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Jüdische Spenden und Stiftungen im fraktalen Raum des Heiligen Römischen Reichs

Jüdische Spenden und Stiftungen im fraktalen Raum des Heiligen Römischen Reichs Im Jahre 1732 verfügte ein gewisser Meyer Levi (PID 881) in Bamberg, dass aus seinem Nachlass eine Stiftung errichtet werden sollte, deren Zweck laut einer Aussage aus dem frühen 19. Jahrhundert die Bezahlung von Schulgeld für arme Kinder im allgemeinen gewesen sei.Stadtarchiv Bamberg (= StadtABa), C 2, Nr. 53983 (Jüdische Stiftungen); Michaela Schmölz-Häberlein: Jüdische Stiftungen im Bamberg des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. In: Stiftungen, Fürsorge und Kreditwesen im frühneuzeitlichen Bamberg. Hg. von Mark Häberlein und Michaela Schmölz-Häberlein. Bamberg 2015 (Bamberger Historische Studien;13), S. 185−202. Während bei einigen jüdischen Stiftern in der fürstbischöflichen Residenzstadt der persönliche Hintergrund bekannt ist, konnte Meyer Levis Person lange Zeit nicht verortet werden. Erste Hinweise auf seine Identität finden sich im Kontext von Synagogenbauten in zwei fränkischen Landgemeinden. Im Jahre 1722 sammelte er mit dem Deputierten der Landjudenschaft des Hochstifts, seinem Bruder Jakob Levi (PID 7127),1699 war Jakob Levi bereits im Schutz in Zeckendorf. Designation Nominum der jenigen Juden, welche in ao 1699 zu Zeckendorf würkl. angesetzen gewesen, StadtABa, HV Rep. 3,1205/1, Nr. 47; Michaela Schmölz-Häberlein: Jüdisches Leben in den Gemeinden Zeckendorf und Demmelsdorf. In: Jüdisches Leben in der Region – Herrschaft, Wirtschaft und Gesellschaft im Süden des Alten Reiches. Hg. von Michaela Schmölz-Häberlein. Würzburg 2018 (Stadt und Region in der Vormoderne; 7 / Judentum – Christentum – Islam. Interreligiöse Studien; XVI), S. 267–320, hier S. 274. und dem Bamberger Gemeindevorsteher und Hoffaktor Moses Isaak Brillin (PID 956)Zu Moses Brillin und seiner Familie vgl. Michaela Schmölz-Häberlein: Juden in Bamberg (1633–1802/03). Lebensverhältnisse und Handlungsspielräume einer städtischen Minderheit. Würzburg 2014 (Judentum – Christentum – Islam. Interreligiöse Studien; XI / Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg; 18), bes. S. 116–119, 189–192, 202–204. Geld für den Kauf des Synagogengebäudes in dem reichsritterschaftlichen Ort Aufseß, in dem zeitgleich auch ein Friedhof angelegt wurde.Adolf Eckstein: Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstbistum Bamberg. Bamberg 1898, S. 118; Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. 2. Aufl. München 1992, S. 204 f.; Angela Hager und Cornalia Berger-Dittscheid: Aufseß. In: Mehr als Steine … Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 1: Oberfranken, Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern, Schwaben. Hg. von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz. Lindenberg i. Allgäu 2007, S. 66–71. Im Jahr darauf spendete er eine hohe Summe für die Errichtung einer neuen Synagoge in Zeckendorf, die nach dem Vorbild der Bamberger konzipiertEva Groiss-Lau: Jüdisches Kulturgut auf dem Land. Synagogen, Realien und Tauchbäder in Oberfranken. München u. a. 1995, S. 19. Verweis auf Adolf Eckstein: Zur Geschichte der Juden in Zeckendorf. In: Die Hohe Warte. Blätter zur Erbauung und Belehrung, Unterhaltungsbeilage zum Bamberger Wochenblatt 22–25 (1922). und 1727 eingeweiht wurde.Regina Schade: Formen jüdischer Ansiedlung und Bauten in den Gemeinden Zeckendorf und Demmelsdorf. In: Jüdisches Leben auf dem Dorf. Annäherung an die verlorene Heimat Franken. Hg. von Klaus Guth und Eva Groiss-Lau. Petersberg 1999 (Landjudentum in Oberfranken. Geschichte und Volkskultur; 3), S. 35–63, S. 44; Eva Grois-Lau: Die jüdischen Landgemeinden Zeckendorf – Demmelsdorf. In: Ebd., S. 15–34, S. 23; Groiss-Lau, Jüdisches Kulturgut auf dem Lande (wie Anm. 5), S. 19; bei allen dreien Verweis auf Eckstein, Geschichte der Juden in Zeckendorf (wie Anm. 5). Im Gegenzug für seine Großzügigkeit gewährte der lokale Grundherr, Abt Gallus Knauer (1654–1728) des Zisterzienserklosters Langheim bei Lichtenfels,Einen knappen Überblick bietet Gabriele Wiesemann: Kloster Langheim. Historischer Kolonisationskern und gegenwärtiges Kulturerbe. In: Landschaften in Deutschland Online. URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/81_b_114-kloster-langheim/ (19.09.2019). dem die jüdische Gemeinde für den Bau zinspflichtig war, Meyer Levi und seiner Familie das Privileg, Zeit seines Lebens die Synagogenstühle zinsfrei zu nutzen. Der Abt betonte,daß Levi Juden zu Pfirscha negst Augspurg alß dem ersten und für nehmbsten Guththäter bey diesem vorseyenden Syangog-bau drey neue Stühl, benanntlich zwey Männer= und ein Weiber Stuhl lebenslänglich vorbehalten seye, auch so lang handlohn- und Zins-frey passiren, die Lehens recognition aber gegen entrichtung des hergebrachten Schreibgeldtes durch einen Lehensträger gleichwohl geschehen [solle].Staatsarchiv Bamberg (= StABa), 221/X Standbuch Nr. 4195, Kopie des Erb-, respektive Konfirmationsbriefs, 15.3.1722, fol. II–V.Dieses grundherrliche Privileg gibt einen Hinweis, warum Meyer Levi sich nicht in fränkischen Quellen findet, obwohl er Zeit seines Lebens unter dem Schutz der Freiherren von AufseßZu Aufseß vgl. Hager/Berger-Dittscheid, Aufseß (wie Anm. 5). in der Gemeinde Zeckendorf stand, die von 1654 bis 1674 auch der Rabbinatssitz der Bamberger Landjudenschaft war.Zu Zeckendorf ausführlich Schmölz-Häberlein, Zeckendorf und Demmelsdorf (wie Anm. 2). Gleichzeitig war er nämlich in dem etwa 200 Kilometer von Zeckendorf entfernten schwäbischen Ort Pfersee vor den Toren der Reichsstadt Augsburg ansässig,Vgl. knapp zu jüdischen Siedlungen vor der Reichstadt Augsburg, Sabine Ullmann: Jews as Ethnic and Religious Minorities. In: A Companion to Late Medieval and Early Modern Augsburg. Hg. von B. Ann Tlusty und Mark Häberlein. Leiden 2020, S. 367–390, hier S. 378–383. was ihm den Beinnamen Pfersig oder Pferschau einbrachte.An den Lebensumständen Meyer Levis lässt sich die »Vielheit der Referenzebenen«, von denen der französische Historiker Christophe Duhamelle in Bezug auf das Heilige Römische Reich spricht, exemplarisch aufzeigen. Zum einen prägten Juden die religiöse Landschaft,Philippe Büttgen und Christophe Duhamelle: Introduction. In: Religion ou confession. Un bilan franco-allemand sur l’epoque moderne (XVIe–XVIIIe siècle). Hg. von Philippe Büttgen und Christophe Duhamelle. La Rochelle 2010, S. 1–6. Die jüdische Minderheit wird hier leider nicht betrachtet. zum anderen nutzen sie die zahlreichen territorialen Grenzen, die sich vielfach überlappenden Herrschaftsrechte sowie die verschiedenen Jurisdiktionen, um sich wirtschaftliche Optionen zu erschließen und so ihr Auskommen zu sichern. Ein zentrales Rechtsinstrument war dabei der Judenschutz, der die Grundlage der jüdischen Existenz im Reich bildete. Das ursprünglich kaiserliche Judenregal war im Rahmen der vormodernen Territorialisierungsprozesse sukzessive auf die Landesherren übergegangen. In Schwaben und Franken, den Verdichtungsräumen jüdischen Lebens auf dem Gebiet des heutigen Freistaats Bayern, blieb die Reichsnähe durch die habsburgischen Territorien in Vorderösterreich sowie die engen Bindungen von Reichstädten und Reichsritterschaften an Kaiser und Reich dauerhaft gewährleistet.Sabine Ullmann: Judenschutz, publiziert am 21.08.2017. In: Historisches Lexikon Bayerns. URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Judenschutz (21.05.2022).Das unter habsburgischer Oberherrschaft stehende Pfersee gehörte zum schwäbischen, das hochstiftisch-bambergische Zeckendorf, in dem neben dem Kloster Langheim diverse reichsritterschaftliche Familien grundherrliche Rechte ausübten, zum fränkischen Reichskreis. Der Schwäbische Kreis umfasste das Herzogtum Württemberg, drei Hochstifte, 36 Prälaten, 35 Reichsstädte sowie 35 Grafen und Herren, während der fränkische sich aus den drei Hochstiften, dem Deutschmeister des Deutschen Ordens, den Komturen der Ballei Franken, acht weltlichen Fürsten, zwölf Grafen und Herren sowie fünf Reichsstädten zusammensetzte. Darüber hinaus existierten die nicht inkorporierten Reichsritterschaften, die wiederum in Kantonen zusammengeschlossen waren.»Der Ritterkanton war rechtlich wie politisch die entscheidende Ebene der reichsritterschaftlichen Korporation.« Er war sowohl ein Personen- als auch ein Güterverband, und die sechs Kantone Altmühl, Baunach, Gebürg, Odenwald, Rhön-Werra und Steigerwald bildeten den Fränkischen Ritterkreis, der sich der konfessionspolitischen Neutralität verpflichtet war, jedoch eine evangelische Grundprägung hatte. Klaus Rupprecht: Reichsritterschaft, Kanton Gebirg, publiziert am 14.03.2016. In: Historisches Lexikon Bayerns. URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reichsritterschaft,_Kanton_Gebirg (9.06.2022). Vgl. allg. Winfried Dotzauer: Die deutschen Reichskreise (1383–1806). Geschichte und Aktenedition. Stuttgart 1998; Reichskreis und Territorium. Die Herrschaft über die Herrschaft? Supraterritoriale Tendenzen in Politik, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein Vergleich süddeutscher Reichskreise. Hg. von Wolfgang Wüst. Stuttgart 2.000 (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsstelle Augsburg der Kommission für Bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Reihe 7: Augsburger Beiträge zur Landesgeschichte Bayerisch-Schwabens; 7). Die in diesen Kreisen zusammengefassten Herrschaften waren wiederum keine geschlossenen Territorien, sondern verfügten über zahlreiche Ex- und Enklaven, die aufgrund ihrer Nähe zu den territorialen und konfessionellen Grenzen den Obrigkeiten zahlreiche Möglichkeiten lokaler und territorialer Einflussnahme eröffneten. Zugleich waren sie selbst von Ex- und Enklaven durchzogen.Christophe Duhamelle: »Drinnen und draußen«. Raum und Identität der Exklave im Alten Reich nach dem Westfälischen Frieden. In: Trivium [Online], 14 | 2013, online erschienen am 16 September 2013. URL: http://journals.openedition.org/trivium/4630; DOI: https://doi.org/10.4000/trivium.4630 (09.09.2022). Nach Christophe Duhamelle botdie räumliche Nähe einer Fremde, die so wenig fremd war wie das Nachbarterritorium, zahlreiche Möglichkeiten. Man konnte fliehen (wobei der Begriff durchaus übertrieben ist, führte die »Flucht« in der Regel doch nur in die unmittelbare Nachbarschaft) oder die Leistungen des anderen in Anspruch nehmen, wenn die örtliche Obrigkeit zu streng in ihren Anforderungen war bzw. nicht zur Genüge auf die Forderungen der Bevölkerung einging. Gleichzeitig begünstigten die Entfernung vom politischen Zentrum und vor allem die räumliche Isolation eine hohe lokale Autonomie.Duhamelle, Drinnen und draußen (wie Anm. 15), S. 16.Diese komplexe herrschaftliche Gemengelage prägte nicht nur die Existenzbedingungen der jüdischen Bevölkerung, sondern auch deren Selbstverständnis, das sich nicht mit einem einheitlichen Raum- und Regionsbegriff fassen lässt.Michaela Schmölz-Häberlein: Jüdisches Leben in der Region – eine Einführung. In: Jüdisches Leben in der Region – Herrschaft, Wirtschaft und Gesellschaft im Süden des Alten Reiches. Hg. von Michaela Schmölz-Häberlein. Würzburg 2018 (Stadt und Region in der Vormoderne; 7 / Judentum – Christentum – Islam. Interreligiöse Studien; XVI), S. 9–28, S. 17. Das Beispiel Meyer Levis vermag zu zeigen, wie jüdische Akteure dieses fraktale Reichsgebilde für ihre Zwecke zu nutzen verstanden.Vgl. zum fraktalen Reichsgebilde Falk Bretschneider und Christophe Duhamelle: Fraktalität. Raumgeschichte und soziales Handeln im Alten Reich. In: Zeitschrift für Historische Forschung 43 (2016), H. 4, S. 703–746. Seine Biographie, die stellvertretend für zahlreiche jüdische Lebensläufe im Süden des Reiches steht, verdeutlicht zugleich, wie überregionale Transferprozesse in diesem fraktalen Raum vonstattengingen.Schmölz-Häberlein, Jüdisches Leben (wie Anm. 17), S. 17.Das von Christophe Duhamelle und Falk Bretschneider entwickelte Konzept der Fraktalität des Reiches ermöglicht die Rekonstruktion der »Variablen menschlichen Handelns, die den verschiedenen Formen der Vergesellschaftung eine jeweils spezifische räumliche Gestalt gibt«,Bretschneider/Duhamelle, Fraktalität (wie Anm. 18). und hilft, soziale Logiken zu entschlüsseln, die sich in den räumlichen widerspiegeln. Räumliche Strukturen entwickeln sich also aus den sozialen Interaktionen der Akteure, die wiederum den Raum prägen. Der fraktale Raum des Alten Reichs ist nach Bretschneider und Duhamelle ein maßgeblich durch Strukturanalogie und Selbstähnlichkeit geprägtes Mehrebenensystem, das historischen Akteuren flexibles Agieren zwischen den diversen Ebenen ermöglicht.Bretschneider/Duhamelle, Fraktalität (wie Anm. 18), S. 715. Nicht zuletzt jüdischen Individuen ermöglichte dies zusätzliche Handlungsoptionen. Die Verbindung der räumlichen Ausprägung mit den sozialen Praktiken jüdischer Akteure, deren Nutzung der politischen und sozialen Ordnungen und die Ausformung und Resilienz jüdischer Netzwerke sollen im Folgenden am Beispiel der Zedaka,Johannes Heil: »Zedaka« – Mehr als nur Geben. In: Juden. Geld. Eine Vorstellung. Hg. von Fritz Backhaus, Raphael Gros und Liliane Weissberg. Frankfurt a. M., New York 2013, S. 233–329. der jüdischen Form der Wohltätigkeit, sichtbar gemacht werden.Nach einem kurzen Überblick über den Forschungsstand und die Überlieferungslage wird die Spendenbereitschaft der jüdischen Minderheit für Glaubensgenossen, aber auch gegenüber Christen dargestellt. Anschließend werden dokumentierte Fälle jüdischer Stiftungen im fränkischen Raum genauer in den Blick genommen. Danach wird Meyer Levis Biographie rekonstruiert und sein stifterisches Engagement vergleichend mit dem seiner Glaubensgenossen betrachtet. Abschließend wird der Versuch unternommen, das Phänomen Zedaka mit den Konzepten der ÄhnlichkeitÄhnlichkeit. Ein kulturtheoretisches Paradigma. Hg. von Anil Bhatti und Dorothee Kimmich. Konstanz 2015; Dorothee Kimmich: Ähnlichkeit – ein kulturtheoretisches Paradigma? Bemerkungen zu einer veränderten Sicht auf die Ordnung der Dinge. In: Lendemains – Études comparées sur la France 44 (2019), Nr. 173, S. 6–19. und der Fraktalität zu verbinden.1Forschungs- und QuellenüberblickDie Verpflichtung zur Zedaka (Gerechtigkeit) gegenüber Dritten stellt ein ethisches Prinzip (Tikun Olam) dar, das im Judentum eine große Rolle spielt. Männer und Frauen sind verpflichtet, von denjenigen Gütern, die Gott ihnen anvertraut hat, im Sinne der Wohltätigkeit regelmäßig zu geben und mit anderen zu teilen.Alyssa M. Gray: Zedaka. In: Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Hg. von Dan Diner. Bd. 6, Ta–Z. Stuttgart, Weimar 2015, S. 503–507. Elisabeth Kraus: Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition sowie innerjüdische Praxis in Deutschland seit dem Mittelalter. In: Stiftungen zwischen Politik und Wirtschaft: Geschichte und Gegenwart im Dialog. Hg. von Sitta von Reden. Berlin u. a. 2015 (Historische Zeitschrift. Beiheft; NF 66), S. 73–93, hier S. 74. Unschuldig in Not geratenen Menschen sollte geholfen werden, langfristig auf eigenen Füßen zu stehen. Aber auch Investitionen in die gemeindliche Infrastruktur waren eine Möglichkeit, sich großzügig zu zeigen. Spenden für Synagogenbauten, die Finanzierung der Anlage von Friedhöfen oder Stiftungen sakraler Gegenstände waren insbesondere in der jüdischen Oberschicht weit verbreitet.In den jüdischen Gemeinden des Hochstifts Bamberg manifestierte sich der Zedaka-Gedanke in einer beträchtlichen Anzahl wohltätiger Stiftungen, die als gelebter Glaube verstanden wurden und den von Gott geschenkten Überfluss an die Gemeinde zurückgeben sollten.Dazu auch Kraus, Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition (wie Anm. 24), S. 75–82. Christlichen wie jüdischen Stiftungen ist gemein, dass die zu Lebzeiten erworbenen Güter zum Wohle der Gesellschaft verwendet werden sollten. Der Bamberger Bischof Johann Gottfried von Aschhausen stiftete 1622 beispielsweise 3.000 Gulden für die Ausbildung armer Bamberger Bürgersöhne und Aussteuer von Bürgertöchtern.Andrea Herold: Die Aschhausenstiftung für Bamberger Bürgersöhne und -töchter im 18. Jahrhundert. In: Stiftungen, Fürsorge und Kreditwesen im frühneuzeitlichen Bamberg. Hg. von Mark Häberlein und Michaela Schmölz-Häberlein. Bamberg 2015 (Bamberger Historisch Studien; 13), S. 91–136. Zu den Empfängern außerhalb der Stifterintention, ebd., S. 133–135. Im 18. Jahrhundert wurden daher zahlreiche FamilienstiftungenBei Familienstiftungen stehen die Begünstigten (Destinatäre) in einem familiären bzw. verwandtschaftlichen Zusammenhang mit dem Stifter; ihr Ziel ist nicht gemeinnützig. zur Ausstattung armer Bräute und zur Unterstützung junger Männer beim Studium errichtet.Debra Kaplan: The Patrons and Their Poor: Jewish Community and Public Charity in Early Modern Germany. Philadelphia 2020, S. 27–47. Vgl. zur sephardischen Gemeinde Tirtsha Levie Bernfeld: Poverty and Welfare among the Portuguese Jews in Early Modern Amsterdam. Oxford 2012, S. 152–186. Aber auch Legate an Synagogen und Beerdigungsbruderschaften (Chevra Kadischa), die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts in Aschkenas üblich wurden,Rainer Barzen: »Was der Arme benötigt, bist du verpflichtet zu geben«. Forschungsansätze zur Armenfürsorge in Aschkenas im hohen und späten Mittelalter. In: Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Juden. Fragen und Einschätzungen. Hg. von Michael Toch. München 2008 (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien; 71), S. 139–152, S. 144; Fritz Baer: Der Ursprung der Chewra. In: Zeitschrift für jüdische Wohlfahrtspflege 1 (1929), S. 241–347, hier S. 243 f. waren nicht selten, und die auf diesem Wege entstehenden Einrichtungen waren christlichen Institutionen der Sozialfürsorge nicht unähnlich.Auch Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 