: 53. Es liegt daher auf der Hand, den altschwedischen Text mit einem mittelniederdeutschen Druck von ‘Der Heiligen Leben’, etwa den von Lucas Brandis (Lübeck ca. 1478) zu vergleichen. Dieser Druck wurde 1488 von Steffen Arndes praktisch ungeändert übernommen, vgl. Kohushölter 2006: 181. Im Jahre 1492 hat Arndes dann einen inhaltlich und stilistisch überarbeiteten zweiten Druck herausgebracht. Nach Bengtsson (1947: 53) sind die anderen Drucke von Arndes (von 1499 und 1507) weitgehend miteinander und dem Druck von 1492 identisch.2Die Gregorius-Legende im DeutschenWenn man von der Geschichte der ‘Gregorius’-Legende im deutschen Sprachbereich ausgeht, so beginnt diese mit Hartmann von Aues Werk von etwa 1186–90. Bernward Plate hat in seinem oben genannten Buch die Geschichte dieser Legende geschildert (s. auch Kohushölter 2006). Die mittelhochdeutsche Versdichtung wurde im 14. Jahrhundert in Prosa umgeschrieben (Plate 1983: 1). Danach wurde der Text unter dem Titel ‘Gregorius auf dem Stein’ in das Legendar ‘Der Heiligen Leben’ aufgenommen. Er findet sich dort im ‘Winterteil’ für den 28. November und steht gewöhnlich zwischen der Konrad- und der Saturninus-Legende. Als Repräsentant für den Legendentext kann nach Plate (1983: 19) die Handschrift F gelten. Dies ist eine Papier- und Pergamenthandschrift von 1431, die sich in der Universitätsbibliothek Frankfurt (MS Präd. 7) befindet. Sie wird bei Plate neben den Fassungen der Handschriften M (München, BSB, Cgm. 537) und I (Innsbruck, UB Cod. 631) abgedruckt. Dass ein ähnlicher Text wie der Text der Handschrift F auch für den schwedischen Text eine Rolle gespielt hat, wird schon in den ersten Zeilen deutlich: J aquitania i waland war en ädhla riker man (Stephens 1874: 321). Die Fassung in M ist viel ausführlicher: Er den zeitten was gar ein reicher edeler man jn wellischen lannden, jn der stat Aquitania. Die Fassung F hat hier: Es was ain reicher edeler man zu Aquitania jn dem wehlischen lande. In der Fassung I dagegen fehlen die Adjektive edel und reich. Der mittelniederdeutsche Druck von Brandis hat: Jn Aquitania in dem walschen lande was een ryke eddel man, was also sowohl der Handschrift F wie noch stärker dem schwedischen Text entspricht. Auch weiter stimmt der schwedische Text meistens mit F und dem Druck von 1478 überein. Im Druck von Arndes aus dem Jahre 1492 hat der Drucker den Text angepasst: IN Aquitanea in deme walschen lande was eyn ryke konnink de hete Marcus. Nach Kohushölter wurde dieser Text nach den ‘Gesta Romanorum’ überarbeitet, um mehr Glaubwürdigkeit zu erreichen, indem eine angeblich historische Person eingefügt wurde (2006: 182). Dies hänge wohl mit der Kritik an der Glaubwürdigkeit von Legenden, auch der Gregorius-Legende, zusammen, vgl. das Schlusswort der Legende im Druck von 1492:Hyr is to wetende dat etlike wyllen dat / disse hystorie van Gregorio verne van der / warde sy. wo woel dath me de hystorie be-/schreuen vind in dem boeke Gesta romano-/rum genomet. dar ok wol meer steit dat der / warde nycht ghelik is.4[Bl. 297r]Für diesen Beitrag werden zum Vergleich sowohl die Ausgabe von Brandis (1478) wie die Ausgabe von Arndes 1492 herangezogen.3Die altschwedische HandschriftDie Legende von Gregorius auf dem Stein ist in Schweden in nur einer Handschrift erhalten. Es handelt sich um die Handschrift Linc. B 70a (urspr. XXXIX), die in Stephens Ausgabe ‘Ett fornsvenskt legendarium’ Band II (1858), S. 1333– 36 beschrieben wird. Die Handschrift enthält die folgenden Texte:1r–12r5Sankt Amalberga – diese Geschichte wurde laut Vorwort von Nils Ragvaldi aus dem Lateinischen ins Schwedische übersetzt, abgedruckt bei Stephens: 1874: 276–320;12r–23vdie Geschichte der Hl. Maria von Oignies, abgedruckt bei Stephens 1874: 390–432;23v–24vdie Legende der Hl. Jakelina, abgedruckt bei Stephens 1874: 386–89;24v–25vLegende der