4 f. Die Unterstützung christlicher Einrichtungen sowie bedürftiger Christen waren ebenfalls signifikant, da Spenden den persönlichen Reichtum einzelner jüdischer Menschen nach außen demonstriertenBarbara Staudinger: Von Armenfürsorge und Stiftungen. Wohltätigkeit des süddeutschen Judentums. In: Stiften gehen! Wie man aus Not eine Tugend macht. Hg. von Heidrun Lange-Krach. Regensburg 2021, S. 74–81, S. 80. und so deren Rolle in der Gesellschaft sichtbar machten. Stiftungen dienten auf diesem Wege der ideellen und sozialen Existenz der Gemeinde und trugen überdies dazu bei, die Erinnerung an die meist wohlhabenden Stifter wach zu halten.Vgl. hierzu Rotraud Ries: Individualisierung im Spannungsfeld differenter Kulturen: Positionsbestimmungen und experimentelle Neudefinitionen in der jüdischen Minderheit. In: Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit: Individualisierungsweisen in interdisziplinärer Perspektive. Hg. von Kaspar von Greyerz. München 2007, S. 79–112, hier S. 108; Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28).Während die finanzielle Unterstützung christlicher Bedürftiger bereits von den Zeitgenossen ausführlich kommentiert wurde, sind innerjüdische Stiftungen nach dem Mittelalter und vor dem 19. Jahrhundert wenig beachtet worden.Siehe besonders die Aufsatzsammlung Jüdische Wohlfahrtsstiftungen. Initiativen jüdischer Stifterinnen und Stifter zwischen Wohltätigkeit und sozialer Reform. Hg. von Andreas Ludwig und Kurt Schilde. Frankfurt a. M. 2010. Zu Bamberg vgl. Wolfgang F. Reddig: Fürsorge und Stiftungen in Bamberg im 19. und 20. Jahrhundert. Bamberg 2013 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg; 16). Zu den jüdischen Stiftungen siehe besonders S. 155 f., 190–195, 214–216, 232 f., 375, 386, 388, 431, 433, 441, 453, 485–487, 489, 525. Nach Ansicht einiger modernen Autoren seien »sozial-karitative Stiftungen erst nach der Beseitigung der Gefahr der Vertreibung und mit Verbesserung des Rechtschutzes der Gemeinden in nennenswerter Zahl errichtet« worden.Kraus, Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition (wie Anm. 24), S. 90. Dieser Einschätzung widersprechen allerdings die Forschungen zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Zedaka, die besonders deren Ähnlichkeiten mit christlichen Einrichtungen der Sozialfürsorge betonen.Martha Keil: »Denn Zedaka rettet vor dem Tod …« – Gerechte Wohltätigkeit und Armenfürsorge im Mittelalter. In: Zedaka (hebr. Gerechtigkeit). Jüdische Wohlfahrt und Armenfürsorge bis 1938. Hg. vom Institut für jüdische Geschichte Österreichs und Sabine Hödl. St. Pölten 2020 (Juden in Mitteleuropa; 2020), S. 2–8: Barzen, Forschungsansätze (wie Anm. 29); Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28).Informationen über jüdische Stiftungen sind in staatlichen Archiven des Untersuchungsraums nur deswegen überliefert, weil das neugeschaffene Königreich Bayern 1807 eine Verwaltungsreform in Angriff nahm, die u. a. dazu diente, die im Rahmen der Säkularisierung und Mediatisierung neu erworbenen Gebiete in den Staatsverband zu integrieren. Verbunden damit war eine umfassende Neuorganisation des Schulwesens und der sozialen Einrichtungen. Hierin begriffen war auch das Stiftungswesen, dessen zweckgebundene Mittel man künftig zielgerichteter einzusetzen gedachte. 57 bayerische Stiftungsadministrationen sollten ab 1808 das vielfältige private Stiftungswesen neu organisieren. Bereits 1817 wurde die Verantwortung jedoch wieder auf die einzelnen Stiftungen rückübertragen.Diese hatten ihren Sitz in Bamberg, Bayreuth, Ebrach, Forchheim, Kronach, Kulmbach, Lichtenfels, Pegnitz und Scheßlitz (Hollfeld). »Besondere Stiftungsadministrationen« für Wohltätigkeit sowie für Unterricht und Kultus in der Stadt Bamberg kamen hinzu. »Eine angemessene Überlieferung gibt es heute leider nur noch von jenen Ämtern, die vor Ort Nachfolgebehörden fanden. Die Mehrzahl der örtlichen Stiftungen (und damit auch die Unterlagen) ging bei der großen Reform 1817 in die Hände der Kommunen oder der Kirchenverwaltungen über, andere existierten als selbstständige Stiftung fort. Als staatlich geführte Stiftungsadministrationen erhalten blieben bis zur Inflation 1923 allein die Administration der allgemeinen Stiftungen zu Bayreuth, die Administration der unmittelbaren Stiftungen zu Bamberg und die Hospitalstiftungsadministration Scheßlitz. Ihr Bestand umfasst heute im Staatsarchiv Bamberg mehrere tausend Archivalieneinheiten.« Vgl. dazu ausführlich die Erläuterungen zu Stiftungen auf der Seite des Staatsarchivs Bamberg. URL: https://www.gda.bayern.de/bamberg/bestaende/bestaende-des-19-und-20-jahrhunderts/innere-verwaltung/stiftungen/. Dazu auch Bayerische Stiftungsadministration URL: https://www.hdbg.eu/koenigreich/index.php/objekte/index/id/114. Elisabeth Kraus: Stiftungen (19./20. Jahrhundert), publiziert am 07.08.2012. In: Historisches Lexikon Bayerns. URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Stiftungen (19./20. Jahrhundert) (13.10.2022). Wenige Jahre später ließ der bayerische Staat eine Bestandsaufnahme der jüdischen Stiftungen erstellen. In diesen Akten haben sich diverse Testamente und Verfügungen aus dem 18. Jahrhundert erhalten, deren Ziel es war, am Todestag des Stifters die Armen zu beschenken, jungen Männern ein Thorastudium und armen Bräuten eine Aussteuer zu ermöglichen.Patricia Stahl: Jüdische Wohlfahrtspflege in Frankfurt am Main vom 15. bis zum 19. Jahrhundert. In: Zedaka. Jüdische Sozialarbeit im Wandel der Zeit. 75 Jahre Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland 1917–1992. Hg. von Jüdisches Museum Frankfurt am Main. Frankfurt a. M. 1992, S. 58–64, S. 60; Kraus, Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition (wie Anm. 24), S. 90. Zur Bedeutung der Aussteuerstiftungen, Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 37 f. Schenkungen an christliche Einrichtungen und Personen sind fast ausschließlich in amtlichen christlichen Quellen fassbar.2Jüdische Spenden an Glaubensgenossen und christliche InstitutionenDer Gedanke der Zedaka schließt Angehörige anderer Religionen ausdrücklich mit ein. Daher finden sich häufig finanzielle Zuwendungen von Mitgliedern der jüdischen Minderheit an christliche Gemeinden oder an städtische und kirchliche Einrichtungen, die die Bedeutung der jüdischen Minderheit für das Gemeinwesen unterstreichen.Kraus, Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition (wie Anm. 24), S. 76. Damit ist die These zu widerlegen, dass die »jüdische Wohltätigkeit […] die Grenzen zur christlichen Umwelt« erst im 19. Jahrhundert überwandt. Werner Friedrich Kümmel: »Säulen der Wohltätigkeit«. Jüdische Stiftungen und Stifter in Frankfurt am Main. In: Medizinhistorisches Journal 28/2/3 (1993), S. 275–287, hier S. 277 (Zitat), 278.Vgl. zu Stiftungen und Testamenten im Judentum allgemein Monika Preuß: Jüdische Gelehrte. Lernen als Frömmigkeitsideal in der Frühen Neuzeit. Göttingen 2007 (Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden; 31), S. 31–51; Gaby Zürn: Die Altonaer jüdische Gemeinde (1611–1873): Ritus und soziale Institutionen des Todes im Wandel. Münster 2001 (Veröffentlichungen des Hamburger Arbeitskreises für Regionalgeschichte; 8), S. 229. Seit dem 16. Jahrhundert wurde die Versorgung der Armen und die Formen der Wohltätigkeit sowohl in den christlichen als auch in den jüdischen Gemeinden immer wieder neu organisiert.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 33; dies.: »The Poor of Your City Come First«. Jewish Ritual and the Itinerant Poor in Early Modern Germany. In: Connecting Histories. Jews and Their Others in Early Modern Europe. Hg. von David B. Ruderman und Francesca Bregoli. Philadelphia 2019, S. 36–48; Thomas May Safely: Reformation of Charity. The Secular and the Religious in Early Modern Poor Relief. Leiden 2003; Mary Lindemann: Patriots and Paupers. Hamburg 1712–1830. Oxford 1990; Robert Jütte: Obrigkeitliche Armenfürsorge in deutschen Reichsstädten der frühen Neuzeit. Städtisches Armenwesen in Frankfurt am Main und Köln. Köln 1984 (Kölner Historische Abhandlungen; 31). Steuern als auch Spenden waren unter der christlichen Gemeinde als auch unter der Judenschaft zentral für den »gemeinen Nutzen«Winfried Schulze: Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. Über den Normenwandel in der städtischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit. In: Historische Zeitschrift 243 (1986), S. 591–626; Paul Münch: Grundwerte der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft? Aufriß einer vernachlässigten Thematik. In: Ständische Gesellschaft und Mobilität. Hg. von Winfried Schulze. München 1988 (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien; 12), S. 53–72. und die Unterscheidung zwischen diesen Formen war in der Frühen Neuzeit nicht genau definiert. Hinzu kam, dass Strafgelder ebenfalls für wohltätige Zwecke verwendet wurden.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 48. Dass die Mitglieder der Gemeinde sich für das Gemeinwohl einsetzten, wurde notfalls auch mit Zwang durchgesetzt.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 49. In diesen Bereich mehr oder weniger freiwilliger Beiträge jüdischer Familien der Oberschicht für die christlichen Mehrheitsgesellschaft fallen die folgenden Beispiele.Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn forderte am 29. April 1736 die Fürther Handelsgesellschaft Zacharias Fränkel selig ErbenErste Ergebnisse zur Firma Zacharias Fränkel bei Michaela Schmölz-Häberlein: Jüdische Handelshäuser als Kriegsfinanciers und Armeelieferanten zwischen Pfälzischem Erbfolgekrieg (1688–1697) und Österreichischem Erbfolgekrieg (1740–1748): Das Beispiel der Fürther Fränkel-Gesellschaften. In: Juden und Krieg in der Frühen Neuzeit. Akteure, Erfahrungen, Strukturwandel. Hg. von Martha Keil, Peter Rauscher und Sabine Ullmann. Wiesbaden 2022 (Forschungen zur Geschichte der Juden; 33), S. 191–228. auf, anlässlich des Neubaus des Bamberger Priesterseminars zu Beginn der 1730er Jahre 5.000 Reichstaler an den Baumeister Balthasar Neumann auszuzahlen und Kapital sowie Zinsen als eine zur gemeinsamen Wohlfahrt erforderliche Sach in aufrechnung zu bringen.Siegfried Hänle: Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach. Ansbach 1867, S. 85; Adolf Eckstein: Neue Beiträge zur Geschichte der Juden in Bamberg. In: Bayerische Israelitische Gemeindezeitung, 7.1.1927, S. 8–11. Handelte es sich hier um eine einmalige Abgabe, die der jüdischen Minderheit unter dem Schutz des Bamberger Bischofs unter dem Signum des Gemeinwohls auferlegt wurde, scheinen andere Zuwendungen freiwillig erfolgt zu sein. Der Bamberger Hoffaktor Wolf Nathan Heym (PID 941) (gest. 1740)Bisher war man davon ausgegangen, dass es sich bei den Bamberger Juden Wolf Nathan und Wolf Nathan Heym um zwei verschiedene Persönlichkeiten handelte. Im Rahmen der Erhebung für die Datenbank zu diesem DFG Projekt muss man davon ausgehen, dass es ein und dieselbe Person ist. Vgl. zu ihm Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 33, 70, 83, 104 f., 107–110, 182, 191, 230 f., ein Geschäftspartner der Fränkels, der mit Jentel (PID 989), einer Tochter Samson Salomons aus Baiersdorf (PID 953) verheiratet war, spendete für die Vollendung des Priesterseminars zwischen 1730 und 1738 beträchtliche Summen.Heinrich Schnee: Die Hoffinanz und der moderne Staat, 6 Bde. Berlin 1953–1955, hier Bd. 4, S. 37. Wolf Nathan erlegte für den Bau des Seminargebäudes laut den Baurechnungen des Jahres 1736/37 am 16. Juni 1736 die Summe von 1.600 Gulden, am 29. Juni erneut 2.000 Gulden und 1737 38.800 Gulden. Nikolaus Haas: Geschichte der Pfarrei St. Martin zu Bamberg und sämmtlicher milden Stiftungen der Stadt. Bamberg 1845, S. 227. Dies ist ein immer wiederkehrendes Phänomen. So stiftete Adam Isaak Arnsteiner in Wien 1785 1.000 Gulden für das christliche Armeninstitut. Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 80. Er zählte zu den bedeutenden Persönlichkeiten innerhalb der jüdischen Gemeinde Bambergs im frühen 18. Jahrhundert und war Mitglied der örtlichen Begräbnisbruderschaft (Chevra Kadischa). Dass einer seiner Söhne 1733 zum Katholizismus übergetreten ist, dürfte dabei allenfalls eine geringe Rolle gespielt haben.Zu seinem Sohn Marquard Treu vgl. Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 230 f. Die Muster der Wohltätigkeit spiegeln die Werte und Wahrnehmungen sowie die finanziellen Möglichkeiten von Spendern und Empfängern wider. Debra Kaplan betont dementsprechend »the dynamics of power that existed between and among those who gave and those who received«.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 3. Wohlhabende jüdische Familien positionierten sich hier durch ihre demonstrativ zur Schau gestellte Großzügigkeit als Wohltäter der christlichen Mehrheitsgesellschaft des Hochstifts.Für Juden in Süddeutschland wie in ganz Europa war das Leben in der DiasporaZur Diskussion über die jüdische Diaspora und ihre Chancen und Möglichkeiten vgl. Simon Dubnow: Diaspora. In: Encyclopedia of the Social Sciences. Hg. von Seligmann Edwin R. und Alvin Johnson. Bd. 5. New York 1931, S. 129 f. Allgemein Elisa Klapheck: Diaspora. In: Handbuch jüdische Studien. Hg. von Christina von Braun und Micha Brumlik. 2. Aufl. Wien, Köln 2021, S. 83–100. Teil ihres Selbstverständnisses, und die territoriale Kleinkammerung des Heiligen Römischen Reiches bot ihnen zahlreiche Migrations- und Ansiedlungsoptionen. Bezeichnenderweise befanden sich die Zielorte vertriebener Jüdinnen und Juden häufig in Räumen mit überlappenden Herrschaftsrechten, die Spielräume für Verhandlungen mit den jeweiligen lokalen Obrigkeiten boten. So führte die Ausweisung der Juden aus Wien im Jahre 1670 zu Niederlassungen in den Siebengemeinden im Burgenland, in Brandenburg (insbesondere in der Residenzstadt Berlin) sowie in Franken, allen voran im als »fränkisches Jerusalem« bezeichneten Fürth.Peter Rauscher: »Auf der Schipp«. Ursachen und Folgen der Ausweisung der Wiener Juden 1670. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 16/2 (2008), S. 421–438; Magnus Weinberg: Die hebräischen Druckereien in Sulzbach (1669–1851). Ihre Geschichte, ihre Drucke, ihr Personal. Frankfurt a M. 1904, S. 24; David Kaufmann: Die letzte Vertreibung der Juden aus Wien und Niederösterreich. Ihre Vorgeschichte (1625–1670) und ihre Opfer. Wien 1889, S. 166. Zum Begriff »fränkisches Jerusalem« vgl. Johann-Georg Gollner, Benjamin Herrmann und Sören Knodt: »Fürth – das fränkische Jerusalem? Zur Erfindung jüdischer Geschichte«. Eine Intervention des Jüdischen Museums Franken in den städtischen Diskurs. In: Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft Band 63/64 (2017/2018), S. 25–34. Von der Abwanderung der Juden in Burgellern nach 1699 profitierte das knapp 25 Kilometer entfernte Aufseß, wo der evangelische Reichsritter Carl Heinrich von Aufseß wiederholt Ansiedlungsmöglichkeiten für jüdische Familien schuf.Eckstein, Fürstbistum Bamberg (wie Anm. 4), S. 118. Es ist nicht klar, ob diese ausgewiesen wurden oder sich eher freiwillig nach den Ereignissen von 1699 nach Aufseß aufmachten, um die Möglichkeiten der nahen Ferne zu nutzen. Als die österreichische Erzherzogin und ungarische Königin Maria Theresia (1717–1780) 1744 die Juden aus Böhmen ausweisen ließ, bot sein Sohn Christoph Ludwig von Aufseß vier vermögenden jüdischen Familien den Aufenthalt in seiner Reichsritterschaft an.Eckstein, Fürstbistum Bamberg (wie Anm. 4), S. 119 f. Zur Vertreibung Stefan Plaggenborg: Maria Theresia und die Böhmischen Juden. In: Bohemia 39 (1998), S. 1–16. Dabei griffen die Vertriebenen auf persönliche Netzwerke zurückNach der Vertreibung der Juden aus Wien haben sich zahlreiche Familien in Franken angesiedelt. und nutzten geschickt die Möglichkeiten, die die Struktur des Heiligen Römischen Reiches bot. Jüdinnen und Juden zeigten aber auch Solidarität mit christlichen Vertriebenen.Die Ausweisung von Angehörigen der evangelischen Religion aus dem Erzstift Salzburg und der Fürstpropstei Berchtesgaden im Oktober 1731 wurde von der protestantischen Publizistik zu einem Medienereignis gemacht, das auch die Aufmerksamkeit von Jüdinnen und Juden fand. Rund 20.000 Salzburger Protestanten verließen ihre Heimat und zogen durch die protestantischen Regionen Süddeutschlands nach Preußen. In der von dem lutherischen Pfarrer Gerhard Göcking (1705–1755) veröffentlichten Chronik der Ereignisse wird auch die jüdische Zedaka für die Salzburger Exulanten erwähnt. Göcking betonte, dass die Juden den Glaubens=Helden an vielen Orten Liebe erwiesen, fast in keinem eintzigen aber ihnen das geringste Leyd zugefüget hätten.Gerhard Gottlieb Günther Göcking: Vollkommene Emigrations-Geschichte Von denen Aus dem Ertz-Bißthum Saltzburg vertriebenen Und größtentheils nach Preussen gegangenen Lutheranern: In sich haltend Eine genaue Beschreibung so wohl des Ertz-Bißthums Saltzburg als auch des Königreiches Preussen und die besonders hieher gehörige Geschichte voriger und jetziger Zeiten. In sich haltend Eine genaue Beschreibung des Königreichs Preussen Und die besonders hierher gehörige Geschichte voriger und jetziger Zeiten, 2 Bde. Leipzig 1734 und 1737, hier Bd. 1, S. 562; Wolfgang Splitter: »Wir bitten euch, dieses Geld anzunehmen«. Jüdische Hilfe für die Salzburger und Berchtesgadener Emigranten 1732/33. In: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 63 (2011), Nr. 4, S. 332–347, S. 342.Fast nirgends, so Göcking weiter, habe sich ein Jude gefunden, der diese Betrübten noch weiter betrübet hätte.Göcking, Vollkommene Emigrations-Geschichte (wie Anm. 54), Bd. 1, S. 211. Denn allenthalben, wo Juden wohnten, erwiesen sie diesen Flüchtlingen alles Liebe.Göcking, Vollkommene Emigrations-Geschichte (wie Anm. 54), Bd. 1, S. 212. – Hingegen hätten katholische Pfarrer verhindert, dass ihre Gemeindemitglieder