Joleida, abgedruckt bei Stephens 1874: 448–51. Nach Angabe des schwedischen Übersetzers wurde sie ebenso wie die beiden vorigen Legenden aus dem Werk von Thomas von Cantimpré übersetzt;25v–26rdie Legende der Hl. Otilia, abgedruckt bei Stephens 1874: 443–47;26r–30vdie Legende der Hl. Rakel, abgedruckt bei Stephens 1874: 433–42;29r–29vdie Legende der Hl. Elisabeth, abgedruckt bei Stephens 1874: 478–80;29v–30vdie Legende der Hl. Phara, abgedruckt bei Stephens 1874: 271–75;30v–31vdie Legende der Hl. Thecla, abgedruckt bei Stephens 1874: 154–57. In diesem Text wird gesagt, dass sie aus dem Deutschen übersetzt wurde;31v–32rdie Legende der Hl. Petronilla und32r–33rdie Legende der Hl. Felicula, beide abgedruckt bei Stephens 1847–51: 331–36;33r–34vAff enne hælge iomfru som heth Maria, abgedruckt bei Stephens 1874: 64–6934v–36rLegende des Hl. Albinus, abgedruckt bei Stephens 1874: 262–70;36v–41rLegende von Johannes Chrysostomus, abgedruckt bei Stephens 1847–51: 660–75. Der Text enthält die Bemerkung, dass er aus einem deutschen “Passional” übersetzt wurde (S. 660);41r–48rdie Legende des Hl. Macharius romanus, abgedruckt bei Stephens 1874: 452–71;48r–57vdie Legende des Hl. Servatius, abgedruckt bei Stephens 1874: 158–96;57v–63rdie Legende des Hl. Gregorius auf dem Stein, aus dem Deutschen übersetzt von Christina Elofsdotter;63r–63rdie Legende des Papstes Stephanus, abgedruckt bei Stephens 1847–51: 399–400. Der Text enthält die Bemerkung: … oc honom wændhe herr iøns ewangelista (S. 399);63v–65vdie Legende von den Sieben Schläfern, abgedruckt bei Stephens 1847–51: 435–42 mit darin die Bemerkung … thz wændhe war kare brodher her jøns ræff (S. 435)6;65v–104vdie Legende der Hl. Emerentia und die Legende der Hl. Anna, abgedruckt bei Stephens 1874: 585–727. In der Handschrift findet sich die Bemerkung: larens elff son henne af tysko oc i swänsk wändhe (S. 727)7;104v–106rdie Legende von der Mutter des Bartolomeus, abgedruckt bei Stephens 1847–51: 217–22, übersetzt von Karl Benedictsson, der Hilfspriester in der Kapelle der Heiligen Katharina war und im Jahre 1501 von Bischof Brynolph von Skara zum Mönch und Priester in Vadstena geweiht wurde. Dort wurde er zweimal Confessor Generalis und starb 1528, vgl… . som war kære fadher her karl benedicti haffwer vænt (S. 217);106r–110rChronik der Heiligen Birgitta von Margareta Claussadotter, Nonne in Vadstena und außerdem 14 Jahre Äbtissin des Klosters († 1486). Der Text wurde u.a. von Er. Benzelius (Uppsala, 1710) und von Rietz (1844) gedruckt, vgl. Geete 1908: Nr. 323 (S. 116–18);110r–111vLegende des Hl. Stephanus, abgedruckt bei Stephens 1847–51: 291–94, aus dem Lateinischen übersetzt von Johannes Matthaei: … som allas ware ælskelike oc kære fadher herr joghan mathei haffwir wænth aff latino oc oppa swensko idher allom til hugnat (S. 291);111v–114r“Epistola som Fadher Ioghan Matei screff systromen”, abgedruckt bei Dahlgren 1875: 139–48;114r–118rAuszüge aus dem ‘Tractatus de instructione simplicium confessorum’ von Erzbischof Antoninus von Florenz (†1459), abgedruckt bei Dahlgren 1875: 149–66;118r–124rdie Abhandlung ‘De vita coenobitica’ des Henricus de Hassia8, abgedruckt bei Dahlgren 1875: 1–26.;125r–154r‘Claustrum Animae ællar Siælennas Andelikit closter’ des Hugo de St. Victor (†1140), übersetzt von Jöns Budde in Nådendals Kloster, Abgedruckt bei Dahlgren unter dem Titel “Själens kloster” (1875: 27–136);154r–166vAuszüge aus den ‘Regulae’ des Hl. Basilius, Der Text wurde bei Dahlgren (1875: 167–323) abgedruckt, vgl. Geete 1908: Nr. 246.Der Text der Gregorius-Legende wird nach der Ausgabe von Stephens zitiert, wobei er in der Handschrift kontrolliert und notfalls gebessert wurde. Die Rechtschreibung wurde insofern angepasst, dass hier ä mit æ und ö mit ø wiedergegeben wird, wie das heute üblich ist. Die Handschrift ist in einem Digitalisat der Stiftsbibliothek