die durchwandernden Salzburger unterstützten. Im konfessionell fragmentierten schwäbischen Raum, der von vielfältigen Grenzen durchzogen war, hätten sich die Angehörigen der jüdischen Minderheit als großzügig gegenüber den Exulanten erwiesen und würden damit die Katholiken beschämen.Göcking, Vollkommene Emigrations-Geschichte (wie Anm. 54), Bd. 1, S. 557. Splitter, »Wir bitten euch, dieses Geld anzunehmen« (wie Anm. 54), S. 336.Auf ihrer Reise durch Franken wurden die Salzburger ebenfalls von evangelischen Christen wie jüdischen Einwohnern unterstützt, im Februar 1732 beispielsweise in der brandenburgisch-ansbachischen Amtsstadt Schwabach,Johann Wolfgang Petzoldt: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach mit kurzer Bezeichnung des Lebens und Wirkens ihrer Regenten vom Ursprunge der Stadt bis auf die neueste Zeit. Schwabach 1854, S. 288 f. wo bereits 1686 Hugenotten aus Frankreich Zuflucht gefunden hatten. Auch an weiteren Stationen dieses Exodus zeigte man sich großzügig. In Fürth soll ein nicht namentlich genannter Jude über hundert Gulden gespendet haben,Göcking, Vollkommene Emigrations-Geschichte (wie Anm. 54), Bd. 2, S. 501. und ein in der Nähe der Residenzstadt Coburg wohnender Jude habeam 21. Juni 1732, als man vor die Saltzburger Burger eine Collecte sammlete, zwey Gulden aufs Rath Haus [geschickt], mit dieser Uberschrifft: Standhafften, armen vertriebenen Leuten ein klein Präsent. Deßgleichen thaten auch eben dahmals die Würtzburgischen und Bambergischen Juden, welche durch Coburgische Bürger etliche Gulden und Thaler überreichen liessen.Göcking, Vollkommene Emigrations-Geschichte (wie Anm. 54), Bd. 1, S. 211 f. Weitere Beispiele bei Splitter, »Wir bitten euch, dieses Geld anzunehmen« (wie Anm. 54), S. 336–340.In ihrer Bereitschaft zur Unterstützung religiös Verfolgter waren sich evangelische und jüdische Einwohner süddeutscher Territorien offenkundig einig.Die unter katholischer Schutzherrschaft stehenden Juden stellten sich in diesem Fall auf die Seite der Ausgewiesenen, selbst wenn sich ihre Obrigkeiten solidarisch mit dem Salzburger Erzbischof erklärten. Der Chronist Göcking betonte auch, dass die Juden die Exulanten nach ihrem Vermögen unterstützt hätten: Der Banquier von der Jüdischen Nation zu Nimwegen, Benedict Levi Gompertz [(PID 524)], erzeigete ihnen nicht nur alle Freundschafft, sondern theilete zwölfhundert Gulden unter sie aus, welche er auf Rechnung vieler Personen angenommen hatte.Göcking, Vollkommene Emigrations-Geschichte (wie Anm. 54), Bd. 2, S. 501. Die Unterstützung dieser Vertriebenen ermöglichte ihnen die Weiterreise nach Preußisch-Litauen, wo ihnen König Friedrich Wilhelm I. (1688–1740) im Rahmen seiner Peuplierungspolitik vakante Bauernstellen angeboten hatte.Vgl. dazu Mack Walker: The Salzburg Transaction. Expulsion and Redemption in Eighteenth Century Germany. Ithaca/NY 1992. Mit der finanziellen Unterstützung dieser Gruppe war somit nach jüdischem Verständnis die höchste Stufe der Mildtätigkeit gemäß dem großen spanischen Gelehrten des Mittelalters Maimonides (1135/8–1204) erreicht, da es den Beschenkten am Zielort ermöglicht wurde, ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten.Kraus, Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition (wie Anm. 24), S. 80 f. Gleichzeitig zeigte man sich solidarisch mit einer Gruppe Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden – eine Erfahrung, die Juden und Salzburger teilten. Zudem adaptierte man durch die Unterstützung migrierender Personen Praktiken des jüdischen Plettenwesens und damit eine Form der Unterstützung Fremder, die persönlich um Hilfe baten. Diese Berechtigungsscheine ermöglichten wandernden Juden, die ein Leumundszeugnis mit sich führten, die Versorgung durch die Gemeinde, die auf ihrem Weg lagen.Vgl. dazu jüngst Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 38–40, 113–117. Dies konnte für die betroffenen Kommunen durchaus eine hohe finanzielle Belastung darstellen,Vgl. hierzu zeitgenössisch Joseph Isaak: Authentische Berechnung, was eine Judengemeinde von 26 Haushalten (im Reichsdorfe Gochsheim) jährlich zum Unterhalt der bettelnden Glaubensgenossen beytragen muß. In: Journal von und für Franken 1 (1790), S. 435–446; Schmölz-Häberlein, Zeckendorf und Demmelsdorf (wie Anm. 2), S. 280. war jedoch eine »gute Tat im Hier und Jetzt, die diesseitige Verantwortung des Einzelnen«.Kraus, Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition (wie Anm. 24), S. 78.Dass die jüdische Wohltätigkeit gegenüber Vertriebenen gerade in evangelischen Schriften hervorgehoben wird, hat zum einen mit der zu dieser Zeit einsetzenden pietistischen Judenmission zu tun,Christoph Rymatzki: Hallischer Pietismus und Judenmission. Johann Heinrich Callenbergs Institutum Judaicum und dessen Freundeskreis (1728–1736). Tübingen 2004 (Hallesche Forschungen; 11).Wolfgang Splitter betont, dass die Unterstützung der Migranten eine Chance gewesen sei, »eindrücklicher darzulegen, dass es […] nicht zum Schaden der Obrigkeit und des ganzen Landes war, ihre dauerhafte Anwesenheit zu dulden und ihr eine gesicherte Existenz zu gewährleisten.« Splitter, »Wir bitten euch, dieses Geld anzunehmen« (wie Anm. 54), S. 347. Er betont ferner, dass die »Forschung bis heute nicht die zeitgenössischen Berichte über die vielfältige Hilfe von Juden für die Exulanten rezipiert« habe. Ebd., S. 333. die auf millenaristische Erwartungen rekurrierte. Mitarbeiter von Johann Heinrich Callenbergs (1694–1760) »Institutum Judaicum et Muhammedicum« in Halle, einer von 1728 bis 1792 aktiven, stark pietistisch geprägten Einrichtung, deren vorrangiges Ziel die Missionierung der jüdischen Bevölkerung in Europa war,Rymatzki, Hallischer Pietismus (wie Anm. 67). besuchten auf ihren Missionsreisen jüdische Familien, um mit ihnen die Heilserwartung zu diskutieren. Der Missionar Johann Georg Wiedmann (1696–1753) schilderte einen Besuch im Hause des Bamberger Hoffaktors Menasse Marx (PID 792) (gest. 1742) am letzten Sabbat des Jahres 1731. Dieser gehörte zu den bedeutenden jüdischen Persönlichkeiten Bambergs, deren familiäre Netzwerke sich überregional erstreckten und der in seinem Haus eine Jeschiwa unterhielt.Vgl. zu ihm und seiner Familie Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 107–115. Wiedmann nahm dort an der gemeinsamen Mahlzeit teil, und eine anwesende Frau (vermutlich Menasse Marx’ Ehefrau Schöne Heym (PID 7706)) griff nach dem weißen Brodt, um ihm zedekah [zu] geben.Archiv der Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale (=AFSt), H K 50, Tagebuch von Johann Georg Widmann, Bamberg, den 29.12.1731, fol. 294. Das Teilen des Brotes bildete die gemeinsame religiöse Basis für jüdischen Gastgeber und christlichen Gast.3Stiftungen von Mitgliedern der Bamberger LandjudenschaftAuch wenn Zedaka der christlichen Mehrheitsgesellschaft im Allgemeinen oder protestantischen Flüchtlingen im Besonderen zugutekommen konnte, stand selbstverständlich die jüdische Gemeinschaft im Zentrum dieser Form der Wohltätigkeit. Während das Plettenwesen, die Versorgung durchwandernder Personen, von der jüdischen Gemeinde als Korporation getragen wurde, waren Stiftungen oder große Zuwendungen individuelle Leistungen vermögender – meist männlicher – Personen,Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 133; Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 75. die den Status ihrer Familie in der Gemeinde damit verbessern und überdies die sozialen Bindungen innerhalb der eigenen Familie sowie dieser Familie an die jüdische Gemeinde festigen wollten.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 2.Wertvolle Objekte wie Teile von Synagogenausstattungen und Ritualgegenstände waren häufig mit Inschriften der Stifter versehenStaudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 75. und dienten deren Memoria. Die erfolgreiche Kauffrau Esther aus Kronach (PID 7601) stiftete 1703 beispielsweise ein Thoraschild, das an den gewaltsamen Tod ihres Mannes erinnern sollte.Christian Porzelt: Esther und ihre Töchter. Geschlechterrollen und Wirtschaftstätigkeit jüdischer Frauen in der Vormoderne. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 31/2 (2021), S. 297–324, hier S. 297; Kaplan konnte nachweisen, dass erfolgreiche Kauffrauen nach dem Tod ihres Mannes als eigenständige Stifterinnen in Erscheinung traten. Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 132. Die Hamburger Geschäftsfrau Glikl bas Juda Leib (PID 967) schenkte der Synagoge in Baiersdorf einen prunkvollen Thoravorhang. In diese Gemeinde hatte um 1700 einer ihrer Söhne, Moses Goldschmidt (PID 968), eingeheiratet.Zur Stiftertätigkeit von Glikl, Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 135 f. Stadt Baiersdorf, URL: https://www.histourisch.de/synagoge.html (09.09.2022). Dessen Schwiegervater Samson Salomon Baiersdorfer (PID 953) (gest. 1712), dessen Familie aus Wien stammte, hatte die 1711 eingeweihte Synagoge finanziert; 1707 hatte er sich bereits am Neubau der Synagoge in Bruck bei Erlangen beteiligt.Barbara Eberhardt und Hans-Christof Haas: Baiersdorf. In: Mehr als Steine … Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 2: Mittelfranken. Hg. von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz. Lindenberg im Allgäu 2010, S. 87–108, hier S. 89–90, 99–100. Zu seiner Rolle in Franken vgl. Michaela Schmölz-Häberlein: Beziehungen und Konflikte zwischen jüdischen Handelsgesellschaften und obrigkeitlichen Akteuren in Franken um 1700. Der Prozess von Samson Salomons Erben und das Markgraftum Brandenburg-Bayreuth. In: »Eigennutz« und »gute Ordnung«. Ökonomisierungen im 17. Jahrhundert. Hg. von Guillaume Garner und Sandra Richter. Wiesbaden 2016 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung; 54), S. 111–131. Im unterfränkischen Mainort Marktbreit, der unter der Herrschaft der Fürsten von Schwarzenberg stand, stifteten der aus Worms stammende Samson Isaak Wertheimer (PID 5771) und seine Frau Krönle (PID 14804) nach dem Synagogenbrand im Jahr 1714 den Neubau samt der Inneneinrichtung und verewigten sich dort durch eine Stiftertafel.Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 80. Derartige Stiftungen sind laut Barbara Staudinger »nicht ausschließlich als religiöser Akt zu verstehen, sondern auch ein Mittel, sich vor der Gemeinde zu positionieren, einen Führungsanspruch zu erheben und sich in die jüdische Geschichte und Kultur« vor Ort einzuschreiben.Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 77; Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 2.Als Spender aufgezeichnet und memoriert zu werden, war ein Kennzeichen für sozialen Status und erwiesene Frömmigkeit.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 133. Dies gilt auch für die sechs Kapitalstiftungen, die aus dem 18. Jahrhundert für das Hochstift Bamberg bekannt sind. In der Residenzstadt wurden fünf davon errichtet, eine weitere in dem Amtsort Burgkunstadt.StABa, K 3, G II, Nr. 12645. Drei dieser sechs Stiftungen stammten aus den 1730er Jahren – einer Zeit, in der die jüdische Gemeinde Bambergs ihre größte ökonomische Bedeutung und überregionale Ausstrahlung vor dem 19. Jahrhundert hatte.Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 99–118, 241 f. Drei weitere wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ins Leben gerufen.Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 119–124, 147–150, 242 f.; Schmölz-Häberlein, Jüdische Stiftungen (wie Anm. 1); StABa, K 3, G II, Nr. 12645. In Testamenten und Stiftungsbriefen legten die Stifter fest, wie ihr Geld angelegt werden sollte. All diesen Beispielen für Zedaka ist gemeinsam, dass die Kapitalerträge teilweise für die schulische Ausbildung jüdischer Kinder (meist aus der näheren oder weiteren Verwandtschaft) verwendet werden sollten; der größte Teil sollte der Aussteuer bedürftiger Frauen zugutekommen oder Männer bei ihrem Studium unterstützen. Damit unterschieden sich die Bamberger Fälle nicht wesentlich von jüdischen Stiftungen, die aus anderen Regionen bekannt sind.Vgl. ausführlich dazu Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28).Tab. 1: Jüdische Stiftungen des 18. JahrhundertsDie Tabelle basiert auf den Angaben in StadtABa, C 2, Nr. 53983 (Jüdische Stiftungen); vgl. Reddig, Jüdische Stiftungen (wie Anm. 7), S. 139 f. sowie in Bezug auf Samuel Michael Hesslein Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 175 f. StABa, K 3, G II, Nr. 12645; »Koppel Henoch’sche Wohltätigkeitsstiftung Burgkunstadt« In: Der Israelit. Ein Centralorgan für das orthodoxe Judentum, H. 29 vom 18. Juli 1907.StifterWohnort(e)SchutzherrGründungszeitpunktSummeWolf Isaak Brillin (PID 991)(1644–1730)BambergHochstift BambergUm 17302.500 GuldenMeyer Levi (PID 881)Pfersee/Zeckendorfvon Aufseß1733237 Gulden 30 KreuzerJoseph Heilbronner(PID 587)FürthDompropsteiUm 17371.000 GuldenSamuel Heym(PID 12080)BambergHochstift BambergUm 1777450 GuldenKoppel Henoch (PID 12449)(gest. 1783)Burgkunstadt?1783–17862.000 GuldenSamuel Michael Hesslein (PID 2837)(1713–1788)BambergHochstift BambergUm 1790Mindestens10.000 Gulden 1784 stiftetet der Kaufmann Koppel Henoch aus Burgkunstadt,Ein Enoch Löw aus Burgkunstadt wird 1730/31 und 1731/32 in den Kronacher Bürgermeisterrechnungen genannt. Er war demnach kein hochstiftischer Jude, da er in Kronach Leibzoll bezahlen musste. Es könnte sich bei ihm um den Vater des Stifters handeln, da der Name Henoch/Enoch in Burgkunstadt selten ist. Stadtarchiv Kronach (= StadtAKc), R I 28 (Bürgermeisterrechnung 1730/31), fol. 14v; ebd., R I 29 (Bürgermeisterrechnung 1731/32), fol. 14v. Als Testamentszeuge fungierte Gottlieb (auch Gondel) Koppel aus Burgkunstadt, der ab 1788 bis inkl. 1797/98 in den Kronacher Zollrechnungen genannt wird. Erstnennung StadtAKc, R I 89 (Bürgermeisterrechnung 1788/89), fol. 17v. Zu den Zollrechnungen vgl. Christian Porzelt: Jüdische Händler in den Amtsstädten des Hochstifts Bamberg im späten 17. und 18. Jahrhundert. In: Annales Mercaturae 7 (2022), S. 81–105. der sich 1756 sowie von 1758 bis 1760 auf den Leipziger Messen nachweisen lässt,Max Freudenthal: Leipziger Messegäste. Die jüdischen Besucher der Leipziger Messen in den Jahren 1675 bis 1764. Frankfurt a. M. 1928 (Schriften der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums; 29), S. 54. 2.000 Gulden, deren jährliche Erträge für eine Vielzahl an sozialen Aufgaben herangezogen werden sollten. Zudem sollte der Zehnt eines seiner Grundstücke in dem Ort Mainroth für wohltätige Zwecke verwendet werden, wie es die Tradition des aschkenasischen Judentums vorsah.Gray, Zedaka (wie Anm. 24), S. 503; Barzen, Forschungsansätze (wie Anm. 29), S. 146. Der Rechtsgelehrte Meir von Rothenburg (gest. 1293) formulierte dies folgendermaßen: Aber auf die Gelder der Zehnten haben die Armen einen Anspruch auf Grund des Brauches, der in der ganzen Diaspora üblich ist. Man darf daher nicht dieselben für andere wohltätige Zwecke einsetzen. Zitiert nach Barzen, ebd. Das Kapital – 1.000 Gulden zu vier Prozent Zinsen und derselbe Betrag zu fünf Prozent – wurde bei der Bamberger Landjudenschaft angelegt. Daraus sollte das Schulgeld für ein armes Kind aus der Freundschaft und ein Stipendium für einen studierenden Jungen, der nicht mit der Familie des Stifters verwandt sein musste, finanziert werden. Ferner wurden arme Bräute aus der Verwandtschaft ausgesteuert und Überschüsse an die Armen verteilt. Außerdem erhielt der Stiftungsverwalter, der Kaufmann Seligmann Koppel Thurnauer (PID 16550) (1749–1825) in Burgkunstadt, eine jährliche Belohnung. Thurnauer war selbst eine angesehene Person in der Gemeinde: Er war mit Rosa (PID 16549), einer Schwester des jüdischen Aufklärers Aaron Halle-Wolfssohn (PID 803), verheiratet, und sein jüngerer Bruder Scheyer Koppel Thurnauer (PID 16551) (geb. 1767) war als Hoffaktor des Grafen Carl Christian Heinrich Ernst von Giech zu Buchau (1763–1818) tätig.Albert Gottlieb Heckscher: Stammtafel Koppel (oder Thurnauer). Kopenhagen 1883, S. 3; Hans Pfreundner: Materialien zur Geschichte der Juden in Burgkunstadt und Umgebung. Burgkunstadt 1989, S. 15 u. 17 (Pass des Grafen von Giech für Scheyer Koppel auf die Leipziger Messe, 1808).Für seine Memoria in der Synagoge stiftete Koppel Henoch eine Gesetzrolle nebst Bekleidung von Silber, auch den Vorhang, mit dem Vorbehalt, daß sie nie und zu keiner Zeit verkauft werden dürfen; vielmehr müsse diese kostbare Ausstattung auf seinen Namen iederzeit in der Synagoge daselbst bleiben. Zudem vermachte er der Gemeinde seinen Gebetsstand mit dem bedüngen, daß jederzeit ein Gelehrter darauf stehen muß, welcher Aufsicht über den Unterhalten des ewigen Lichtes und auf die Gesetzrolle nebst zugehörung haben soll.StABa, K 3, G II, Nr. 12645, Zusammenfassung des Stiftungszwecks. Testament Mai 1783 (27. März 1783/23. Adar 5543), Testament Siron 5544 (14. Juni 1784) – Übereinkunft mit der Bamberger Landjudenschaft 2. Hesurum 5546 (1786). Vgl. zu Memoria: Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 2, 6, 134. Die zehn Männer, die während des Trauerjahres täglich früh und abends für ihn beteten und so die Erinnerung an ihn aufrechterhielten, wurden mit jeweils fünf Gulden belohnt. In den folgenden Jahren sollten 25 Gulden für das Öl zum ewigen Licht (Ner Tamid), das sich vor dem Toraschrein befindet und an die ständige Präsenz Gottes erinnern soll, verwendet werden. Diese Zuwendung wurde als verdienstvolle Tat (Mitzwa) angesehen. Die übrigen 25 Gulden sollten an arme Gelehrte sowie an diejenigen Armen, die an Koppel Henochs Todestag beteten, verteilt werden.StABa, K 3, G II, Nr. 12645, Zusammenfassung des Stiftungszwecks. Testament Mai 1783 (23. Adar 5543), Testament Siron 5544 (14. Juni 1784) – Übereinkunft mit der Bamberger Landjudenschaft 2. Hesurum 5546 (1786). Neben der Regelung der Stiftungen wird auch der weitere Nachlass geregelt.Um den Stiftungszweck zu erfüllen, musste Kapital gegen Zins verliehen werden. Geldanlagen erfolgten sowohl bei der Korporation der Landjudenschaft als auch in Form von Darlehen an christliche und jüdische Einwohner sowie an Handelsgesellschaften.Bereits im Mittelalter wurde das Kapital der Armenkassen an Privatpersonen verliehen. Vgl. Barzen, Forschungsansätze (wie Anm. 29), S. 148. Für die Frühe Neuzeit, Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 42 f. Wie viele andere Stifter legte auch Koppel Henoch detailliert fest, wie sein Kapital angelegt werden sollte. Die Wolf Isaak Brillinsche Stiftung hatte ihr Kapital bei der Bamberger Judenschaft und später bey der landjudenschaftlichen Schuldentilgungskassa zu 5 P[rozent] ferzinslich eingelegt.Central Archives for the History of the Jewish People (= CAHJP), D/Ba17/356 (Totenbuch der Gemeinde Bamberg). Er heiratete 1815 Louise Kunstädter aus Kunreuth. Vgl. StadtABa, Trauungsregister. Dies galt auch für das Vermögen der Josef Heilbronnerʼschen Stiftung und der Stiftung des Samuel Hayum. Das Geld der Meyer Levi’schen Stiftung war ebenfalls bei der Judenschaft angelegt und wurde seit 1824 vom Bamberger Stadtmagistrat verwaltet. Während 100 Gulden bei der Staatsschuldenkasse zu einem Zinssatz von vier Prozent angelegt waren, waren die restlichen 137 Gulden 30 Kreuzer privat verliehen und das Kapital mit einer gerichtlichen Hypothek abgesichert worden.StadtABa, C 2, Nr. 53983, fol. 9r–13v: Bericht des Stadtmagistrats, Bamberg, 14.4.1827.Bei der Anlage von Stiftungskapital bemühte man sich um möglichst sichere Erträge. Einlagen bei Korporationen wie jüdische und christliche Einrichtungen, Bruderschaften oder Städten sind ebenso dokumentiert wie Kredite an solvente Personen oder Einlagen bei etablierten Handelsgesellschaften. So finden sich unter den Gläubigern der Zacharias Fränkel’schen Handelsgesellschaft in Fürth im Jahre 1750 neben zahlreichen Privatpersonen und Handelshäusern eine Almosenbüchse für die Gefangenen, Kapital aus der Schul- und Stipendienstiftung Gabriel Fränkels (PID 1316) für den Unterhalt der Fürther Klaus (Jeschiwe)Vgl. hierzu Preuß, Jüdische Gelehrte (wie Anm. 38), S. 46–53; Leopold Löwenstein: Zur Geschichte der Juden in Fürth, 3 Teile in einem Band. Hildesheim, New York 1974 (Nachdruck), S. 94–96. sowie Stiftungskapital seines Sohnes Wolf Gabriel Fränkel (PID 1997) in Höhe von 700 Gulden. Auch die Ehefrau von Gabriels Enkel Gabriel Abraham Fränkel (PID 15519), Hindel Lemberg (PID 15518), die eine Enkelin des Rabbiners Gabriel EskelesDer aus Nikolsburg in Mähren stammende Eskeles war ein gefragter Mann. Die erste Stufe seiner Karriere war 1671 Vorsteher in Krakau während des Rabbinats seines Lehrers Aaron Samuel Kaidanower. Anschließend wurde er Rabbiner in Olkusz (1684–1693), anschließend in Prag (1693–1698), dann Metz (1698–1709) und schließlich in seiner Heimatstadt (1709–1718). 1698 nahm Eskeles als Vertreter Posens an der Vierländersynode, die auf dem Jahrmarkt von Jaroslav stattfand, teil. Er gilt als seiner der größten Talmudisten seiner Zeit und schrieb zahlreiche Kommentare, Responsen etc. Kaufmann Kohler und Max Seligsohn: Eskeles, Gabriel ben Juda Löw. In: Jewish Encyclopedia (1906), S. 222, abzurufen unter: URL: https://jewishencyclopedia.com/articles/5857-eskeles-gabriel-ben-judah-low (09.09.2022). (PID 2874) war, hatte Stiftungskapitel in der Firma eingelegt. Ihr Mann war ein Sohn des Abraham Gabriel (PID 1996) und Edels (PID 2054), einer Tochter des aus Wien vertriebenen Vorstehers der Fürther Judenschaft David Isaak Fränkel (PID 98). Dieser wiederum, ein Sohn des Wiener Rabbiners Koppel FränkelPeter Trawnicek: Tuchsold und Landschaftsjuden. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N.F. 66–68 (2000), S. 309–386; David Kaufmann: Die letzte Vertreibung der Juden aus Wien und Niederösterreich, ihre Vorgeschichte 1625–1670 und ihre Opfer. Wien 1889. (PID 93), hatte zusammen mit seinen Brüdern und einem Schwager für 4.000 Gulden den Wiener Friedhof unterhalten, wo ihr Vater seine letzte Ruhe fand.Bernhard Wachstein: Die Inschriften des alten Judenfriedhofes in Wien, 2 Bde. Wien, Leipzig 1912 und 1917; Traude Veran: Das steinerne Archiv – Der Wiener jüdische Friedhof in der Rossau. Wien 2006. David Isaaks Sohn Bärmann Fränkel (PID 97) heiratete die Tochter des Fürther Vorstehers Salomon Schneior Fromm (PID 14) namens Bunle (PID 100) und führte die Zedaka seiner Familie fort. In seinem Testament legte er fest, dass aus seinem nachgelassenen Vermögen eine Klaus in Fürth errichtet werden solle.Rolf Kießling: Jüdische Geschichte in Bayern. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin, Boston 2019 (Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern; 11), S. 314. Auch seine Schwiegertochter Ester (PID 12062), die Ehefrau von Bärmann Fränkels Sohn Salomon Löw SchneiorSalomon Schneior gründete mit seinem Sohn Joseph 1691 die hebräische Druckerei in Fürth in der heutigen Königstraße 77; Barbara Ohm: Geschichte der Juden in Fürth. Fürth 2014, S. 70–72. (PID 2089), setzte die Familientradition fort. Sie hatte ihr Stiftungskapital in der Fränkelʼschen Handelsgesellschaft eingelegt, die auch mit Kapitaleinlagen mehrerer Begräbnisbruderschaften, der Kasse für die Armen in Jerusalem (mit immerhin 1990 Gulden)Vgl. hierzu für Hamburg Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 37, 130. sowie einer Stiftung für Kranke wirtschaftete.Bayerisches Hauptstaatsarchiv (=BayHStA), RKG, Nr. 7289/IV, fol. 1216r–1221r. Die Schulden der Zacharias Fränkelschen Handelsgesellschaft beliefen sich auf fast 450.000 Gulden. Zu einzelnen Schuldnern vgl. Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 143 f.Die hier zusammengetragenen Daten verweisen einerseits auf eine starke Tradition der Zedaka innerhalb einer der führenden jüdischen Familien Fürths; andererseits ist auffällig, dass die meisten dieser Stiftungen auf Nachkommen der 1670 aus Wien vertriebenen Familien zurückgehen. Erzwungene oder freiwillige Migration prägten somit auch die Muster jüdischer Wohltätigkeit. Wenn Darlehensnehmer wie die Fränkel-Gesellschaft zahlungsunfähig wurden, gingen allerdings auch Stiftungskapitalien verloren; im Extremfall konnte nach solchen Ausfällen die Stiftung erlöschenVgl. exemplarisch zum Verlust von Stiftungsgeldern Preuß, Jüdische Gelehrte (wie Anm. 38), S. 46. und dadurch die Ehre der Familie in Mitleidenschaft gezogen werden.4Meyer Levi und seine StiftungenAm Tag des Neumonds im Monats Cislov 493 verschriftlichte der Rabbiner zu Pferschau und des Schwabenlandes Isaak Menasse Etthausen (PID 5276) (1685–1763) posthum den letzten Willen Meyer Levis,StABa, K 3, G II, Nr. 12905: Übersetzung des Testaments des Meyer Pferschau [הם ר ' ליב]. Dieses war durch den Bamberger Rabbiner Löw Meyer Berlin (1737–1814) kopiert und im Dezember 1826 für die bayerische Regierung übersetzt worden. der am 25. Juni 1732 in Pfersee vor den Toren Augsburgs verstorben war.Yehuda Schenef: Spatial Burial Register Jewish Cementery Kriegshaber (Pfersee). Augsburg 2011. URL: https://www.yumpu.com/en/document/read/9623199/burial-register-graberliste-spatial-alemannia-judaica (09.09.2022). Grab 28–04, h 22. Etthausen hatte mit dem Sterbenden vor seinem Tod gesprochen und seinen letzten Willen zur Steuer der Wahrheit und zur Ehre des ruhmvollen edlen Mannes […] als Nachweis für künftige Zeiten festgehalten. Er betonte einleitend, dass Meyer Levi auf seinem Krankenbett große Unterstützung erhalten habe und bei vollem Bewusstsein gewesen sei, als er seinen letzten Willen kundtat.Es giengen Leute zu und ab, den kranken, und selig verlebten, gelehrten und hochverehrten Maier Levi aus Pferschau zu besuchen. Als wir zu ihm kamen, und er mich zu Gesichte bekam, wollte er aufstehen; er gab mir die Hand, ihn aufzurichten, und strengte sich an im Bette zu sitzen. Ich sah, daß er bei vollen Sinnen, der Sprache mächtig, und sich wie ein Gesunder zu besprechen vermögend war. Ich fragte, ob er hinsichtlich seines Eheweibes, seiner Verwandten, oder zum Heil seiner Seele etwas zu verordnen hätte. Er seufzte tief, sagte, daß er nicht Kraft genug hätte, sein Testament in Ordnung zu bringen, oder reiflich nachzudenken, was zu thun sey; sondern er wolle Alles seinen busenfreunden, dem Oberlandrabbiner und seinem Schwager Heyum Gh (wahrscheinlich GunzenhausenAnmerkung des Übersetzers Löw Berliner im Text. Es handelt sich vermutlich um Hayum Kriegshaber. Ich danke Nathanja Hüttenmeister für diesen Hinweis.) überlassen; diese werden thun, was für ihn gut sey, denn es sey bekannt, daß diese Männer rechtlich gesinnt, gerade denkend und besonnen sind, und daher nichts Unbilliges thun werden.StABa, K 3, G II, Nr. 12905: Übersetzung des Testaments des Meyer Pferschau, 31.12.1732. Übersetzung der Stiftungsurkunde durch den Oberlandesrabbiner Löw Berliner, der zwischen 1789 und 1794 in Bamberg seinen Dienst versah. Diese war von Isaak Ethausen zu Pfersee ausgestellt worden und begründete die Meier Levischen Unterrichtsstiftung. Für die richtige Übersetzung bürgte der Rabbiner Samson Wolf Rosenfeld (1782–1862), Bamberg, 20.12.1826.Der Status Meyer Levis in der Gemeinde wird durch die Betonung der Vielzahl an Besuchern an seinem Krankenbett sowie durch Hinweise auf seine familiären Beziehungen hervorgehoben. Dass diese Verbindungen die »Rangstufung innerhalb der jüdischen Gesellschaft« reflektieren sowie Kriterien wie »die religiöse Bildung, religiös-ethisches Handeln und wirtschaftlichen Erfolg zusammen bewerteten und Status und Ruf der Familie in dieses ranking einbezogen«, hat bereits Rotraud Ries betont.Rotraud Ries: Status und Lebensstil – Jüdische Familien der sozialen Oberschicht zur Zeit Glikls. In: Die Hamburger Kauffrau Glikl. Jüdische Existenz in der Frühen Neuzeit. Hg. von Monika Richarz. Hamburg 2001, S. 280–306, hier S. 283f. Im Gegensatz zu dem noch weitgehend unbekannten Stifter Henoch Koppel im Burgkunstadt der 1780er Jahre ermöglichen punktuelle Archivfunde genauere Einblicke in das Netzwerk Meyer Levis.Dieser war ein angesehener Mann in der jüdischen Gemeinde Pfersee, und seine Familie im fränkischen Zeckendorf gehörte ebenfalls der lokalen Oberschicht an. Sein Vater, der Kaufmann und Vorsteher der jüdischen Gemeinde Zeckendorf Moses Meyer Levi (PID 1095),StABa, 221/X Standbuch Nr. 4194, Nr. 2 (Zinsbuch der Juden 1602 f.), fol. 24. mit der sein Sohn Zeit seines Lebens in engem Kontakt stand, verschied achtzigjährig im Jahre 1727.Grabstein auf dem Friedhof in Zeckendorf. Sein Onkel Isaak Seligmann Levi (PID 2137), der 1709 verstarb, amtierte in Zeckendorf als Ältester und Deputierter der Bamberger Landjudenschaft. Dieser hatte »im fortgeschrittenen Alter und nachdem er seine Ämter seinem jüngeren Bruder Moses übergeben hatte, seinen langgehegten Traum« erfüllt und sich dem Studium gewidmet. Dabei arbeitete er mit dem Rabbiner Simon Akiba ben Joseph Bär (1698–1724) (PID 7679), der sich anschließend in Gunzenhausen niederließ, zusammen und veröffentlichte 1702 mit ihm gemeinsam das Werk Pi Sch’najim ([aus] Zweier Mund).Susanne Talabardon: Auf schmalem Grat. Leben und Werk des Simon Akiba Baer (gest. 1724). In: Jüdisches Leben in der Region. Herrschaft, Wirtschaft und Gesellschaft im Süden des Alten Reiches. Hg. von Michaela Schmölz-Häberlein. Würzburg 2018, S. 321–347, S. 334. Susanne Talabardon: Tora mi-Zeckendorf. Jüdische Gelehrsamkeit aus Franken – oder: »Jeder findet, was er sucht!«. In: Jewish Lifeworlds and Jewish Thought. Festschrift presented to Karl E. Grözinger on the Occasion of his 70th Birthday. Hg. von Nathanael Riemer. Wiesbaden 2012, S. 67–81, hier S. 67–69; Julia Haarmann: Hüter der Tradition. Erinnerung und Identität im Selbstzeugnis des Pinchas Katzenellenbogen (1691–1767). Göttingen 2012 (Jüdische Religion, Geschichte und Kultur; 18), S. 32, 40, 44–47; Löwenstein, Juden in Fürth (wie Anm. 94), Bd. 2, S. 120 f., 143, 199 f. Wie sein Vater und sein Onkel gehörten auch Meyer Levis Brüder Isaak (PID 7074) und Henoch (PID 7116) zur Führungsschicht der jüdischen Gemeinde.Er war beispielsweise an der Wahl des Rabbiners nach dem Tod von Moses Broda im Jahre 1733 beteiligt. Vgl. Eckstein, Fürstbistum Bamberg (wie Anm. 4), S. 172. Seine Schwestern waren ebenfalls mit führenden Gemeindevertretern oder Gelehrten verheiratet. Einer seiner Schwäger war ein Hayum Kriegshaber (PID 11877), den er als seinen Busenfreund bezeichnete; ein weiterer war der Unterrabbiner Salomon (PID 7727),Der Rabbiner Salomon lebte bereits 1699 in der Gemeinde, Schmölz-Häberlein, Zeckendorf und Demmelsdorf (wie Anm. 2), S. 293; dies.; Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 84 f.; Eckstein, Fürstbistum Bamberg (wie Anm. 4), S. 155–159; StadtA BA, HV Rep. 3, Nr. 1205/1, Fasz. 47. der zum Zeitpunkt des Todes Meyer Levis den Familiensitz in Zeckendorf bewohnte. Die Hälfte des Hauses hatte er 1686 von seinem Vater Moyses Meyern überkommen und durch seinen bruder Jacob Levi empfangen.StABa, 221/X Standbuch Nr. 4191, (Urbar und Zinsbuch 1672), fol. 162v–163r. Die Brüder des seeligen M[ayer] Pferschau, Henoch und Isaak, wollten dem Unterrabbiner das Wohnrecht entziehen, wogegen dieser sich allerdings zur Wehr setzte. Als Schiedsrichter in der Erbschaftsauseinandersetzung wurde der Unterrabbiner Wolf ReckendorferEckstein nennt in 1744 als Dajan von Aufseß. Eckstein, Fürstbistum Bamberg (wie Anm. 4), S. 171. (PID 5236) von allen Parteien akzeptiert. Zu den Pflichten des Schlichters gehörte es, den Unterrabbiner Salomon vor Schaden zu wahren, damit die wohltätige Gesinnung nicht vereitelt werden, die der Verewigte lebenslänglich in Absicht auf besagten Herrn Wolf hegte.StABa, K 3, G II, Nr. 12905: Übersetzung des Testaments des Meyer Pferschau ausgestellt am 31.12.1732. Bei Salomon handelt es sich um den 1727 erwähnten Salomon Fränkel oder der Silber Jud.StABa, 221/X Standbuch Nr. 4195 (Zinsbuch der Juden 1727–1742), S. 10; ebd., Nr. 4196 (Verzeichnis derer Stühl in der Neuen Juden Synagog zu Zeckendorff, 21.2.1727). Weiteres dazu Schmölz-Häberlein, Zeckendorf und Demmelsdorf (wie Anm. 2), S. 291–301. Bislang konnte noch keine direkte Verbindung zu der Familie Fränkel in Fürth nachgewiesen werden. In seiner Funktion als Unterrabbiner in Zeckendorf war er zugleich Vertreter (Landesdajan) der reichsritterschaftlichen Juden im Rabbinat Bamberg.Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 85; Carsten Wilke, Landjuden und andere Gelehrte. Die rabbinische Kultur Frankens vom 12. bis zum 20. Jahrhundert. In: Die Juden in Franken. Hg. von Michael Brenner. München 2012, S. 69–93, S. 85.Meyer Levi gehörte demnach zum Kreis der Hoffaktoren, Gemeindevorsteher und Gelehrten, die im Laufe ihrer Karrieren eine beträchtliche geographische Mobilität aufwiesen und sich dabei häufig zwischen städtischen und ländlichen Räumen bewegten.Vgl. Nathanael Riemer und Sabine F. Bloch: Parnassim zwischen Kirchhain und Halberstadt. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 25/2 (2015), S. 365–414, S. 366. Schon in jungen Jahren hatte er offenbar seine Heimat verlassen, denn bereits 1686 wird er als Meyer Levi zu Pfirsch bezeichnet, wo er auch seine Ausbildung erhielt.StABa, 221/X Standbuch Nr. 4191 (Urbar und Zinsbuch 1672), fol. 162v–163r. Raphael Straus: History of Jews in Regensburg and Augsburg. Philadelphia 1939, S. 205; Zur Bedeutung der Familie, vgl. Ullmann, Jews as Ethnic and religious Minorities (wie Anm. 11), S. 380. Um diese Zeit dürfte er Lea (PID 1034), eine Tochter des Pferseer Agenten der Wiener Oppenheimer-Gesellschaft und späteren Vorstehers der jüdischen Gemeinde Simon Ullmann (PID 4254) und seiner aus Wien stammenden Ehefrau Esther Mirels (PID 4253), geehelicht haben.Schnee, Hoffinanz (wie Anm. 46), Bd. 4, S. 207; Zu Simon Ullmann, vgl. Sabine Ullmann: Nachbarschaft und Konkurrenz. Juden und Christen in den Dörfern der Markgrafschaft Burgau 1650 bis 1750. Göttingen 1999 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; 151), S. 119, 173, 212, 218, 220, 330–332. Am Wohnort seiner Frau, an dem 40 jüdische Familien lebten, ist er 1701 als Beisitzer ohne eigenen Hausbesitz mit einem Vermögen von 600 Gulden belegt.Ullmann, Nachbarschaft und Konkurrenz (wie Anm. 120), S. 534. 1713 versuchte er dort ein Anwesen zu erwerben. Ein Kaufvertrag mit der Christin Magdalena Völck konnte jedoch nicht ratifiziert werden, da er aufgrund der restriktiven Judenpolitik vor Ort keinen Schutzbrief erhalten konnte.Ullmann, Nachbarschaft und Konkurrenz (wie Anm. 120), S. 81. Meyer Levi behielt zeitlebens seinen Schutzstatus in seiner Heimatgemeinde Zeckendorf.Im Oktober 1721 beschwerte sich Meyer Levi gemeinsam mit dem Vorsteher der Fürther Judenschaft und dompropsteilichen Schutzjuden Salomon Moses Ullmann (ID 129),Friedrich Battenberg: Das Reichskammergericht und die Juden des Heiligen Römischen Reiches. Geistliche Herrschaft und korporative Verfassung der Judenschaft in Fürth im Widerspruch. Wetzlar 1992 (Schriftreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung; 13), S. 16 f. einem Neffen seines Schwiegervaters, bei der Innsbrucker Regierung über die finanziellen Belastungen, die anfielen, wenn Juden in der Reichsstadt Augsburg ihren Geschäften nachgehen würden.Ullmann, Nachbarschaft und Konkurrenz (wie Anm. 120), S. 122. Hierzu und zu den Änderungen der Handelsbedingungen, Ullmann, Jews as Ethnic and religious Minorities (wie Anm. 11), S. 382. Im folgenden Jahr waren Meyer Levi und seine Frau Lea als Vorstände eines Haushalts mit zwei Dienstboten in Pfersee registriert. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ein Bruder seiner Frau namens David Simon (1372) als Knecht bei ihnen.Ullmann, Nachbarschaft und Konkurrenz (wie Anm. 120), S. 369, 535.Der Pferseer Rabbiner Isaak Etthausen betonte in der Niederschrift seines letzten Willens, dass Meyer Levi bei vollem Bewusstsein und Verstand war – eine wichtige Formel für die Gültigkeit seiner Verfügung – und er in der Gemeinde hochgeschätzt gewesen sei. Für seine Memoria, zur Steuer der Wahrheit und zur Ehre des ruhmvollen edlen Mannes, sollte eine Stiftung errichtet sowie das Wissen des Verstorbenen der Nachwelt erhalten werden, um weiterhin dem gemeinen Nutzen zu dienen. Als Verwalter und Vorsteher dieser frommen Stiftung des M. Pferaschau wurde der als ein Gottesfürchtiger, religiöser und wohlthätiger Mann bekanndt[e] Bamberger Meyer David Eger eingesetzt.Meyer David Eger gehörte zu den Juden, die in Bamberg wichtige gemeindliche Aufgaben übernahmen. Vgl. zu ihm Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 72, 82, 163, 228. Dieser sollte 400 Gulden Stiftungskapital verwalten, die das Thorastudium junger Männer sowie die Publikation der Schriften Meyer Levis finanzieren sollten. Etthausen betonte, erhabe das Zutrauen zu dem Gottesfürchtigen Meyer Eger, daß er sich dem Geschäfte mit Eifer unterziehen wird, jenen seeligen Gelehrten, Hr. Maier Pferschau zu willfahren, dieses Druckgeschäft zu realisieren,Die Schriften posthum zum Druck zu befördern und damit die Memoria aufrecht zu erhalten war eine verbreitete gute Tat. So brachte David Simon Wolf Brillin, der Vorsteher der Gemeinde Bamberg, die Schriften der Rabbiners Moses Broda (gest. 1733) und dessen Vaters zum Druck, Eckstein, Fürstbistum Bamberg (wie Anm. 4), S. 170. und den Erlöß aus den büchern unter seiner Hand zu einem Kapitalfond zu bilden, um daraus Söhne armer Leute zum Toralernen zu unterstützen.Meyer David Eger solltemit einem Theil dieses geldes zwey sehr Gelehrte dingen, die im Stande sind, eine gelehrte Abhandlung genau zu prüfen und richtig zu würdigen. Diese sollen eine Auswahl unter den Manuscripten des seeligen Maier Pferschau treffen, und eine blumenlese aus seinen lieblichen Aufsätzen vornehmen. Die Vorzüglichsten seiner gelehrten Arbeiten nun, die ihnen als solche erscheinen, es seien dieselben Erklärungen talmudischer Segen, Rechtsaufgaben, oder was auch sonstigen Inhalt, sollen sie in schöner, gutdünckender Ordnung sammeln, daraus ein Werk formieren, es der Presse übergeben, und unter Israel zu verbreiten suchen. Dieser wird ihm zum Seelenvergnügen, zum Ruhme und zur Namensverewigung dienen.Damit sollte das Lebensmotto Meyer Levis, der Mensch müßte seine Worte nicht unnütz aussprechen, nach Ansicht des Rabbiners Isaak Menasse Etthausen umgesetzt werden. Den Wert der mehr den Einhundert bogen theologische Novellen im Nachlass Meyer Levis konnte Etthausen sehr gut einschätzen, denn auch er war auf diesem Gebiet produktiv. Seine Sammlung von 58 Responsen mit dem Titel »Or Ne’elam« (Verborgenes Licht) und der Kommentar »Or lob e-Zion« (Ein Licht ist in Zion) wurde 1765 posthum von seinem Sohn Juda Löw Etthausen (5275) bei Wilhelm Friedrich Lotter in Karlsruhe veröffentlicht.Leopold Löwenstein und Nathanael Weil: Beiträge zur Geschichte der Juden in Deutschland, Bd. 2: Oberlandrabbiner in Karlsruhe und seine Familie. Frankfurt a. M. 1898, S. 244.Ob die Schriften Meyer Levis je im Druck erschienen sind, konnte bisher nicht ermittelt werden. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, da Publikationen in dieser Gesellschaftsschicht und speziell in dieser Familie Tradition hatten. Zudem fällt auf, dass deutlich weniger Kapital angelegt wurde, als Meyer Levi gestiftet hatte. Eine Summe von 237 Gulden 30 Kreuzer, die zur Bezahlung des Schulgeldes armer Kinder verwendet werden sollte, stand noch in den 1820er Jahren zur Verfügung. Die Ausschüttung der Gelder wurde von den amtierenden Vorstehern der jüdischen Gemeinde Bambergs vorgenommen.StadtABa, C 2, Nr. 53983 (Stiftungen der Israeliten), fol. 12r – Bamberg, 14.4.1827.Im Gegensatz zu anderen jüdischen Stiftern der 1730er Jahre im Hochstift Bamberg, die fest in der Region verankert waren, pendelte Meyer Levi zwischen dem schwäbischen Pfersee und dem fränkischen Zeckendorf. Dort hatte er bis zu seinem Tod einen festen Stuhl in der Synagoge inne, und seine Frau verfügte über einen Platz auf der Frauenempore.Schmölz-Häberlein, Zeckendorf und Demmelsdorf (wie Anm. 2), S. 297, 299. Im Vergleich zur Stiftung Wolf Isaak Brillins, deren Aufgabe die Unterstützung bei der Erlernung der Dora [Thora], Aussteuer armer Bräute und Krankenhülfe für verarmte Verwandte war und die über ein Kapital von 2.500 Gulden verfügte, oder diejenige Joseph Heilbronners im Jahre 1737, die mit 1.000 Gulden ausgestattet war, fällt das Kapital Meyer Levis relativ bescheiden aus. Jedoch war er bereits zu Lebzeiten finanziell stark in Zedaka involviert, indem er Gelder für Synagogenbauten sammelte und auch selbst dafür spendete.Da Stiftungen »eine Form, sich in der Gemeinde zu positionieren und ›Ehre zu erlangen‹« darstellten, standen laut Barbara Staudinger die »besonders angesehenen Familien […] in der Pflicht, die ihnen zuteil gewordene Ehre immer wieder unter Beweis zu stellen und zu erneuern.«Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 75. Dies lässt sich auch für die jüdischen Stifter innerhalb der fränkischen Landjudenschaft beobachten. Wolf Isaak Brillin (ca. 1644Das Geburtsjahr wurde der genealogischen Datenbank des Jüdischen Museums Hohenems entnommen. URL: http://www.hohenemsgenealogie.at/en/genealogy/getperson.php?personID=I21453&tree=Hohenems (09.09.2022).–1730) gehörte einer Familie an, die zur süddeutschen Wirtschaftselite um 1700 gerechnet werden kann und mit führenden Vertretern jener Elite verwandt und verschwägert war,Zu den Geschwistern gehörten Dina Sorle (Sarah) Brillin (1638–1703), Isaak Brillin (1628–1678), Hanna Brillin (1632–1712) und Moses Isaak Brillin (1635–1722). Die Angaben des Museums in Hohenems wurden durch eigene Erkenntnisse ergänzt. URL: http://www.hohenemsgenealogie.at/en/genealogy/getperson.php?personID=I21453&tree=Hohenems (09.09.2022). die sich auch als Stifter an verschiedenen Orten Mitteleuropas finden.Vgl. Schmölz-Häberlein, Jüdische Stiftungen (wie Anm. 1), S. 191–196; Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 80. Neben seiner eigenen Stiftung engagierte er sich in der Bamberger Begräbnisbruderschaft (Chevra Kadischa)Für das religiöse Leben war die Begräbnisbruderschaft, deren Statuten der Rabbiner Mendel Rothschild verfasste, von zentraler Bedeutung. Sie organisierte die Betreuung im Krankheitsfall, die Sterbebegleitung und die Bestattung der Verstorbenen sowie die Einhaltung des jährlichen Totengebets. Alle Mitglieder übten ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus; die Kosten wurden durch Spenden gedeckt. Zur Chevra Kadischa in Bamberg vgl. Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 168–170; zu den Statuten vgl. Adolf Eckstein: Neue Beiträge zur Geschichte der Juden in Bamberg. In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 68 (1924), H. 4, S. 307–316, hier S. 311–316. Allgemein jüngst Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 40 f. und wurde 1729 Kassierer und Rechnungsführer der Landjudenschaft.StABa, B 67/XV, Nr. 393 (Judenschaftsdeputierte gegen Rechnungsführer) – Rechenschaftsbericht des Löw Hirsch, Bamberg, 6.8.1747. Joseph Heilbronner ist vermutlich mit dem dompropsteilichen Schutzjuden in Fürth und Hoffaktor des Eichstätter Bischofs Johann Anton I. Knebel von Katzenelnbogen (reg. 1705–1725) identisch,Reichskammergericht H, 1 Bd. 11. Hg. von der Generaldirektion der Bayerischen Archive. München 2004, Nr. 4991; Staatsarchiv Nürnberg, Allgemeine Reihe Nr. 4605 (Grund Riß des Fleckens Fürth von Johann Georg Vetter 1717). Dort ist Heilbronner unter Nr. 242 Domb Probstl. Neue Häuser als Hausbesitzer erfasst; Löwenstein, Juden in Fürth (wie Anm. 94), Teil [Band?] 3, S. 8, 12–21. Es handelt sich vermutlich nicht um einen Sohn des Rabbinatsbeisitzers Moses Heilbronner, der Ende des 17. Jahrhunderts in Bamberg nachweisbar ist. Diese Vermutung erscheint aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, Schmölz-Häberlein, Jüdische Stiftungen (wie Anm. 1), S. 193. der 1727 wegen seiner geschäftlichen Beziehungen dorthin vorübergehend in Fürth in Arrest genommen worden war.Das Urkundenbuch zu der in Akten und Rechten bestgegründeten Ausführung der seit Jahrhunderten zwischen dem Hochstift und der Domprobstey Bamberg dann dem Hochfürstlichen Hause Brandenburg-Onolzbach über die Vogtheyliche Obrigkeit in dem Markt-Flecken und Amte Fürth obgewaleten Differenzen. Ansbach 1785, S. 64. 1730 überschrieb er sein Haus an seinen Sohn Isaak (PID 12067) anlässlich von dessen Hochzeit mit Rachel (PID 12068), der Tochter des Fürther Arztes Aaron Moses Schwab (PID 205).Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (= HHStA), Reichshofrat, Obere Registratur, K. 1881/4 (alt W 2), Freifrau Caroline Louise Juliane von Wildenstein (und ihre Schwestern Friederike Sophe Wilhelmine und Friderike Christiane Florentine) geborene Voit von Salzburg gegen die Erben des Zacharias Fränkel & Cons. zu Fürth, 1759, Extractus Nr. 9, 30.3.1730; Leo Baeck Institute, Center for Jewish History, Michael Berolzheimer Collection, Kapitel 16. Die Familie Heilbronn. URL: https://archives.cjh.org/repositories/5/resources/19249 (09.09.2022). Für die korrekte Abfassung der Testamente und letztwilligen Verfügungen wurde der Rat von Rabbinern wie Isaak Etthausen eingeholt. Die Verwaltung der Stiftungen wurde in die Hand angesehener Männer gelegt, die ehrenamtliche Aufgaben für die Landjudenschaft übernommen hatten. Ähnlich wurde auch bei christlichen Stiftungen verfahren, deren Pfleger häufig ebenfalls zentrale Positionen in der Gemeinde innehatten.Vgl. hierzu Herold, Die Aschhausenstiftung (wie Anm. 26), S. 101 f.5ResümeeBei den Stiftungen, die in der Bamberger Landjudenschaft getätigt wurden, ging es nicht um vergleichbare Summen, wie sie die Erben des kaiserlichen Hoffaktors Samson Wertheimer (1658–1724) in Wien für Zedaka zur Verfügung stellten. Letztere stifteten 150.000 Gulden in fundis publicis, deren Zinsen darauf verwendet werden sollten, verschiedene fromme Stiftungen, Schuelen, Erziehungs Anstalten, und ansehnliche Stipendien für Schuelkinder, und studierende Jünglinge zu finanzieren.HHStA, Reichshofrat, Obere Registratur K 461/1, o. F., zitiert nach Verena Kasper: Jüdisches Leben in der Frühen Neuzeit im Spiegel reichshofrätlicher Gerichtsakten. In: David. Jüdische Kulturzeitschrift 83 (12/2009). URL: http://www.davidkultur.at/ausgabe.php?ausg=83&artikel=88 (09.09.2022). Dennoch weisen auch die fränkischen Beispiele Parallelen zur Stiftertätigkeit der »großen« Hoffaktoren auf.Spenden an Bedürftige und Stiftungen gehörten zum Selbstverständnis jüdischer Gemeinden. Von dieser Großzügigkeit profitierten mitunter auch christliche Einrichtungen oder Personen. Die zahlreichen Familienstiftungen zur Ausstattung armer Bräute und zur Unterstützung junger Männer erfüllten den Stiftungszweck auch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts.Schmölz-Häberlein, Jüdische Stiftungen (wie Anm. 1), S. 196–199, 201. Damit unterschieden sie sich prinzipiell nicht von christlichen karitativen Stiftungen, die oft ebenfalls für die Aussteuer armer Frauen und die Ausbildung junger Männer verwandt wurden und die ihre Erträge mitunter auch für die Unterstützung taufwilliger Juden einsetzten.Herold, Die Aschhausenstiftung (wie Anm. 26), S. 91–136. Zu den Empfängern außerhalb der Stifterintention, ebd., S. 133–135. Daneben kamen Legate an Synagogen sowie Zuwendungen an Begräbnisbruderschaften häufiger vor, um die Memoria der Stifter lebendig zu halten.Vgl. hierzu Ries, Individualisierung (wie Anm. 32), S. 108. Spenden, Legate und Stiftungen dienten dem irdischen Wohlergehen innerhalb der jüdischen Gemeinden ebenso wie dem »Seelenheil ihrer lebenden und verstorbenen Mitglieder«.Barzen, Forschungsansätze zur Armenfürsorge (wie Anm. 29), S. 145; Alfred Haverkamp: Bruderschaft und Gemeinde im 12. und 13. Jahrhundert. In: Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter. Hg. von Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter. Ostfildern 2006 (Vorträge und Forschungen; 649), S. 153–193, S. 163 f. Vermögende Juden engagierten sich auch außerhalb der eigenen Gemeinde und Region, orientierten sich dabei jedoch stets an familiären Verbindungen,Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 40. wie auch für die fränkischen Juden gezeigt werden konnte.Christlichen wie jüdischen Stiftungen ist gemein, dass die zu Lebzeiten erworbenen Güter zum Wohle der Allgemeinheit verwendet werden sollten, und stellten damit eine gesellschaftliche Praxis des sozialen Ausgleichs dar,Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 4; Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 75. wobei den Empfängern in vielen Fällen ein eigenständiges Leben ermöglicht werden sollte.Herold, Die Aschhausenstiftung (wie Anm. 26), S. 105, Die Wohltätigkeitsformen jüdischer und christlicher Prägung weisen auf dynamische Austauschprozesse zwischen den beiden religiösen Gruppen hin, die in Ähnlichkeiten hinsichtlich der Ausgestaltung und des Vollzugs der Stiftungen resultierten. Die vorliegende Untersuchung jüdischer Stiftungen bestätigt somit die These von Debra Kaplan, dass es direkte Wechselwirkung und Abstimmungsprozesse zwischen christlichen und jüdischen Gemeinden in Bezug auf Wohltätigkeit und Armenfürsorge gab.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 4, 135 f., 140.Inwieweit spiegelt sich in den hier vorgestellten Beispielen die Fraktalität des Reiches? Für Meyer Levi waren sowohl das habsburgische Pfersee als auch das im Hochstift Bamberg liegende Zeckendorf »Räume der Identifikation«,Duhamelle, Drinnen und draußen (wie Anm. 15), S. 14. die seine »mental map« prägten. Seine Lebenswelt und seine Raumvorstellung waren offenkundig beeinflusst von der Fraktalität des Reiches, und die damit verbundenen, »kulturell vermittelte[n] (Welt-)Bilder« wirkten sich auf seine Gemeinschafts- und Identitätsbildung aus.Frithjof Benjamin Schenk: Mental Maps. Die kognitive Kartierung des Kontinents als Forschungsgegenstand der europäischen Geschichte. In: Europäische Geschichte Online (EGO). Hg. vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG). Mainz 2013-06-05. URL: http://ieg-ego.eu/de/threads/theorien-und-methoden/mental-maps/frithjof-benjamin-schenk-mental-maps-die-kognitive-kartierung-des-kontinents-als-forschungsgegenstand-der-europaeischen-geschichte (25.02.2023). Diese war sowohl an seinen Schutz- und Heimatort Zeckendorf als auch an seinen Wohn- und Arbeitsort Pfersee gebunden. Die im Süden des Alten Reiches vorherrschende territoriale Kleinkammerung, die der Ausprägung landesfürstlicher enge Grenzen setzte,Duhamelle, Drinnen und draußen (wie Anm. 15), S. 19. eröffnete jüdischen Menschen Ansiedlungsoptionen und den Inhabern des Judenschutzes die Option, auf diesem Wege ihre lokale Machtposition auszubauen. Gleichzeitig ermöglichte die Vielzahl territorialer und herrschaftlicher Grenzen jüdischen Menschen Handlungsspielräume, die sie kreativ ausgestalteten.Allgemein Christophe Duhamelle: Die Grenze im Dorf. Katholische Identität im Zeitalter der Aufklärung. Baden-Baden 2018 (Religion und Politik; 16), S. 221–223. Zur Nutzung verschiedener Obrigkeiten bei der Schutzerteilung, Schmölz-Häberlein, Zeckendorf und Demmelsdorf (wie Anm. 2). Die für Personen wie Meyer Levi geltenden sozialen Logiken spiegeln sich auch in den räumlichen wider,Bretschneider/Duhamelle, Fraktalität (wie Anm. 18). wie die oben erwähne Beschwerde an die Innsbrucker Regierung über die Einschränkung jüdischer Geschäftstätigkeit in der Reichsstadt Augsburg zeigt.Meyer Levis Memoria sollte innerhalb der Bamberger Landjudenschaft gepflegt werden, unter deren Schutz er stand, und seine Bindung an seine Heimatgemeinde betonen. Das gleiche Muster ist auch bei den anderen Stiftern erkennbar. Joseph Heilbronner, der unter dem Schutz der Bamberger Dompropstei stand, orientierte sich an der Bamberger Landjudenschaft, als er einen Verwalter für seine Stiftung suchte. Auch in seinem Fall sollte die Memoria an dem Ort gepflegt werden, der ihm zu Lebzeiten Schutz gewährt hatte. Versorgt werden sollten mit den Schul- und Aussteuerstiftungen jedoch nähere und weitere Verwandte, die sich über das gesamte Reichsgebiet verstreut niedergelassen hatten, womit zugleich den rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen jüdischer Existenz Rechnung getragen wurde.Vermögende Stifter bedachten oft mehrere Orte, an denen aber stets Familienmitglieder etabliert waren. Der Münchner Hoffaktor Wolf Samson Wertheimer, der in Kriegshaber bei Augsburg seine letzte Ruhestätte fand, vermachte sein Erbe den jüdischen Gemeinden Fürth und Amsterdam. Zudem stiftete er in Nikolsburg eine Rabbinerstelle und in Prag eine Kinderschule.Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 80. Mitglieder europäischer Hofjudenfamilien spendeten Beträge für das Lehrhaus in Jerusalem, um ihrer Verpflichtung zur Förderung der Bildung im Heiligen Land nachzukommen. Dies ist u. a. für Abraham Model Ries (PID 189) belegt.Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 78–79. Kapitaleinlagen von Stiftungen für das Heilige LandVgl. dazu auch Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 37, 132. finden sich auch als Depositen in fränkischen jüdischen Unternehmen, wie das Beispiel von Zacharias Fränkels Erben zeigt. Jüdische Spenden- und Stiftungstätigkeit weist somit sogar über den süddeutschen Raum und das fraktale Heilige Römische Reich hinaus auf das Heilige Land als dauerhaftem Bezugspunkt jüdischer Existenz. http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png Aschkenas de Gruyter

Jüdische Spenden und Stiftungen im fraktalen Raum des Heiligen Römischen Reichs

Aschkenas , Volume 33 (1): 31 – Jun 1, 2023

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de Gruyter
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© 2023 bei den Autoren, publiziert von De Gruyter.