Linköping leicht zugänglich.4Vergleich des altschwedischen Textes mit der deutschen FassungWie gesagt wurden einige Legenden im Linköpinger Legendar aus dem Deutschen übersetzt. Nach Bengtsson (1947) wurden nicht nur die Legenden der Hl. Thekla, des Johannes Chrisostomus und der Hl. Emerentia und Anna aus dem Deutschen übersetzt, sondern auch die Servatius-Legende (1947: 42, Anm. 1 und 60–68), obwohl das in der Handschrift nicht ausdrücklich gesagt wird. Bengtsson nimmt auf Grund dessen denn auch an, dass das Kloster in Vadstena über ein Exemplar von ‘Dat Passionael’ verfügte, das dann die Vorlage für drei der vier Legenden war. Die Legende von Emerentia und Anna basiert wohl auf das ‘St.-Annen Büchlein’ (Braunschweig 1507 gedruckt von Hans Dorn), vgl. Roolfs 1997.Wenn man den altschwedischen Text mit dem mittelniederdeutschen Text in ‘Der Heiligen Leben. Sommer und Winterteil’9 im Druck von Lucas Brandis (Lübeck ca. 1478) vergleicht, so stellt man bald fest, dass er diesem Druck meistens ganz genau zu folgen scheint. Das betrifftt sogar die Wahl der Vokabeln und die Wortfolge.Beispiele für die große Übereinstimmung zwischen beiden Texten:Man vergleiche auch die Szene, wo die Schwester ihre Schwangerschaft entdeckt:Gegen Schluss bereitet sich die Mutter des Gregorius darauf vor, den neuen Papst zu besuchen und es heißt dort:Es ist deutlich, dass der schwedische Text hier eine fast wörtliche Übersetzung des mittelniederdeutschen Textes von 1478 ist. Das deutet wohl darauf hin, dass dieser oder einer der oben erwähnten späteren Drucke, die ja weitgehend einen identischen Text haben, die niederdeutsche Vorlage war, denn die Unterschiede mit dem mittelhochdeutschen Text sind etwas größer, vgl. Awe mir armen weib, warczu pin ich geporen! Jch han durch deynen willen gots huld verloren vnd auch der menschen vnd muß ewiclichen geschant sein, wann ich trag ain kint pey dir (DHL Winterteil. 234).Manchmal kann man denn auch anhand des Druckes sogar die Ausgabe des Textes bei Stephens verbessern, weil der mittelniederdeutsche Text deutlich macht, dass der Herausgeber die Handschrift falsch interpretiert hat. So heißt es bei ihm (1874: 330,19): som thu haffwer mik mykyt sakt. In der Ausgabe von Brandis steht: Sone du hest my veel gesecht. Da der Herausgeber korrekt vermerkt, dass som mit Nasalstrich geschrieben wurde, ist es auf Grund des mittelniederdeutschen Textes klar, dass man im schwedischen Text son statt som lesen soll: ‘Sohn, du hast mir viel erzählt’.Man kann auch feststellen, dass der spätere Druck von Steffen Arndes (Der helleghen leuent unde lydene. Anders ghenomet Passionael, 149210) mit kleinen Abweichungen in der Rechtschreibung im Großen und Ganzen weitgehend denselben Text bietet wie Brandis. Nach Bengtsson (1947: 53) seien die Drucke von Arndes von 1492, 1499 und 1507 denn auch fast identisch.Es ist dann interessant sich die Frage zu stellen, wo der schwedische Text mehr oder weniger stark vom mittelniederdeutschen Text abweicht und was der Grund für eine solche Abweichung sein könnte. Es können ja mehrere Gründe vorliegen: Die Übersetzerin hat vielleicht ihre Vorlage nicht richtig verstanden oder sie hat den schwedischen Text deutlicher machen wollen.4.1Offensichtliche FehlerAb und zu scheint der mittelniederdeutsche Wortlaut die Übersetzerin irregeführt zu haben. Manchmal kann man sich nämlich fragen, ob sie die Vorlage richtig verstanden hat. So heißt es im altschwedischen Text: iak sørgher meer om thina syster (322,2), wo es im niederdeutschen Text heißt: ik besorge nu dine suster darumme. Hier scheint die Ähnlichkeit zwischen mnd. besorgen ‘Sorge, Angst haben’ und aschw. syrghia ‘trauern; Schmerz fühlen; Sorge haben’ (Söderwall II,582–83) bei der Übertragung mitgespielt zu haben.Auch an anderen Stellen kann man sich die Frage stellen, ob die Übersetzerin ihre Vorlage genau