ISSN
1865-9438
eISSN
1865-9438
DOI
10.1515/asch-2023-2005
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Abstract

Im Jahre 1732 verfügte ein gewisser Meyer Levi (PID 881) in Bamberg, dass aus seinem Nachlass eine Stiftung errichtet werden sollte, deren Zweck laut einer Aussage aus dem frühen 19. Jahrhundert die Bezahlung von Schulgeld für arme Kinder im allgemeinen gewesen sei.Stadtarchiv Bamberg (= StadtABa), C 2, Nr. 53983 (Jüdische Stiftungen); Michaela Schmölz-Häberlein: Jüdische Stiftungen im Bamberg des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. In: Stiftungen, Fürsorge und Kreditwesen im frühneuzeitlichen Bamberg. Hg. von Mark Häberlein und Michaela Schmölz-Häberlein. Bamberg 2015 (Bamberger Historische Studien;13), S. 185−202. Während bei einigen jüdischen Stiftern in der fürstbischöflichen Residenzstadt der persönliche Hintergrund bekannt ist, konnte Meyer Levis Person lange Zeit nicht verortet werden. Erste Hinweise auf seine Identität finden sich im Kontext von Synagogenbauten in zwei fränkischen Landgemeinden. Im Jahre 1722 sammelte er mit dem Deputierten der Landjudenschaft des Hochstifts, seinem Bruder Jakob Levi (PID 7127),1699 war Jakob Levi bereits im Schutz in Zeckendorf. Designation Nominum der jenigen Juden, welche in ao 1699 zu Zeckendorf würkl. angesetzen gewesen, StadtABa, HV Rep. 3,1205/1, Nr. 47; Michaela Schmölz-Häberlein: Jüdisches Leben in den Gemeinden Zeckendorf und Demmelsdorf. In: Jüdisches Leben in der Region – Herrschaft, Wirtschaft und Gesellschaft im Süden des Alten Reiches. Hg. von Michaela Schmölz-Häberlein. Würzburg 2018 (Stadt und Region in der Vormoderne; 7 / Judentum – Christentum – Islam. Interreligiöse Studien; XVI), S. 267–320, hier S. 274. und dem Bamberger Gemeindevorsteher und Hoffaktor Moses Isaak Brillin (PID 956)Zu Moses Brillin und seiner Familie vgl. Michaela Schmölz-Häberlein: Juden in Bamberg (1633–1802/03). Lebensverhältnisse und Handlungsspielräume einer städtischen Minderheit. Würzburg 2014 (Judentum – Christentum – Islam. Interreligiöse Studien; XI / Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg; 18), bes. S. 116–119, 189–192, 202–204. Geld für den Kauf des Synagogengebäudes in dem reichsritterschaftlichen Ort Aufseß, in dem zeitgleich auch ein Friedhof angelegt wurde.Adolf Eckstein: Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstbistum Bamberg. Bamberg 1898, S. 118; Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. 2. Aufl. München 1992, S. 204 f.; Angela Hager und Cornalia Berger-Dittscheid: Aufseß. In: Mehr als Steine … Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 1: Oberfranken, Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern, Schwaben. Hg. von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz. Lindenberg i. Allgäu 2007, S. 66–71. Im Jahr darauf spendete er eine hohe Summe für die Errichtung einer neuen Synagoge in Zeckendorf, die nach dem Vorbild der Bamberger konzipiertEva Groiss-Lau: Jüdisches Kulturgut auf dem Land. Synagogen, Realien und Tauchbäder in Oberfranken. München u. a. 1995, S. 19. Verweis auf Adolf Eckstein: Zur Geschichte der Juden in Zeckendorf. In: Die Hohe Warte. Blätter zur Erbauung und Belehrung, Unterhaltungsbeilage zum Bamberger Wochenblatt 22–25 (1922). und 1727 eingeweiht wurde.Regina Schade: Formen jüdischer Ansiedlung und Bauten in den Gemeinden Zeckendorf und Demmelsdorf. In: Jüdisches Leben auf dem Dorf. Annäherung an die verlorene Heimat Franken. Hg. von Klaus Guth und Eva Groiss-Lau. Petersberg 1999 (Landjudentum in Oberfranken. Geschichte und Volkskultur; 3), S. 35–63, S. 44; Eva Grois-Lau: Die jüdischen Landgemeinden Zeckendorf – Demmelsdorf. In: Ebd., S. 15–34, S. 23; Groiss-Lau, Jüdisches Kulturgut auf dem Lande (wie Anm. 5), S. 19; bei allen dreien Verweis auf Eckstein, Geschichte der Juden in Zeckendorf (wie Anm. 5). Im Gegenzug für seine Großzügigkeit gewährte der lokale Grundherr, Abt Gallus Knauer (1654–1728) des Zisterzienserklosters Langheim bei Lichtenfels,Einen knappen Überblick bietet Gabriele Wiesemann: Kloster Langheim. Historischer Kolonisationskern und gegenwärtiges Kulturerbe. In: Landschaften in Deutschland Online. URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/81_b_114-kloster-langheim/ (19.09.2019). dem die jüdische Gemeinde für den Bau zinspflichtig war, Meyer Levi und seiner Familie das Privileg, Zeit seines Lebens die Synagogenstühle zinsfrei zu nutzen. Der Abt betonte,daß Levi Juden zu Pfirscha negst Augspurg alß dem ersten und für nehmbsten Guththäter bey diesem vorseyenden Syangog-bau drey neue Stühl, benanntlich zwey Männer= und ein Weiber Stuhl lebenslänglich vorbehalten seye, auch so lang handlohn- und Zins-frey passiren, die Lehens recognition aber gegen entrichtung des hergebrachten Schreibgeldtes durch einen Lehensträger gleichwohl geschehen [solle].Staatsarchiv Bamberg (= StABa), 221/X Standbuch Nr. 4195, Kopie des Erb-, respektive Konfirmationsbriefs, 15.3.1722, fol. II–V.Dieses grundherrliche Privileg gibt einen Hinweis, warum Meyer Levi sich nicht in fränkischen Quellen findet, obwohl er Zeit seines Lebens unter dem Schutz der Freiherren von AufseßZu Aufseß vgl. Hager/Berger-Dittscheid, Aufseß (wie Anm. 5). in der Gemeinde Zeckendorf stand, die von 1654 bis 1674 auch der Rabbinatssitz der Bamberger Landjudenschaft war.Zu Zeckendorf ausführlich Schmölz-Häberlein, Zeckendorf und Demmelsdorf (wie Anm. 2). Gleichzeitig war er nämlich in dem etwa 200 Kilometer von Zeckendorf entfernten schwäbischen Ort Pfersee vor den Toren der Reichsstadt Augsburg ansässig,Vgl. knapp zu jüdischen Siedlungen vor der Reichstadt Augsburg, Sabine Ullmann: Jews as Ethnic and Religious Minorities. In: A Companion to Late Medieval and Early Modern Augsburg. Hg. von B. Ann Tlusty und Mark Häberlein. Leiden 2020, S. 367–390, hier S. 378–383. was ihm den Beinnamen Pfersig oder Pferschau einbrachte.An den Lebensumständen Meyer Levis lässt sich die »Vielheit der Referenzebenen«, von denen der französische Historiker Christophe Duhamelle in Bezug auf das Heilige Römische Reich spricht, exemplarisch aufzeigen. Zum einen prägten Juden die religiöse Landschaft,Philippe Büttgen und Christophe Duhamelle: Introduction. In: Religion ou confession. Un bilan franco-allemand sur l’epoque moderne (XVIe–XVIIIe siècle). Hg. von Philippe Büttgen und Christophe Duhamelle. La Rochelle 2010, S. 1–6. Die jüdische Minderheit wird hier leider nicht betrachtet. zum anderen nutzen sie die zahlreichen territorialen Grenzen, die sich vielfach überlappenden Herrschaftsrechte sowie die verschiedenen Jurisdiktionen, um sich wirtschaftliche Optionen zu erschließen und so ihr Auskommen zu sichern. Ein zentrales Rechtsinstrument war dabei der Judenschutz, der die Grundlage der jüdischen Existenz im Reich bildete. Das ursprünglich kaiserliche Judenregal war im Rahmen der vormodernen Territorialisierungsprozesse sukzessive auf die Landesherren übergegangen. In Schwaben und Franken, den Verdichtungsräumen jüdischen Lebens auf dem Gebiet des heutigen Freistaats Bayern, blieb die Reichsnähe durch die habsburgischen Territorien in Vorderösterreich sowie die engen Bindungen von Reichstädten und Reichsritterschaften an Kaiser und Reich dauerhaft gewährleistet.Sabine Ullmann: Judenschutz, publiziert am 21.08.2017. In: Historisches Lexikon Bayerns. URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Judenschutz (21.05.2022).Das unter habsburgischer Oberherrschaft stehende Pfersee gehörte zum schwäbischen, das hochstiftisch-bambergische Zeckendorf, in dem neben dem Kloster Langheim diverse reichsritterschaftliche Familien grundherrliche Rechte ausübten, zum fränkischen Reichskreis. Der Schwäbische Kreis umfasste das Herzogtum Württemberg, drei Hochstifte, 36 Prälaten, 35 Reichsstädte sowie 35 Grafen und Herren, während der fränkische sich aus den drei Hochstiften, dem Deutschmeister des Deutschen Ordens, den Komturen der Ballei Franken, acht weltlichen Fürsten, zwölf Grafen und Herren sowie fünf Reichsstädten zusammensetzte. Darüber hinaus existierten die nicht inkorporierten Reichsritterschaften, die wiederum in Kantonen zusammengeschlossen waren.»Der Ritterkanton war rechtlich wie politisch die entscheidende Ebene der reichsritterschaftlichen Korporation.« Er war sowohl ein Personen- als auch ein Güterverband, und die sechs Kantone Altmühl, Baunach, Gebürg, Odenwald, Rhön-Werra und Steigerwald bildeten den Fränkischen Ritterkreis, der sich der konfessionspolitischen Neutralität verpflichtet war, jedoch eine evangelische Grundprägung hatte. Klaus Rupprecht: Reichsritterschaft, Kanton Gebirg, publiziert am 14.03.2016. In: Historisches Lexikon Bayerns. URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reichsritterschaft,_Kanton_Gebirg (9.06.2022). Vgl. allg. Winfried Dotzauer: Die deutschen Reichskreise (1383–1806). Geschichte und Aktenedition. Stuttgart 1998; Reichskreis und Territorium. Die Herrschaft über die Herrschaft? Supraterritoriale Tendenzen in Politik, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein Vergleich süddeutscher Reichskreise. Hg. von Wolfgang Wüst. Stuttgart 2.000 (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsstelle Augsburg der Kommission für Bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Reihe 7: Augsburger Beiträge zur Landesgeschichte Bayerisch-Schwabens; 7). Die in diesen Kreisen zusammengefassten Herrschaften waren wiederum keine geschlossenen Territorien, sondern verfügten über zahlreiche Ex- und Enklaven, die aufgrund ihrer Nähe zu den territorialen und konfessionellen Grenzen den Obrigkeiten zahlreiche Möglichkeiten lokaler und territorialer Einflussnahme eröffneten. Zugleich waren sie selbst von Ex- und Enklaven durchzogen.Christophe Duhamelle: »Drinnen und draußen«. Raum und Identität der Exklave im Alten Reich nach dem Westfälischen Frieden. In: Trivium [Online], 14 | 2013, online erschienen am 16 September 2013. URL: http://journals.openedition.org/trivium/4630; DOI: https://doi.org/10.4000/trivium.4630 (09.09.2022). Nach Christophe Duhamelle botdie räumliche Nähe einer Fremde, die so wenig fremd war wie das Nachbarterritorium, zahlreiche Möglichkeiten. Man konnte fliehen (wobei der Begriff durchaus übertrieben ist, führte die »Flucht« in der Regel doch nur in die unmittelbare Nachbarschaft) oder die Leistungen des anderen in Anspruch nehmen, wenn die örtliche Obrigkeit zu streng in ihren Anforderungen war bzw. nicht zur Genüge auf die Forderungen der Bevölkerung einging. Gleichzeitig begünstigten die Entfernung vom politischen Zentrum und vor allem die räumliche Isolation eine hohe lokale Autonomie.Duhamelle, Drinnen und draußen (wie Anm. 15), S. 16.Diese komplexe herrschaftliche Gemengelage prägte nicht nur die Existenzbedingungen der jüdischen Bevölkerung, sondern auch deren Selbstverständnis, das sich nicht mit einem einheitlichen Raum- und Regionsbegriff fassen lässt.Michaela Schmölz-Häberlein: Jüdisches Leben in der Region – eine Einführung. In: Jüdisches Leben in der Region – Herrschaft, Wirtschaft und Gesellschaft im Süden des Alten Reiches. Hg. von Michaela Schmölz-Häberlein. Würzburg 2018 (Stadt und Region in der Vormoderne; 7 / Judentum – Christentum – Islam. Interreligiöse Studien; XVI), S. 9–28, S. 17. Das Beispiel Meyer Levis vermag zu zeigen, wie jüdische Akteure dieses fraktale Reichsgebilde für ihre Zwecke zu nutzen verstanden.Vgl. zum fraktalen Reichsgebilde Falk Bretschneider und Christophe Duhamelle: Fraktalität. Raumgeschichte und soziales Handeln im Alten Reich. In: Zeitschrift für Historische Forschung 43 (2016), H. 4, S. 703–746. Seine Biographie, die stellvertretend für zahlreiche jüdische Lebensläufe im Süden des Reiches steht, verdeutlicht zugleich, wie überregionale Transferprozesse in diesem fraktalen Raum vonstattengingen.Schmölz-Häberlein, Jüdisches Leben (wie Anm. 17), S. 17.Das von Christophe Duhamelle und Falk Bretschneider entwickelte Konzept der Fraktalität des Reiches ermöglicht die Rekonstruktion der »Variablen menschlichen Handelns, die den verschiedenen Formen der Vergesellschaftung eine jeweils spezifische räumliche Gestalt gibt«,Bretschneider/Duhamelle, Fraktalität (wie Anm. 18). und hilft, soziale Logiken zu entschlüsseln, die sich in den räumlichen widerspiegeln. Räumliche Strukturen entwickeln sich also aus den sozialen Interaktionen der Akteure, die wiederum den Raum prägen. Der fraktale Raum des Alten Reichs ist nach Bretschneider und Duhamelle ein maßgeblich durch Strukturanalogie und Selbstähnlichkeit geprägtes Mehrebenensystem, das historischen Akteuren flexibles Agieren zwischen den diversen Ebenen ermöglicht.Bretschneider/Duhamelle, Fraktalität (wie Anm. 18), S. 715. Nicht zuletzt jüdischen Individuen ermöglichte dies zusätzliche Handlungsoptionen. Die Verbindung der räumlichen Ausprägung mit den sozialen Praktiken jüdischer Akteure, deren Nutzung der politischen und sozialen Ordnungen und die Ausformung und Resilienz jüdischer Netzwerke sollen im Folgenden am Beispiel der Zedaka,Johannes Heil: »Zedaka« – Mehr als nur Geben. In: Juden. Geld. Eine Vorstellung. Hg. von Fritz Backhaus, Raphael Gros und Liliane Weissberg. Frankfurt a. M., New York 2013, S. 233–329. der jüdischen Form der Wohltätigkeit, sichtbar gemacht werden.Nach einem kurzen Überblick über den Forschungsstand und die Überlieferungslage wird die Spendenbereitschaft der jüdischen Minderheit für Glaubensgenossen, aber auch gegenüber Christen dargestellt. Anschließend werden dokumentierte Fälle jüdischer Stiftungen im fränkischen Raum genauer in den Blick genommen. Danach wird Meyer Levis Biographie rekonstruiert und sein stifterisches Engagement vergleichend mit dem seiner Glaubensgenossen betrachtet. Abschließend wird der Versuch unternommen, das Phänomen Zedaka mit den Konzepten der ÄhnlichkeitÄhnlichkeit. Ein kulturtheoretisches Paradigma. Hg. von Anil Bhatti und Dorothee Kimmich. Konstanz 2015; Dorothee Kimmich: Ähnlichkeit – ein kulturtheoretisches Paradigma? Bemerkungen zu einer veränderten Sicht auf die Ordnung der Dinge. In: Lendemains – Études comparées sur la France 44 (2019), Nr. 173, S. 6–19. und der Fraktalität zu verbinden.1Forschungs- und QuellenüberblickDie Verpflichtung zur Zedaka (Gerechtigkeit) gegenüber Dritten stellt ein ethisches Prinzip (Tikun Olam) dar, das im Judentum eine große Rolle spielt. Männer und Frauen sind verpflichtet, von denjenigen Gütern, die Gott ihnen anvertraut hat, im Sinne der Wohltätigkeit regelmäßig zu geben und mit anderen zu teilen.Alyssa M. Gray: Zedaka. In: Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Hg. von Dan Diner. Bd. 6, Ta–Z. Stuttgart, Weimar 2015, S. 503–507. Elisabeth Kraus: Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition sowie innerjüdische Praxis in Deutschland seit dem Mittelalter. In: Stiftungen zwischen Politik und Wirtschaft: Geschichte und Gegenwart im Dialog. Hg. von Sitta von Reden. Berlin u. a. 2015 (Historische Zeitschrift. Beiheft; NF 66), S. 73–93, hier S. 74. Unschuldig in Not geratenen Menschen sollte geholfen werden, langfristig auf eigenen Füßen zu stehen. Aber auch Investitionen in die gemeindliche Infrastruktur waren eine Möglichkeit, sich großzügig zu zeigen. Spenden für Synagogenbauten, die Finanzierung der Anlage von Friedhöfen oder Stiftungen sakraler Gegenstände waren insbesondere in der jüdischen Oberschicht weit verbreitet.In den jüdischen Gemeinden des Hochstifts Bamberg manifestierte sich der Zedaka-Gedanke in einer beträchtlichen Anzahl wohltätiger Stiftungen, die als gelebter Glaube verstanden wurden und den von Gott geschenkten Überfluss an die Gemeinde zurückgeben sollten.Dazu auch Kraus, Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition (wie Anm. 24), S. 75–82. Christlichen wie jüdischen Stiftungen ist gemein, dass die zu Lebzeiten erworbenen Güter zum Wohle der Gesellschaft verwendet werden sollten. Der Bamberger Bischof Johann Gottfried von Aschhausen stiftete 1622 beispielsweise 3.000 Gulden für die Ausbildung armer Bamberger Bürgersöhne und Aussteuer von Bürgertöchtern.Andrea Herold: Die Aschhausenstiftung für Bamberger Bürgersöhne und -töchter im 18. Jahrhundert. In: Stiftungen, Fürsorge und Kreditwesen im frühneuzeitlichen Bamberg. Hg. von Mark Häberlein und Michaela Schmölz-Häberlein. Bamberg 2015 (Bamberger Historisch Studien; 13), S. 91–136. Zu den Empfängern außerhalb der Stifterintention, ebd., S. 133–135. Im 18. Jahrhundert wurden daher zahlreiche FamilienstiftungenBei Familienstiftungen stehen die Begünstigten (Destinatäre) in einem familiären bzw. verwandtschaftlichen Zusammenhang mit dem Stifter; ihr Ziel ist nicht gemeinnützig. zur Ausstattung armer Bräute und zur Unterstützung junger Männer beim Studium errichtet.Debra Kaplan: The Patrons and Their Poor: Jewish Community and Public Charity in Early Modern Germany. Philadelphia 2020, S. 27–47. Vgl. zur sephardischen Gemeinde Tirtsha Levie Bernfeld: Poverty and Welfare among the Portuguese Jews in Early Modern Amsterdam. Oxford 2012, S. 152–186. Aber auch Legate an Synagogen und Beerdigungsbruderschaften (Chevra Kadischa), die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts in Aschkenas üblich wurden,Rainer Barzen: »Was der Arme benötigt, bist du verpflichtet zu geben«. Forschungsansätze zur Armenfürsorge in Aschkenas im hohen und späten Mittelalter. In: Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Juden. Fragen und Einschätzungen. Hg. von Michael Toch. München 2008 (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien; 71), S. 139–152, S. 144; Fritz Baer: Der Ursprung der Chewra. In: Zeitschrift für jüdische Wohlfahrtspflege 1 (1929), S. 241–347, hier S. 243 f. waren nicht selten, und die auf diesem Wege entstehenden Einrichtungen waren christlichen Institutionen der Sozialfürsorge nicht unähnlich.Auch Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 4 f. Die Unterstützung christlicher Einrichtungen sowie bedürftiger Christen waren ebenfalls signifikant, da Spenden den persönlichen Reichtum einzelner jüdischer Menschen nach außen demonstriertenBarbara Staudinger: Von Armenfürsorge und Stiftungen. Wohltätigkeit des süddeutschen Judentums. In: Stiften gehen! Wie man aus Not eine Tugend macht. Hg. von Heidrun Lange-Krach. Regensburg 2021, S. 74–81, S. 80. und so deren Rolle in der Gesellschaft sichtbar machten. Stiftungen dienten auf diesem Wege der ideellen und sozialen Existenz der Gemeinde und trugen überdies dazu bei, die Erinnerung an die meist wohlhabenden Stifter wach zu halten.Vgl. hierzu Rotraud Ries: Individualisierung im Spannungsfeld differenter Kulturen: Positionsbestimmungen und experimentelle Neudefinitionen in der jüdischen Minderheit. In: Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit: Individualisierungsweisen in interdisziplinärer Perspektive. Hg. von Kaspar von Greyerz. München 2007, S. 79–112, hier S. 108; Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28).Während die finanzielle Unterstützung christlicher Bedürftiger bereits von den Zeitgenossen ausführlich kommentiert wurde, sind innerjüdische Stiftungen nach dem Mittelalter und vor dem 19. Jahrhundert wenig beachtet worden.Siehe besonders die Aufsatzsammlung Jüdische Wohlfahrtsstiftungen. Initiativen jüdischer Stifterinnen und Stifter zwischen Wohltätigkeit und sozialer Reform. Hg. von Andreas Ludwig und Kurt Schilde. Frankfurt a. M. 2010. Zu Bamberg vgl. Wolfgang F. Reddig: Fürsorge und Stiftungen in Bamberg im 19. und 20. Jahrhundert. Bamberg 2013 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg; 16). Zu den jüdischen Stiftungen siehe besonders S. 155 f., 190–195, 214–216, 232 f., 375, 386, 388, 431, 433, 441, 453, 485–487, 489, 525. Nach Ansicht einiger modernen Autoren seien »sozial-karitative Stiftungen erst nach der Beseitigung der Gefahr der Vertreibung und mit Verbesserung des Rechtschutzes der Gemeinden in nennenswerter Zahl errichtet« worden.Kraus, Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition (wie Anm. 24), S. 90. Dieser Einschätzung widersprechen allerdings die Forschungen zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Zedaka, die besonders deren Ähnlichkeiten mit christlichen Einrichtungen der Sozialfürsorge betonen.Martha Keil: »Denn Zedaka rettet vor dem Tod …« – Gerechte Wohltätigkeit und Armenfürsorge im Mittelalter. In: Zedaka (hebr. Gerechtigkeit). Jüdische Wohlfahrt und Armenfürsorge bis 1938. Hg. vom Institut für jüdische Geschichte Österreichs und Sabine Hödl. St. Pölten 2020 (Juden in Mitteleuropa; 2020), S. 2–8: Barzen, Forschungsansätze (wie Anm. 29); Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28).Informationen über jüdische Stiftungen sind in staatlichen Archiven des Untersuchungsraums nur deswegen überliefert, weil das neugeschaffene Königreich Bayern 1807 eine Verwaltungsreform in Angriff nahm, die u. a. dazu diente, die im Rahmen der Säkularisierung und Mediatisierung neu erworbenen Gebiete in den Staatsverband zu integrieren. Verbunden damit war eine umfassende Neuorganisation des Schulwesens und der sozialen Einrichtungen. Hierin begriffen war auch das Stiftungswesen, dessen zweckgebundene Mittel man künftig zielgerichteter einzusetzen gedachte. 