verstanden hat. So heißt es Tha han kom wnfingho the honom ganzska gudelika, oc ledho han jn i en kamara (323,6–7), wo aschw. gudelika einem mnd. gutlyken entspricht. Das mittelniederdeutsche Wort jedoch bedeutet ‘gütig, wohlwollend, freundlich’ (MNH 132). Die schwedische Vokabel dürfte aber eher ‘göttlich, mit Gottesfurcht’ (Söderwall I,432) bedeuten. Ein Adjektiv godhliker zu goþer ‘gut’ (Söderwall I,415) scheint nämlich im Altschwedischen nicht belegt zu sein. Dasselbe kann man in der Szene mit dem Fischer beobachten, als er Gregorius hinauswerfen will (336,15): tha taladhe han [= Gregorius] gudelika til honom = Do sprak he to em gutliken. Gregorius ist hier demütig und will sich freundlich verabschieden. Im Schwedischen fehlt diese Bedeutung jedoch. Vielleicht deswegen wird an einer dritten Stelle mnd. guthlyken richtig mit aschw. wæl übersetzt (336,22).Sicherlich falsch ist die Übertragung auch auf S. 324: oc at man skulle thy lata læra the hælga skrefft, oc tha thz henne kwnne, für: vnde men scholde em de hylgen scrifft laten leeren vnde wen yd vp wusse. Die Übersetzerin hat die Bedeutung von wusse in diesem Satz – ‘wenn es (= das Kind) aufwachsen würde’ zu dem Verb wassen ‘wachsen’ – offenbar nicht verstanden und scheint es mit dem Imperfekt des Verbs ‘wissen’ assoziiert zu haben. Weiter hat der Text (326,4–5): han badh sina fiskara før dagh wt fara oc fiskia für mnd. de heth syne vysschere veer dage vysschen. Es ist ja kaum anzunehmen, dass aschw. ƒør dagh für ‘4 Tage’ steht.Als die Frau des Fischers ihn fragt, woher er das Geld hat, antwortet er: dat yd Gregorius was gewesen, vnde wo me em vp dem watere hadde gevunden. Für die Übersetzerin dürfte nicht ganz klar gewesen sein, dass hier mit dem Namen Gregorius der Abt und nicht das nach ihm benannte Kind gemeint ist, denn sie übersetzte: at the haffdo hørt gregorium til oc hwru han war fwnnen oppa watnet (328,14–16). Im Druck von 1492 wird diese Stelle nicht zu Unrecht verdeutlicht: dat id em de abbet Gregorius vmme dat kint vp te vodende ghegheuen hadde. vnde wo me ene vp dem watere hadde gheuunden. Es dürfte damit auch klar sein, dass dies nicht die Vorlage des altschwedischen Textes war.Als Gregorius aus der Stadt zieht, um den aufdringlichen Bewerber seiner Mutter zu bekämpfen, heißt es im mittelniederdeutschen Text: vnde toch des morghens to velde ‘und zog morgens ins Feld’. Hier hat sich die Übersetzerin wohl vom Wortlaut des mittelniederdeutschen Textes verführen lassen, indem sie schreibt: oc om morghonen tok han til markenna (333,10). Die Bedeutung des Verbs taka ‘nehmen, greifen’ passt hier wohl kaum. Auch hier dürfte das Schriftbild im Mittelniederdeutschen bei der Übertragung mitgespielt haben.Auch in der Szene mit dem Fischer, bei dem Gregorius ankommt, scheint ein Missverständnis vorzuliegen. Im mittelniederdeutschen Text heißt es, dass der Fischer Gregorius versprak ‘tadelte, schalt’, als er sieht, dass er ein starker Mann ist. Im schwedischen Text steht: oc swaradhe honom ‘und antwortete ihm’ (336,12). Die spezifische Bedeutung des mittelniederdeutschen Verbs scheint der Übersetzerin somit entgangen zu sein.4.2Freiere Übertragungen und AnpassungenDie Übersetzerin hat ihren Text ab und zu offenbar etwas freier übertragen. So heißt es im niederdeutschen Text: Do wart se seer bedrouet. vnde stellede sik iamerliken mit mnd. sik stellen ‘sich gebärden’, wo der altschwedische Text oc sørgdhe ganzska iæmmerlika (322,16–17) mit syrghia ‘trauern’ hat. Etwas Ähnliches liegt wohl auch in der folgenden Stelle vor:Der niederdeutsche Text hat guede ‘Güte’ und schließt sich damit an den mittelhochdeutschen Text an: vnd trost dich gotz gut (S. 235), während der schwedische Text gudhz nadher ‘Gottes Gnade’ gebraucht. In der Episode, worin erzählt wird, wie sie das Kind in ein Fässchen aufs Wasser setzen, heißt es im mittelniederdeutschen Text, dass sie Vorsorge trafen, dass dem Kind nicht wynt off regen schaden könnten. Hier hat der Text im Linköpinger Legendar die stabreimende Formel ey wædher ællar watn (324,21) gewählt.4.3Verdeutlichungen und PräzisierungenDer Text im Linköpinger Legendar verdeutlicht und präzisiert ab und zu. So heißt es in der Szene, wo die Frau den Tod ihres Bruders erfährt, im Mittelniederdeutschen vnde beclagede ene gantz yamerlyken myt gantz groten ruwen vnde droffnyssen und in Link.: oc klagadhe hans dødh mz størsta sorgh oc drøffwilse (324–25). Hier fällt auch auf, dass Link. das Adverbiale ein bisschen kürzt, obwohl die Bedeutung dieselbe bleibt und hier ausdrücklich der Tod des Bruders als Anlass erwähnt wird.Manchmal wird der Text näher präzisiert. So wird vom Abt gesagt, dass er dem reicheren Fischer eine Mark schenkt, damit er über die Angelegenheit schweigt: vnde gaf dem riken ene mark; im schwedischen Text wird das ergänzt: oc them rika fiskarenom gaff han ena mark gul (327,10–11). Der Druck von 1492 ist hier auch etwas genauer: vnde gaff deme ryken ok van deme golde. Die etwas andere Formulierung macht aber wieder deutlich, dass diese Fassung wohl nicht die Vorlage für den schwedischen Text war.Eigentümlicherweise spricht der niederdeutsche Text von nur einem Kind, mit dem Gregorius streitet: Do spelede he vp eyne tijt met des visscheres kinde vnde dede em wee (so auch im Druck von 1492), während im altschwedischen Text von mehreren Kindern die Rede ist: tha lekte han entidh mz fiskarans barnom oc the slogos sin i mællan (328,17–18). Im nächsten Satz wird dann allerdings gesagt, dass ein Kind weinend zu seiner Mutter rennt, weil ihn Gregorius geschlagen habe. Ein paar Sätze weiter heißt es dann wieder: Oc tha war gregorius tith mz barnommen gangin (328,24–25).In einigen Fällen wurden kleine Hinzufügungen aufgenommen:Hier entspricht aschw. gudhlikhet an sich schon mnd. andacht, vgl. Söderwall III,432, aber möglicherweise wird hier durch die Hinzufügung das Gottesvertrauen des späteren Heiligen extra betont.Eine Änderung wurde in der Stelle vorgenommen, worin die Herkunft des Gregorius entdeckt wird: Nu hadde he11 ene maget de merkede dat he yo alletijt vrolik was wen he in de kamere gink. Hier ist also die Rede von einer Dienerin des Gregorius (so auch im Druck von 1492). Im altschwedischen Text ist das anders: nu haffde frwn ena pigho, oc hon førmærkte altidh at herran war altidh gladher tha han gik jn i kamaran (334,14–16). Hier ist es also eine Dienerin der Gattin, die beobachtet, dass Gregorius regelmäßig auf die Tafel guckt. Möglicherweise wird so das Ausplaudern des Geheimnisses plausibler gemacht.Auch in dieser Episode wird im altschwedischen Text präzisiert. Während es im deutschen Text heißt: [vnde sach] … vnde wor he se hen leede, wird im schwedischen Text ein neues Verb eingeführt: waktadhe grant hwar han henne lagdhe ‘beobachtete genau, wohin er sie legte’ (334,20–21).Ergänzungen finden sich weiter in:1213Der Nebensatz im letzten Zitat fehlt bei Brandis, aber die Ausgabe von Arndes (1492) hat hier to Rome, sodass man eventuell annehmen könnte, dass auch diese Ausgabe oder einer der späteren Drucke der Übersetzerin vorlag, aber an und für sich ist die Ergänzung auch ohne direkte Vorlage logisch.In der Ausgabe von 1492 heißt es an dieser Stelle: do nam he den slotel vnde sloet de yseren kede vp daer de hylghe Gregorius inne gheslaten was. Hier ist der Satz vollständiger, sodass man sich fragen kann, ob im Druck von 1478 etwas verloren gegangen ist. Auf jeden Fall scheint der schwedische Text hier auf den ersten Blick dem Text im Druck von 1492 etwas näher zu stehen, obwohl hier die Mehrzahl benutzt wird, weil die Boten aus Rom die Ketten lösen. Der mittelhochdeutsche Text ist hier allerdings auch kurz: Vnd sloß do die eysen auf (S. 244). Aber Handschrift M weist