57 bayerische Stiftungsadministrationen sollten ab 1808 das vielfältige private Stiftungswesen neu organisieren. Bereits 1817 wurde die Verantwortung jedoch wieder auf die einzelnen Stiftungen rückübertragen.Diese hatten ihren Sitz in Bamberg, Bayreuth, Ebrach, Forchheim, Kronach, Kulmbach, Lichtenfels, Pegnitz und Scheßlitz (Hollfeld). »Besondere Stiftungsadministrationen« für Wohltätigkeit sowie für Unterricht und Kultus in der Stadt Bamberg kamen hinzu. »Eine angemessene Überlieferung gibt es heute leider nur noch von jenen Ämtern, die vor Ort Nachfolgebehörden fanden. Die Mehrzahl der örtlichen Stiftungen (und damit auch die Unterlagen) ging bei der großen Reform 1817 in die Hände der Kommunen oder der Kirchenverwaltungen über, andere existierten als selbstständige Stiftung fort. Als staatlich geführte Stiftungsadministrationen erhalten blieben bis zur Inflation 1923 allein die Administration der allgemeinen Stiftungen zu Bayreuth, die Administration der unmittelbaren Stiftungen zu Bamberg und die Hospitalstiftungsadministration Scheßlitz. Ihr Bestand umfasst heute im Staatsarchiv Bamberg mehrere tausend Archivalieneinheiten.« Vgl. dazu ausführlich die Erläuterungen zu Stiftungen auf der Seite des Staatsarchivs Bamberg. URL: https://www.gda.bayern.de/bamberg/bestaende/bestaende-des-19-und-20-jahrhunderts/innere-verwaltung/stiftungen/. Dazu auch Bayerische Stiftungsadministration URL: https://www.hdbg.eu/koenigreich/index.php/objekte/index/id/114. Elisabeth Kraus: Stiftungen (19./20. Jahrhundert), publiziert am 07.08.2012. In: Historisches Lexikon Bayerns. URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Stiftungen (19./20. Jahrhundert) (13.10.2022). Wenige Jahre später ließ der bayerische Staat eine Bestandsaufnahme der jüdischen Stiftungen erstellen. In diesen Akten haben sich diverse Testamente und Verfügungen aus dem 18. Jahrhundert erhalten, deren Ziel es war, am Todestag des Stifters die Armen zu beschenken, jungen Männern ein Thorastudium und armen Bräuten eine Aussteuer zu ermöglichen.Patricia Stahl: Jüdische Wohlfahrtspflege in Frankfurt am Main vom 15. bis zum 19. Jahrhundert. In: Zedaka. Jüdische Sozialarbeit im Wandel der Zeit. 75 Jahre Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland 1917–1992. Hg. von Jüdisches Museum Frankfurt am Main. Frankfurt a. M. 1992, S. 58–64, S. 60; Kraus, Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition (wie Anm. 24), S. 90. Zur Bedeutung der Aussteuerstiftungen, Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 37 f. Schenkungen an christliche Einrichtungen und Personen sind fast ausschließlich in amtlichen christlichen Quellen fassbar.2Jüdische Spenden an Glaubensgenossen und christliche InstitutionenDer Gedanke der Zedaka schließt Angehörige anderer Religionen ausdrücklich mit ein. Daher finden sich häufig finanzielle Zuwendungen von Mitgliedern der jüdischen Minderheit an christliche Gemeinden oder an städtische und kirchliche Einrichtungen, die die Bedeutung der jüdischen Minderheit für das Gemeinwesen unterstreichen.Kraus, Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition (wie Anm. 24), S. 76. Damit ist die These zu widerlegen, dass die »jüdische Wohltätigkeit […] die Grenzen zur christlichen Umwelt« erst im 19. Jahrhundert überwandt. Werner Friedrich Kümmel: »Säulen der Wohltätigkeit«. Jüdische Stiftungen und Stifter in Frankfurt am Main. In: Medizinhistorisches Journal 28/2/3 (1993), S. 275–287, hier S. 277 (Zitat), 278.Vgl. zu Stiftungen und Testamenten im Judentum allgemein Monika Preuß: Jüdische Gelehrte. Lernen als Frömmigkeitsideal in der Frühen Neuzeit. Göttingen 2007 (Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden; 31), S. 31–51; Gaby Zürn: Die Altonaer jüdische Gemeinde (1611–1873): Ritus und soziale Institutionen des Todes im Wandel. Münster 2001 (Veröffentlichungen des Hamburger Arbeitskreises für Regionalgeschichte; 8), S. 229. Seit dem 16. Jahrhundert wurde die Versorgung der Armen und die Formen der Wohltätigkeit sowohl in den christlichen als auch in den jüdischen Gemeinden immer wieder neu organisiert.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 33; dies.: »The Poor of Your City Come First«. Jewish Ritual and the Itinerant Poor in Early Modern Germany. In: Connecting Histories. Jews and Their Others in Early Modern Europe. Hg. von David B. Ruderman und Francesca Bregoli. Philadelphia 2019, S. 36–48; Thomas May Safely: Reformation of Charity. The Secular and the Religious in Early Modern Poor Relief. Leiden 2003; Mary Lindemann: Patriots and Paupers. Hamburg 1712–1830. Oxford 1990; Robert Jütte: Obrigkeitliche Armenfürsorge in deutschen Reichsstädten der frühen Neuzeit. Städtisches Armenwesen in Frankfurt am Main und Köln. Köln 1984 (Kölner Historische Abhandlungen; 31). Steuern als auch Spenden waren unter der christlichen Gemeinde als auch unter der Judenschaft zentral für den »gemeinen Nutzen«Winfried Schulze: Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. Über den Normenwandel in der städtischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit. In: Historische Zeitschrift 243 (1986), S. 591–626; Paul Münch: Grundwerte der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft? Aufriß einer vernachlässigten Thematik. In: Ständische Gesellschaft und Mobilität. Hg. von Winfried Schulze. München 1988 (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien; 12), S. 53–72. und die Unterscheidung zwischen diesen Formen war in der Frühen Neuzeit nicht genau definiert. Hinzu kam, dass Strafgelder ebenfalls für wohltätige Zwecke verwendet wurden.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 48. Dass die Mitglieder der Gemeinde sich für das Gemeinwohl einsetzten, wurde notfalls auch mit Zwang durchgesetzt.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 49. In diesen Bereich mehr oder weniger freiwilliger Beiträge jüdischer Familien der Oberschicht für die christlichen Mehrheitsgesellschaft fallen die folgenden Beispiele.Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn forderte am 29. April 1736 die Fürther Handelsgesellschaft Zacharias Fränkel selig ErbenErste Ergebnisse zur Firma Zacharias Fränkel bei Michaela Schmölz-Häberlein: Jüdische Handelshäuser als Kriegsfinanciers und Armeelieferanten zwischen Pfälzischem Erbfolgekrieg (1688–1697) und Österreichischem Erbfolgekrieg (1740–1748): Das Beispiel der Fürther Fränkel-Gesellschaften. In: Juden und Krieg in der Frühen Neuzeit. Akteure, Erfahrungen, Strukturwandel. Hg. von Martha Keil, Peter Rauscher und Sabine Ullmann. Wiesbaden 2022 (Forschungen zur Geschichte der Juden; 33), S. 191–228. auf, anlässlich des Neubaus des Bamberger Priesterseminars zu Beginn der 1730er Jahre 5.000 Reichstaler an den Baumeister Balthasar Neumann auszuzahlen und Kapital sowie Zinsen als eine zur gemeinsamen Wohlfahrt erforderliche Sach in aufrechnung zu bringen.Siegfried Hänle: Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach. Ansbach 1867, S. 85; Adolf Eckstein: Neue Beiträge zur Geschichte der Juden in Bamberg. In: Bayerische Israelitische Gemeindezeitung, 7.1.1927, S. 8–11. Handelte es sich hier um eine einmalige Abgabe, die der jüdischen Minderheit unter dem Schutz des Bamberger Bischofs unter dem Signum des Gemeinwohls auferlegt wurde, scheinen andere Zuwendungen freiwillig erfolgt zu sein. Der Bamberger Hoffaktor Wolf Nathan Heym (PID 941) (gest. 1740)Bisher war man davon ausgegangen, dass es sich bei den Bamberger Juden Wolf Nathan und Wolf Nathan Heym um zwei verschiedene Persönlichkeiten handelte. Im Rahmen der Erhebung für die Datenbank zu diesem DFG Projekt muss man davon ausgehen, dass es ein und dieselbe Person ist. Vgl. zu ihm Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 33, 70, 83, 104 f., 107–110, 182, 191, 230 f., ein Geschäftspartner der Fränkels, der mit Jentel (PID 989), einer Tochter Samson Salomons aus Baiersdorf (PID 953) verheiratet war, spendete für die Vollendung des Priesterseminars zwischen 1730 und 1738 beträchtliche Summen.Heinrich Schnee: Die Hoffinanz und der moderne Staat, 6 Bde. Berlin 1953–1955, hier Bd. 4, S. 37. Wolf Nathan erlegte für den Bau des Seminargebäudes laut den Baurechnungen des Jahres 1736/37 am 16. Juni 1736 die Summe von 1.600 Gulden, am 29. Juni erneut 2.000 Gulden und 1737 38.800 Gulden. Nikolaus Haas: Geschichte der Pfarrei St. Martin zu Bamberg und sämmtlicher milden Stiftungen der Stadt. Bamberg 1845, S. 227. Dies ist ein immer wiederkehrendes Phänomen. So stiftete Adam Isaak Arnsteiner in Wien 1785 1.000 Gulden für das christliche Armeninstitut. Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 80. Er zählte zu den bedeutenden Persönlichkeiten innerhalb der jüdischen Gemeinde Bambergs im frühen 18. Jahrhundert und war Mitglied der örtlichen Begräbnisbruderschaft (Chevra Kadischa). Dass einer seiner Söhne 1733 zum Katholizismus übergetreten ist, dürfte dabei allenfalls eine geringe Rolle gespielt haben.Zu seinem Sohn Marquard Treu vgl. Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 230 f. Die Muster der Wohltätigkeit spiegeln die Werte und Wahrnehmungen sowie die finanziellen Möglichkeiten von Spendern und Empfängern wider. Debra Kaplan betont dementsprechend »the dynamics of power that existed between and among those who gave and those who received«.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 3. Wohlhabende jüdische Familien positionierten sich hier durch ihre demonstrativ zur Schau gestellte Großzügigkeit als Wohltäter der christlichen Mehrheitsgesellschaft des Hochstifts.Für Juden in Süddeutschland wie in ganz Europa war das Leben in der DiasporaZur Diskussion über die jüdische Diaspora und ihre Chancen und Möglichkeiten vgl. Simon Dubnow: Diaspora. In: Encyclopedia of the Social Sciences. Hg. von Seligmann Edwin R. und Alvin Johnson. Bd. 5. New York 1931, S. 129 f. Allgemein Elisa Klapheck: Diaspora. In: Handbuch jüdische Studien. Hg. von Christina von Braun und Micha Brumlik. 2. Aufl. Wien, Köln 2021, S. 83–100. Teil ihres Selbstverständnisses, und die territoriale Kleinkammerung des Heiligen Römischen Reiches bot ihnen zahlreiche Migrations- und Ansiedlungsoptionen. Bezeichnenderweise befanden sich die Zielorte vertriebener Jüdinnen und Juden häufig in Räumen mit überlappenden Herrschaftsrechten, die Spielräume für Verhandlungen mit den jeweiligen lokalen Obrigkeiten boten. So führte die Ausweisung der Juden aus Wien im Jahre 1670 zu Niederlassungen in den Siebengemeinden im Burgenland, in Brandenburg (insbesondere in der Residenzstadt Berlin) sowie in Franken, allen voran im als »fränkisches Jerusalem« bezeichneten Fürth.Peter Rauscher: »Auf der Schipp«. Ursachen und Folgen der Ausweisung der Wiener Juden 1670. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 16/2 (2008), S. 421–438; Magnus Weinberg: Die hebräischen Druckereien in Sulzbach (1669–1851). Ihre Geschichte, ihre Drucke, ihr Personal. Frankfurt a M. 1904, S. 24; David Kaufmann: Die letzte Vertreibung der Juden aus Wien und Niederösterreich. Ihre Vorgeschichte (1625–1670) und ihre Opfer. Wien 1889, S. 166. Zum Begriff »fränkisches Jerusalem« vgl. Johann-Georg Gollner, Benjamin Herrmann und Sören Knodt: »Fürth – das fränkische Jerusalem? Zur Erfindung jüdischer Geschichte«. Eine Intervention des Jüdischen Museums Franken in den städtischen Diskurs. In: Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft Band 63/64 (2017/2018), S. 25–34. Von der Abwanderung der Juden in Burgellern nach 1699 profitierte das knapp 25 Kilometer entfernte Aufseß, wo der evangelische Reichsritter Carl Heinrich von Aufseß wiederholt Ansiedlungsmöglichkeiten für jüdische Familien schuf.Eckstein, Fürstbistum Bamberg (wie Anm. 4), S. 118. Es ist nicht klar, ob diese ausgewiesen wurden oder sich eher freiwillig nach den Ereignissen von 1699 nach Aufseß aufmachten, um die Möglichkeiten der nahen Ferne zu nutzen. Als die österreichische Erzherzogin und ungarische Königin Maria Theresia (1717–1780) 1744 die Juden aus Böhmen ausweisen ließ, bot sein Sohn Christoph Ludwig von Aufseß vier vermögenden jüdischen Familien den Aufenthalt in seiner Reichsritterschaft an.Eckstein, Fürstbistum Bamberg (wie Anm. 4), S. 119 f. Zur Vertreibung Stefan Plaggenborg: Maria Theresia und die Böhmischen Juden. In: Bohemia 39 (1998), S. 1–16. Dabei griffen die Vertriebenen auf persönliche Netzwerke zurückNach der Vertreibung der Juden aus Wien haben sich zahlreiche Familien in Franken angesiedelt. und nutzten geschickt die Möglichkeiten, die die Struktur des Heiligen Römischen Reiches bot. Jüdinnen und Juden zeigten aber auch Solidarität mit christlichen Vertriebenen.Die Ausweisung von Angehörigen der evangelischen Religion aus dem Erzstift Salzburg und der Fürstpropstei Berchtesgaden im Oktober 1731 wurde von der protestantischen Publizistik zu einem Medienereignis gemacht, das auch die Aufmerksamkeit von Jüdinnen und Juden fand. Rund 20.000 Salzburger Protestanten verließen ihre Heimat und zogen durch die protestantischen Regionen Süddeutschlands nach Preußen. In der von dem lutherischen Pfarrer Gerhard Göcking (1705–1755) veröffentlichten Chronik der Ereignisse wird auch die jüdische Zedaka für die Salzburger Exulanten erwähnt. Göcking betonte, dass die Juden den Glaubens=Helden an vielen Orten Liebe erwiesen, fast in keinem eintzigen aber ihnen das geringste Leyd zugefüget hätten.Gerhard Gottlieb Günther Göcking: Vollkommene Emigrations-Geschichte Von denen Aus dem Ertz-Bißthum Saltzburg vertriebenen Und größtentheils nach Preussen gegangenen Lutheranern: In sich haltend Eine genaue Beschreibung so wohl des Ertz-Bißthums Saltzburg als auch des Königreiches Preussen und die besonders hieher gehörige Geschichte voriger und jetziger Zeiten. In sich haltend Eine genaue Beschreibung des Königreichs Preussen Und die besonders hierher gehörige Geschichte voriger und jetziger Zeiten, 2 Bde. Leipzig 1734 und 1737, hier Bd. 1, S. 562; Wolfgang Splitter: »Wir bitten euch, dieses Geld anzunehmen«. Jüdische Hilfe für die Salzburger und Berchtesgadener Emigranten 1732/33. In: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 63 (2011), Nr. 4, S. 332–347, S. 342.Fast nirgends, so Göcking weiter, habe sich ein Jude gefunden, der diese Betrübten noch weiter betrübet hätte.Göcking, Vollkommene Emigrations-Geschichte (wie Anm. 54), Bd. 1, S. 211. Denn allenthalben, wo Juden wohnten, erwiesen sie diesen Flüchtlingen alles Liebe.Göcking, Vollkommene Emigrations-Geschichte (wie Anm. 54), Bd. 1, S. 212. – Hingegen hätten katholische Pfarrer verhindert, dass ihre Gemeindemitglieder die durchwandernden Salzburger unterstützten. Im konfessionell fragmentierten schwäbischen Raum, der von vielfältigen Grenzen durchzogen war, hätten sich die Angehörigen der jüdischen Minderheit als großzügig gegenüber den Exulanten erwiesen und würden damit die Katholiken beschämen.Göcking, Vollkommene Emigrations-Geschichte (wie Anm. 54), Bd. 1, S. 557. Splitter, »Wir bitten euch, dieses Geld anzunehmen« (wie Anm. 54), S. 336.Auf ihrer Reise durch Franken wurden die Salzburger ebenfalls von evangelischen Christen wie jüdischen Einwohnern unterstützt, im Februar 1732 beispielsweise in der brandenburgisch-ansbachischen Amtsstadt Schwabach,Johann Wolfgang Petzoldt: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach mit kurzer Bezeichnung des Lebens und Wirkens ihrer Regenten vom Ursprunge der Stadt bis auf die neueste Zeit. Schwabach 1854, S. 288 f. wo bereits 1686 Hugenotten aus Frankreich Zuflucht gefunden hatten. Auch an weiteren Stationen dieses Exodus zeigte man sich großzügig. In Fürth soll ein nicht namentlich genannter Jude über hundert Gulden gespendet haben,Göcking, Vollkommene Emigrations-Geschichte (wie Anm. 54), Bd. 2, S. 501. und ein in der Nähe der Residenzstadt Coburg wohnender Jude habeam 21. Juni 1732, als man vor die Saltzburger Burger eine Collecte sammlete, zwey Gulden aufs Rath Haus [geschickt], mit dieser Uberschrifft: Standhafften, armen vertriebenen Leuten ein klein Präsent. Deßgleichen thaten auch eben dahmals die Würtzburgischen und Bambergischen Juden, welche durch Coburgische Bürger etliche Gulden und Thaler überreichen liessen.Göcking, Vollkommene Emigrations-Geschichte (wie Anm. 54), Bd. 1, S. 211 f. Weitere Beispiele bei Splitter, »Wir bitten euch, dieses Geld anzunehmen« (wie Anm. 54), S. 336–340.In ihrer Bereitschaft zur Unterstützung religiös Verfolgter waren sich evangelische und jüdische Einwohner süddeutscher Territorien offenkundig einig.Die unter katholischer Schutzherrschaft stehenden Juden stellten sich in diesem Fall auf die Seite der Ausgewiesenen, selbst wenn sich ihre Obrigkeiten solidarisch mit dem Salzburger Erzbischof erklärten. Der Chronist Göcking betonte auch, dass die Juden die Exulanten nach ihrem Vermögen unterstützt hätten: Der Banquier von der Jüdischen Nation zu Nimwegen, Benedict Levi Gompertz [(PID 524)], erzeigete ihnen nicht nur alle Freundschafft, sondern theilete zwölfhundert Gulden unter sie aus, welche er auf Rechnung vieler Personen angenommen hatte.Göcking, Vollkommene Emigrations-Geschichte (wie Anm. 54), Bd. 2, S. 501. Die Unterstützung dieser Vertriebenen ermöglichte ihnen die Weiterreise nach Preußisch-Litauen, wo ihnen König Friedrich Wilhelm I. (1688–1740) im Rahmen seiner Peuplierungspolitik vakante Bauernstellen angeboten hatte.Vgl. dazu Mack Walker: The Salzburg Transaction. Expulsion and Redemption in Eighteenth Century Germany. Ithaca/NY 1992. Mit der finanziellen Unterstützung dieser Gruppe war somit nach jüdischem Verständnis die höchste Stufe der Mildtätigkeit gemäß dem großen spanischen Gelehrten des Mittelalters Maimonides (1135/8–1204) erreicht, da es den Beschenkten am Zielort ermöglicht wurde, ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten.Kraus, Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition (wie Anm. 24), S. 80 f. Gleichzeitig zeigte man sich solidarisch mit einer Gruppe Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden – eine Erfahrung, die Juden und Salzburger teilten. Zudem adaptierte man durch die Unterstützung migrierender Personen Praktiken des jüdischen Plettenwesens und damit eine Form der Unterstützung Fremder, die persönlich um Hilfe baten. Diese Berechtigungsscheine ermöglichten wandernden Juden, die ein Leumundszeugnis mit sich führten, die Versorgung durch die Gemeinde, die auf ihrem Weg lagen.Vgl. dazu jüngst Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 38–40, 113–117. Dies konnte für die betroffenen Kommunen durchaus eine hohe finanzielle Belastung darstellen,Vgl. hierzu zeitgenössisch Joseph Isaak: Authentische Berechnung, was eine Judengemeinde von 26 Haushalten (im Reichsdorfe Gochsheim) jährlich zum Unterhalt der bettelnden Glaubensgenossen beytragen muß. In: Journal von und für Franken 1 (1790), S. 435–446; Schmölz-Häberlein, Zeckendorf und Demmelsdorf (wie Anm. 2), S. 280. war jedoch eine »gute Tat im Hier und Jetzt, die diesseitige Verantwortung des Einzelnen«.Kraus, Jüdische Wohltätigkeit in Religion und Tradition (wie Anm. 24), S. 78.Dass die jüdische Wohltätigkeit gegenüber Vertriebenen gerade in evangelischen Schriften hervorgehoben wird, hat zum einen mit der zu dieser Zeit einsetzenden pietistischen Judenmission zu tun,Christoph Rymatzki: Hallischer Pietismus und Judenmission. Johann Heinrich Callenbergs Institutum Judaicum und dessen Freundeskreis (1728–1736). Tübingen 2004 (Hallesche Forschungen; 11).Wolfgang Splitter betont, dass die Unterstützung der Migranten eine Chance gewesen sei, »eindrücklicher darzulegen, dass es […] nicht zum Schaden der Obrigkeit und des ganzen Landes war, ihre dauerhafte Anwesenheit zu dulden und ihr eine gesicherte Existenz zu gewährleisten.