Übereinstimmung mit dem schwedischen Text auf:Do namen dy zwen Romer, dy gesant woren, den sluszel und sluszen das slosz auff, da mit Sant Gregorius versloszen was.PLATE 1953: 188Weiter:Die letzte Hinzufügung findet sich nicht in den möglichen Vorlagen. Auch der Druck von 1492 hat nur: vnde hebbe my gode ghegheuen. Möglicherweise wurde sie nach einem anderen Vorbild eingefügt, vgl. den Satz gudh gaff hanum wald badhe binda ok lösa (Söderwall I,814) in einer Legende im Codex Bildstenianus (Stephens 1847–51: 115).Wie gesagt weisen der altschwedische und der niederdeutsche Text sehr große Übereinstimmungen auf. Es ist dann interessant zu sehen, wo sie voneinander abweichen und was dafür der Grund sein könnte. In manchen Fällen lässt sich allerdings kein deutlicher Grund finden. Man vergleiche etwa: wente wy willen dy een grot lydent clagen mit: thy wi wiliom war stora drøffuilse klaga. Eigentlich wird in beiden Texten im Großen und Ganzen etwas Ähnliches gesagt, nur dass die Wortwahl etwas abweicht.Hier fällt auf, dass im middelniederdeutschen Text die Mehrzahl gebraucht wird, während im altschwedischen Text die Aufmerksamkeit ganz auf die Frau gerichtet ist. Auch ist der Text hier etwas präziser. Allerdings weicht der Text bei Arndes etwas ab, indem dort em ‘ihm’ statt en ‘ihnen’ steht und auch dat se hemeliken daer van quemen, wodurch es auch hier nur auf die Frau bezogen wird.Ab und zu finden sich im schwedischen Text kleine Zusätze. So heißt es Bl. 323,17–18): at i laten sammankalla herrana i landet, wo im mittelniederdeutschen Text nur von de heren gesprochen wird. Auch an anderen Stellen scheint die schwedische Übersetzerin hinzugefügt zu haben, s. auch oben 4.3. So heißt es nach der Geburt des Kindes in Link.: thz han them wille wærdoghas lata faa wetta, hwat aff thy barne skulle gøras (324,5–7) gegen mnd. dat he en apenbaerde wor se best ane deden. Diese Ergänzung fehlt auch im hochdeutschen Text, der dasselbe hat wie die mittelniederdeutschen Drucke (S. 235: daz er in zu tun geb, was das pest were), vgl. auch Plate 1983: 56–57. So wird nach dem Tode des Bruders im altschwedischen Text gesagt: oc klagadhe hans dødh, wo der niederdeutsche Text nur das Pronomen ene hat. Dagegen wird gantz yamerlyken ausgelassen. Ähnlich heißt es im altschwedischen Text: som laa iij dagha oskadder i fiskenom 1874: 325–26), wo es im mittelniederdeutschen Text nur de in dem vissche lach dre dage heißt. Im niederdeutschen Text heißt es: Jk wil dy raden als mynem kinde, während der schwedische Text präzisiert: iak radher tik som thu ware meth barn (329,13) und etwas weiter wird in torne erweitert zu i thinne wredhe (329,16). Es lässt sich allerdings vermuten, dass in einigen dieser Fälle die Ergänzung im Kontext ohne weiteres verständlich ist.4.4PaarformelnCharakteristisch für frühe Übersetzungen ist, dass sie gerne Paarformeln benutzen. So gibt Bengtsson (1947: 56) ein Beispiel aus der Thekla-Legende, wo es heißt: wari mik thzta watnet en kælla ællar brwn, wo der mittelniederdeutsche Text nur ein born und der lateinische Text nur fons hat. Diese Erscheinung findet man auch in der Gregorius-Legende: dat se dat land moet bewaren – thz hon skal styra oc bewara landet (323,21–22); een vateken – eth faat ællar twnno (324,9); to regerende – at styra oc regera (325,2–3); vnde verwoeste er ere lande – oc striddhe ællar røffuade henna landh (325,18); de beschermde eer goth – then stadhen beskærmadhe oc gømdhe henne gudh (325,21–22) – man beachte hier auch die Ergänzung oder Präzisierung then stadhen –; wor gy dat hebben gekregen – hwar i haffwn thz fangit ællar fwnnit (326,21–22); dat he dat kynt gevunden hadde – at han haffde faat ællar fwnnit thz barnet (326,26–28); dat speer – eth spær ællar glæffio (330,16); vnde besworen em – oc spordho oc manadho honom (339,32); vnde was den sunderen gantz gnedich – oc war syndarom ganzska nadogher oc mildher (341,3). Bei der Begegnung von Mutter und Sohn in Rom gegen Schluss der Legende findet sich eine vergleichbare Erweiterung im schwedischen Text:Hier wird also im Grunde auch zweimal dasselbe gesagt, um die Freude der Mutter über das Wiedersehen auszudrücken.Eine seltsame Übertragung findet sich auf S. 325: oc taladhe til henna mz orætta ‘und sprach zu ihr mit Unrecht’. Im niederdeutschen Text steht hier vnde greep se an myt vnrechte ‘und griff sie unrechtmäßig an’. Eventuell kann man allerdings aschw. tala til als ‘anklagen’ interpretieren (vgl. Söderwall II,617). An einer späteren Stelle heißt es im mittelniederdeutschen Text Myne dumheyt is so groot, dat ick iuw nycht volghen mach ‘Meine Unwissenheit ist so groß, dass ich Euch nicht folgen kann’. Ein Vergleich mit dem mittelhochdeutschen Text macht deutlich, dass hier tatsächlich mnd. dumheit ‘Unwissenheit’ gemeint ist (mhd. tumphait, S. 238). Im schwedischen Text steht jedoch: Min kønheit ær swa stoor at iak førma ey at følia idhro radhe. Hier wird also eine andere Begründung gegeben: Im Falle der schwedischen Übersetzung ist es also die Kühnheit14 (eines Ritters?), die den jungen Mann dazu bringt, den Rat des Abtes nicht zu befolgen.4.5KürzungenAb und zu wurde die mittelniederdeutsche Vorlage gekürzt:Als Gregorius zufällig erfahren hat, dass er ein Findling ist, heißt es im niederdeutschen Text: vnde quam to deme clostre, vnde sede deme abbete. Hier hat die Übersetzung etwas gekürzt: gik hem til abotan oc sagdhe honom (328–329). Der Druck von 1492 hat hier praktisch denselben Text.Offensichtlich hat die Übersetzerin hier den mittelniederdeutschen Text gekürzt, weil er im Grunde zweimal dasselbe sagt.Hier liegt wohl eine Kürzung vor, weil im mittelniederdeutschen Text ‘Mutter’ zweimal steht. Auch der Druck von 1492 hat die Vokabel nur einmal (295v).Es lässt sich vermuten, dass die schwedische Übersetzerin mit dem Wort untuchteliken an dieser Stelle nicht viel anfangen konnte, weil es im Mittelniederdeutschen ‘unzüchtig’ (MNH 444) bedeutet und diese Bedeutung hier nicht in den Zusammenhang passt. Im Druck von 1492 fehlt das Adverb denn auch. Vermutlich handelt es sich bei Brandis um eine Fehlinterpretation von mhd. untugentlichen (S. 242,30) ‘tugentlos’ (Lexer II,1947).4.6ÄnderungenBeim Abschied erzählt der Abt dem Gregorius, dass er dem Fischer, der ihn aufgezogen hat, drei Mark Gold gegeben habe. Im schwedischen Text heißt es aus irgendeinem Grund hier: iak gaf fiskaromen iij marker som tik fwnno (331,18–19). Eine Erklärung für diese abweichende Übersetzung könnte sein, dass die Übersetzerin mnd. dē visschere als Plural aufgefasst und in dem Sinne den Text abgeändert hat.Bei der ersten Begegnung zwischen Mutter und Sohn hat die Übersetzerin die Satzkonstruktion geändert. Während im mittelniederdeutschen Text gesagt wird, dass Gregorius ihr gefiel und sie ihm (Gregorius behagede eer wol. vnde se em ok), ist es im altschwedischen Text umgekehrt: hon behagadhe gregorium ganzska wæl oc han henne (332,18–19). Etwas später wird die Satzkonstruktion abgeändert, obwohl inhaltlich keine Änderungen auftreten:Ab und zu jedoch sieht es fast aus, ob die Übersetzerin noch eine zweite Vorlage hatte. In der Episode, wo sich Mutter und Sohn zum ersten Male sehen, ohne von ihrer Verwandtschaft zu wissen, heißt es im mittelniederdeutschen Text, dass die Leute in der Stadt die Vorzüge des jungen Mannes gelobt hatten und Darumme sach se ene ok geerne (so auch im Druck 1492). Der altschwedische Text ist hier ausführlicher: før thy sagh hon honom gærna, oc kærlekare ælskadhe æn nakon annan man (332,12–14), ohne Basis im mittelniederdeutschen Text. Die Erweiterung erinnert wohl etwas an den mittelhochdeutschen Text: vnd sahe jn fleissiclicher an den ye kain man (103). Aber hier dürfte eher eine mehr oder weniger logische Ergänzung vorliegen.5SchlussfolgerungenEs ist deutlich, dass einer der niederdeutschen Drucke aus Lübeck im Kloster Vadstena vorhanden war. Mit einiger Sicherheit wird das der Druck von Brandis 1478 oder eventuell der von Arndes 1488 gewesen sein, weil dieser ohne große Änderungen auf Brandis zurückgeht. Aber auf Grund einiger der oben genannten Besonderheiten scheint es möglich, dass auch der Druck von Arndes 1492 oder später anwesend war, weil er an einigen Stellen dem schwedischen Text etwas näher zu stehen scheint. Besonders die folgende Stelle ist darüber aufschlussreich:oc hwru han haffde læst honom oppa stenen, tha wordho the ganzska gladha, oc tænkto, at thz ær the samma mænniskia ther gudh haffuer os oppenbarat, Tha badh fiskaren them at the gaffuen honom boot før syna syndher, som the oc giordho, …339,13–18Im mittelniederdeutschen Druck von Brandis (1478) steht hier nur: vnde he bath bote vnde beterynge vor syne sunde. Dat deden se, aber bei Arndes 1492 heißt es: vnde wo he en vp den steen geslaten hadde. Do worden se ghans vro. vnde dachten id were de sulue minsche dat en got van geheapenbart hadde. Die Stelle entspricht auch dem mittelhochdeutschen Text in ‘Der Heiligen Leben’ (S. 243).Beim ersten Blick scheint die Gregorius-Legende im Linköpinger Legendar also mit dem Text in Arndes Druck vom Jahre 1492 verwandt zu sein. Aber wenn man auf den Anfang schaut, so ändert sich dieses Bild. Der altschwedische Text beginnt mit den Worten: J aquitania i waland war en ædla riker man, han haffde mz sinne hwstru ij barn en son oc ena dotter. Bei Brandis lautet der Anfang des Textes: In Aquitania in dem walschen lande was een ryke eddel man de hadde myt siner vrouwen twee kyndere, enen sone vnde ene dochter. Dagegen hat der Druck von Arndes 1492 einen abweichenden Text: In Aquitanea in deme walschen lande was eyn ryke konnink de hete Marcus. de hadde mit syner vrouwen .ij. kinder. enen sone vnde ene dochter. Hier hat der Drucker nach dem Muster der lateinischen ‘Gesta Romanorum’ den Text abgeändert. Dieselbe Einleitung findet man auch in den weiteren Drucken von Arndes 1499 und 1507, und in den späteren Drucken von Petri 1511 und 1517.Die Gregorius-Legende im ‘Linköpinger Legendar’ wurde verhältnismäßig wortgetreu übersetzt. Bengtsson (1947: 123) hat schon festgestelt, dass Legenden, die auf eine niederdeutsche Vorlage zurückgehen, wortgetreuer übersetzt wurden als solche die auf eine lateinische Vorlage zurückgehen. Nach Carlquist (1996: 107) passt das zu der Entwicklung der Übersetzungskunst in Vadstena. Anfangs seien die Texte in diesem Kloster meistens ziemlich frei aus dem Lateinischen übertragen, aber im späteren Mittelalter seien die Texte immer häufiger wortgetreu übersetzt worden. Auch vermutet Carlquist, dass die Legenden an erster Stelle zur Erbauung der Schwestern im Kloster dienen sollten und auch zu meditativem Nachdenken anregen sollten. Die Schwestern dürften im Spätmittelalter zu den “kultivierten Schriftgebrauchern” (1996: 233) gehört haben, was heißt, dass sie hauptsächlich im Stande waren, volkssprachige Texte zu lesen. Die aus dem Deutschen übersetzten Legenden dürften wegen ihres Stoffes übersetzt worden sein, denn sie gehören zu den in Skandinavien weniger bekannten Heiligen. Die Legende vom Gregorius auf dem Stein dürfte in den Augen der Nonnen von Vadstena ein Beispiel dafür sein, dass ein an sich sehr sündiger Mensch doch nach Reue und langer Buße das höchste in der (religiösen) Welt erreichen kann. Das entspricht der Meinung von Carlquist (1996: 54), dass man in Vadstena Lebenbeschreibungen von Heiligen bevorzugte, weil sie ein Ideal für ein frommes Leben präsentierten.

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Amsterdamer Beiträge zur älteren GermanistikBrill

Published: Dec 21, 2022

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