« Splitter, »Wir bitten euch, dieses Geld anzunehmen« (wie Anm. 54), S. 347. Er betont ferner, dass die »Forschung bis heute nicht die zeitgenössischen Berichte über die vielfältige Hilfe von Juden für die Exulanten rezipiert« habe. Ebd., S. 333. die auf millenaristische Erwartungen rekurrierte. Mitarbeiter von Johann Heinrich Callenbergs (1694–1760) »Institutum Judaicum et Muhammedicum« in Halle, einer von 1728 bis 1792 aktiven, stark pietistisch geprägten Einrichtung, deren vorrangiges Ziel die Missionierung der jüdischen Bevölkerung in Europa war,Rymatzki, Hallischer Pietismus (wie Anm. 67). besuchten auf ihren Missionsreisen jüdische Familien, um mit ihnen die Heilserwartung zu diskutieren. Der Missionar Johann Georg Wiedmann (1696–1753) schilderte einen Besuch im Hause des Bamberger Hoffaktors Menasse Marx (PID 792) (gest. 1742) am letzten Sabbat des Jahres 1731. Dieser gehörte zu den bedeutenden jüdischen Persönlichkeiten Bambergs, deren familiäre Netzwerke sich überregional erstreckten und der in seinem Haus eine Jeschiwa unterhielt.Vgl. zu ihm und seiner Familie Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 107–115. Wiedmann nahm dort an der gemeinsamen Mahlzeit teil, und eine anwesende Frau (vermutlich Menasse Marx’ Ehefrau Schöne Heym (PID 7706)) griff nach dem weißen Brodt, um ihm zedekah [zu] geben.Archiv der Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale (=AFSt), H K 50, Tagebuch von Johann Georg Widmann, Bamberg, den 29.12.1731, fol. 294. Das Teilen des Brotes bildete die gemeinsame religiöse Basis für jüdischen Gastgeber und christlichen Gast.3Stiftungen von Mitgliedern der Bamberger LandjudenschaftAuch wenn Zedaka der christlichen Mehrheitsgesellschaft im Allgemeinen oder protestantischen Flüchtlingen im Besonderen zugutekommen konnte, stand selbstverständlich die jüdische Gemeinschaft im Zentrum dieser Form der Wohltätigkeit. Während das Plettenwesen, die Versorgung durchwandernder Personen, von der jüdischen Gemeinde als Korporation getragen wurde, waren Stiftungen oder große Zuwendungen individuelle Leistungen vermögender – meist männlicher – Personen,Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 133; Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 75. die den Status ihrer Familie in der Gemeinde damit verbessern und überdies die sozialen Bindungen innerhalb der eigenen Familie sowie dieser Familie an die jüdische Gemeinde festigen wollten.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 2.Wertvolle Objekte wie Teile von Synagogenausstattungen und Ritualgegenstände waren häufig mit Inschriften der Stifter versehenStaudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 75. und dienten deren Memoria. Die erfolgreiche Kauffrau Esther aus Kronach (PID 7601) stiftete 1703 beispielsweise ein Thoraschild, das an den gewaltsamen Tod ihres Mannes erinnern sollte.Christian Porzelt: Esther und ihre Töchter. Geschlechterrollen und Wirtschaftstätigkeit jüdischer Frauen in der Vormoderne. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 31/2 (2021), S. 297–324, hier S. 297; Kaplan konnte nachweisen, dass erfolgreiche Kauffrauen nach dem Tod ihres Mannes als eigenständige Stifterinnen in Erscheinung traten. Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 132. Die Hamburger Geschäftsfrau Glikl bas Juda Leib (PID 967) schenkte der Synagoge in Baiersdorf einen prunkvollen Thoravorhang. In diese Gemeinde hatte um 1700 einer ihrer Söhne, Moses Goldschmidt (PID 968), eingeheiratet.Zur Stiftertätigkeit von Glikl, Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 135 f. Stadt Baiersdorf, URL: https://www.histourisch.de/synagoge.html (09.09.2022). Dessen Schwiegervater Samson Salomon Baiersdorfer (PID 953) (gest. 1712), dessen Familie aus Wien stammte, hatte die 1711 eingeweihte Synagoge finanziert; 1707 hatte er sich bereits am Neubau der Synagoge in Bruck bei Erlangen beteiligt.Barbara Eberhardt und Hans-Christof Haas: Baiersdorf. In: Mehr als Steine … Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 2: Mittelfranken. Hg. von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz. Lindenberg im Allgäu 2010, S. 87–108, hier S. 89–90, 99–100. Zu seiner Rolle in Franken vgl. Michaela Schmölz-Häberlein: Beziehungen und Konflikte zwischen jüdischen Handelsgesellschaften und obrigkeitlichen Akteuren in Franken um 1700. Der Prozess von Samson Salomons Erben und das Markgraftum Brandenburg-Bayreuth. In: »Eigennutz« und »gute Ordnung«. Ökonomisierungen im 17. Jahrhundert. Hg. von Guillaume Garner und Sandra Richter. Wiesbaden 2016 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung; 54), S. 111–131. Im unterfränkischen Mainort Marktbreit, der unter der Herrschaft der Fürsten von Schwarzenberg stand, stifteten der aus Worms stammende Samson Isaak Wertheimer (PID 5771) und seine Frau Krönle (PID 14804) nach dem Synagogenbrand im Jahr 1714 den Neubau samt der Inneneinrichtung und verewigten sich dort durch eine Stiftertafel.Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 80. Derartige Stiftungen sind laut Barbara Staudinger »nicht ausschließlich als religiöser Akt zu verstehen, sondern auch ein Mittel, sich vor der Gemeinde zu positionieren, einen Führungsanspruch zu erheben und sich in die jüdische Geschichte und Kultur« vor Ort einzuschreiben.Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 77; Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 2.Als Spender aufgezeichnet und memoriert zu werden, war ein Kennzeichen für sozialen Status und erwiesene Frömmigkeit.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 133. Dies gilt auch für die sechs Kapitalstiftungen, die aus dem 18. Jahrhundert für das Hochstift Bamberg bekannt sind. In der Residenzstadt wurden fünf davon errichtet, eine weitere in dem Amtsort Burgkunstadt.StABa, K 3, G II, Nr. 12645. Drei dieser sechs Stiftungen stammten aus den 1730er Jahren – einer Zeit, in der die jüdische Gemeinde Bambergs ihre größte ökonomische Bedeutung und überregionale Ausstrahlung vor dem 19. Jahrhundert hatte.Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 99–118, 241 f. Drei weitere wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ins Leben gerufen.Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 119–124, 147–150, 242 f.; Schmölz-Häberlein, Jüdische Stiftungen (wie Anm. 1); StABa, K 3, G II, Nr. 12645. In Testamenten und Stiftungsbriefen legten die Stifter fest, wie ihr Geld angelegt werden sollte. All diesen Beispielen für Zedaka ist gemeinsam, dass die Kapitalerträge teilweise für die schulische Ausbildung jüdischer Kinder (meist aus der näheren oder weiteren Verwandtschaft) verwendet werden sollten; der größte Teil sollte der Aussteuer bedürftiger Frauen zugutekommen oder Männer bei ihrem Studium unterstützen. Damit unterschieden sich die Bamberger Fälle nicht wesentlich von jüdischen Stiftungen, die aus anderen Regionen bekannt sind.Vgl. ausführlich dazu Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28).Tab. 1: Jüdische Stiftungen des 18. JahrhundertsDie Tabelle basiert auf den Angaben in StadtABa, C 2, Nr. 53983 (Jüdische Stiftungen); vgl. Reddig, Jüdische Stiftungen (wie Anm. 7), S. 139 f. sowie in Bezug auf Samuel Michael Hesslein Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 175 f. StABa, K 3, G II, Nr. 12645; »Koppel Henoch’sche Wohltätigkeitsstiftung Burgkunstadt« In: Der Israelit. Ein Centralorgan für das orthodoxe Judentum, H. 29 vom 18. Juli 1907.StifterWohnort(e)SchutzherrGründungszeitpunktSummeWolf Isaak Brillin (PID 991)(1644–1730)BambergHochstift BambergUm 17302.500 GuldenMeyer Levi (PID 881)Pfersee/Zeckendorfvon Aufseß1733237 Gulden 30 KreuzerJoseph Heilbronner(PID 587)FürthDompropsteiUm 17371.000 GuldenSamuel Heym(PID 12080)BambergHochstift BambergUm 1777450 GuldenKoppel Henoch (PID 12449)(gest. 1783)Burgkunstadt?1783–17862.000 GuldenSamuel Michael Hesslein (PID 2837)(1713–1788)BambergHochstift BambergUm 1790Mindestens10.000 Gulden 1784 stiftetet der Kaufmann Koppel Henoch aus Burgkunstadt,Ein Enoch Löw aus Burgkunstadt wird 1730/31 und 1731/32 in den Kronacher Bürgermeisterrechnungen genannt. Er war demnach kein hochstiftischer Jude, da er in Kronach Leibzoll bezahlen musste. Es könnte sich bei ihm um den Vater des Stifters handeln, da der Name Henoch/Enoch in Burgkunstadt selten ist. Stadtarchiv Kronach (= StadtAKc), R I 28 (Bürgermeisterrechnung 1730/31), fol. 14v; ebd., R I 29 (Bürgermeisterrechnung 1731/32), fol. 14v. Als Testamentszeuge fungierte Gottlieb (auch Gondel) Koppel aus Burgkunstadt, der ab 1788 bis inkl. 1797/98 in den Kronacher Zollrechnungen genannt wird. Erstnennung StadtAKc, R I 89 (Bürgermeisterrechnung 1788/89), fol. 17v. Zu den Zollrechnungen vgl. Christian Porzelt: Jüdische Händler in den Amtsstädten des Hochstifts Bamberg im späten 17. und 18. Jahrhundert. In: Annales Mercaturae 7 (2022), S. 81–105. der sich 1756 sowie von 1758 bis 1760 auf den Leipziger Messen nachweisen lässt,Max Freudenthal: Leipziger Messegäste. Die jüdischen Besucher der Leipziger Messen in den Jahren 1675 bis 1764. Frankfurt a. M. 1928 (Schriften der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums; 29), S. 54. 2.000 Gulden, deren jährliche Erträge für eine Vielzahl an sozialen Aufgaben herangezogen werden sollten. Zudem sollte der Zehnt eines seiner Grundstücke in dem Ort Mainroth für wohltätige Zwecke verwendet werden, wie es die Tradition des aschkenasischen Judentums vorsah.Gray, Zedaka (wie Anm. 24), S. 503; Barzen, Forschungsansätze (wie Anm. 29), S. 146. Der Rechtsgelehrte Meir von Rothenburg (gest. 1293) formulierte dies folgendermaßen: Aber auf die Gelder der Zehnten haben die Armen einen Anspruch auf Grund des Brauches, der in der ganzen Diaspora üblich ist. Man darf daher nicht dieselben für andere wohltätige Zwecke einsetzen. Zitiert nach Barzen, ebd. Das Kapital – 1.000 Gulden zu vier Prozent Zinsen und derselbe Betrag zu fünf Prozent – wurde bei der Bamberger Landjudenschaft angelegt. Daraus sollte das Schulgeld für ein armes Kind aus der Freundschaft und ein Stipendium für einen studierenden Jungen, der nicht mit der Familie des Stifters verwandt sein musste, finanziert werden. Ferner wurden arme Bräute aus der Verwandtschaft ausgesteuert und Überschüsse an die Armen verteilt. Außerdem erhielt der Stiftungsverwalter, der Kaufmann Seligmann Koppel Thurnauer (PID 16550) (1749–1825) in Burgkunstadt, eine jährliche Belohnung. Thurnauer war selbst eine angesehene Person in der Gemeinde: Er war mit Rosa (PID 16549), einer Schwester des jüdischen Aufklärers Aaron Halle-Wolfssohn (PID 803), verheiratet, und sein jüngerer Bruder Scheyer Koppel Thurnauer (PID 16551) (geb. 1767) war als Hoffaktor des Grafen Carl Christian Heinrich Ernst von Giech zu Buchau (1763–1818) tätig.Albert Gottlieb Heckscher: Stammtafel Koppel (oder Thurnauer). Kopenhagen 1883, S. 3; Hans Pfreundner: Materialien zur Geschichte der Juden in Burgkunstadt und Umgebung. Burgkunstadt 1989, S. 15 u. 17 (Pass des Grafen von Giech für Scheyer Koppel auf die Leipziger Messe, 1808).Für seine Memoria in der Synagoge stiftete Koppel Henoch eine Gesetzrolle nebst Bekleidung von Silber, auch den Vorhang, mit dem Vorbehalt, daß sie nie und zu keiner Zeit verkauft werden dürfen; vielmehr müsse diese kostbare Ausstattung auf seinen Namen iederzeit in der Synagoge daselbst bleiben. Zudem vermachte er der Gemeinde seinen Gebetsstand mit dem bedüngen, daß jederzeit ein Gelehrter darauf stehen muß, welcher Aufsicht über den Unterhalten des ewigen Lichtes und auf die Gesetzrolle nebst zugehörung haben soll.StABa, K 3, G II, Nr. 12645, Zusammenfassung des Stiftungszwecks. Testament Mai 1783 (27. März 1783/23. Adar 5543), Testament Siron 5544 (14. Juni 1784) – Übereinkunft mit der Bamberger Landjudenschaft 2. Hesurum 5546 (1786). Vgl. zu Memoria: Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 2, 6, 134. Die zehn Männer, die während des Trauerjahres täglich früh und abends für ihn beteten und so die Erinnerung an ihn aufrechterhielten, wurden mit jeweils fünf Gulden belohnt. In den folgenden Jahren sollten 25 Gulden für das Öl zum ewigen Licht (Ner Tamid), das sich vor dem Toraschrein befindet und an die ständige Präsenz Gottes erinnern soll, verwendet werden. Diese Zuwendung wurde als verdienstvolle Tat (Mitzwa) angesehen. Die übrigen 25 Gulden sollten an arme Gelehrte sowie an diejenigen Armen, die an Koppel Henochs Todestag beteten, verteilt werden.StABa, K 3, G II, Nr. 12645, Zusammenfassung des Stiftungszwecks. Testament Mai 1783 (23. Adar 5543), Testament Siron 5544 (14. Juni 1784) – Übereinkunft mit der Bamberger Landjudenschaft 2. Hesurum 5546 (1786). Neben der Regelung der Stiftungen wird auch der weitere Nachlass geregelt.Um den Stiftungszweck zu erfüllen, musste Kapital gegen Zins verliehen werden. Geldanlagen erfolgten sowohl bei der Korporation der Landjudenschaft als auch in Form von Darlehen an christliche und jüdische Einwohner sowie an Handelsgesellschaften.Bereits im Mittelalter wurde das Kapital der Armenkassen an Privatpersonen verliehen. Vgl. Barzen, Forschungsansätze (wie Anm. 29), S. 148. Für die Frühe Neuzeit, Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 42 f. Wie viele andere Stifter legte auch Koppel Henoch detailliert fest, wie sein Kapital angelegt werden sollte. Die Wolf Isaak Brillinsche Stiftung hatte ihr Kapital bei der Bamberger Judenschaft und später bey der landjudenschaftlichen Schuldentilgungskassa zu 5 P[rozent] ferzinslich eingelegt.Central Archives for the History of the Jewish People (= CAHJP), D/Ba17/356 (Totenbuch der Gemeinde Bamberg). Er heiratete 1815 Louise Kunstädter aus Kunreuth. Vgl. StadtABa, Trauungsregister. Dies galt auch für das Vermögen der Josef Heilbronnerʼschen Stiftung und der Stiftung des Samuel Hayum. Das Geld der Meyer Levi’schen Stiftung war ebenfalls bei der Judenschaft angelegt und wurde seit 1824 vom Bamberger Stadtmagistrat verwaltet. Während 100 Gulden bei der Staatsschuldenkasse zu einem Zinssatz von vier Prozent angelegt waren, waren die restlichen 137 Gulden 30 Kreuzer privat verliehen und das Kapital mit einer gerichtlichen Hypothek abgesichert worden.StadtABa, C 2, Nr. 53983, fol. 9r–13v: Bericht des Stadtmagistrats, Bamberg, 14.4.1827.Bei der Anlage von Stiftungskapital bemühte man sich um möglichst sichere Erträge. Einlagen bei Korporationen wie jüdische und christliche Einrichtungen, Bruderschaften oder Städten sind ebenso dokumentiert wie Kredite an solvente Personen oder Einlagen bei etablierten Handelsgesellschaften. So finden sich unter den Gläubigern der Zacharias Fränkel’schen Handelsgesellschaft in Fürth im Jahre 1750 neben zahlreichen Privatpersonen und Handelshäusern eine Almosenbüchse für die Gefangenen, Kapital aus der Schul- und Stipendienstiftung Gabriel Fränkels (PID 1316) für den Unterhalt der Fürther Klaus (Jeschiwe)Vgl. hierzu Preuß, Jüdische Gelehrte (wie Anm. 38), S. 46–53; Leopold Löwenstein: Zur Geschichte der Juden in Fürth, 3 Teile in einem Band. Hildesheim, New York 1974 (Nachdruck), S. 94–96. sowie Stiftungskapital seines Sohnes Wolf Gabriel Fränkel (PID 1997) in Höhe von 700 Gulden. Auch die Ehefrau von Gabriels Enkel Gabriel Abraham Fränkel (PID 15519), Hindel Lemberg (PID 15518), die eine Enkelin des Rabbiners Gabriel EskelesDer aus Nikolsburg in Mähren stammende Eskeles war ein gefragter Mann. Die erste Stufe seiner Karriere war 1671 Vorsteher in Krakau während des Rabbinats seines Lehrers Aaron Samuel Kaidanower. Anschließend wurde er Rabbiner in Olkusz (1684–1693), anschließend in Prag (1693–1698), dann Metz (1698–1709) und schließlich in seiner Heimatstadt (1709–1718). 1698 nahm Eskeles als Vertreter Posens an der Vierländersynode, die auf dem Jahrmarkt von Jaroslav stattfand, teil. Er gilt als seiner der größten Talmudisten seiner Zeit und schrieb zahlreiche Kommentare, Responsen etc. Kaufmann Kohler und Max Seligsohn: Eskeles, Gabriel ben Juda Löw. In: Jewish Encyclopedia (1906), S. 222, abzurufen unter: URL: https://jewishencyclopedia.com/articles/5857-eskeles-gabriel-ben-judah-low (09.09.2022). (PID 2874) war, hatte Stiftungskapitel in der Firma eingelegt. Ihr Mann war ein Sohn des Abraham Gabriel (PID 1996) und Edels (PID 2054), einer Tochter des aus Wien vertriebenen Vorstehers der Fürther Judenschaft David Isaak Fränkel (PID 98). Dieser wiederum, ein Sohn des Wiener Rabbiners Koppel FränkelPeter Trawnicek: Tuchsold und Landschaftsjuden. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N.F. 66–68 (2000), S. 309–386; David Kaufmann: Die letzte Vertreibung der Juden aus Wien und Niederösterreich, ihre Vorgeschichte 1625–1670 und ihre Opfer. Wien 1889. (PID 93), hatte zusammen mit seinen Brüdern und einem Schwager für 4.000 Gulden den Wiener Friedhof unterhalten, wo ihr Vater seine letzte Ruhe fand.Bernhard Wachstein: Die Inschriften des alten Judenfriedhofes in Wien, 2 Bde. Wien, Leipzig 1912 und 1917; Traude Veran: Das steinerne Archiv – Der Wiener jüdische Friedhof in der Rossau. Wien 2006. David Isaaks Sohn Bärmann Fränkel (PID 97) heiratete die Tochter des Fürther Vorstehers Salomon Schneior Fromm (PID 14) namens Bunle (PID 100) und führte die Zedaka seiner Familie fort. In seinem Testament legte er fest, dass aus seinem nachgelassenen Vermögen eine Klaus in Fürth errichtet werden solle.Rolf Kießling: Jüdische Geschichte in Bayern. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin, Boston 2019 (Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern; 11), S. 314. Auch seine Schwiegertochter Ester (PID 12062), die Ehefrau von Bärmann Fränkels Sohn Salomon Löw SchneiorSalomon Schneior gründete mit seinem Sohn Joseph 1691 die hebräische Druckerei in Fürth in der heutigen Königstraße 77; Barbara Ohm: Geschichte der Juden in Fürth. Fürth 2014, S. 70–72. (PID 2089), setzte die Familientradition fort. Sie hatte ihr Stiftungskapital in der Fränkelʼschen Handelsgesellschaft eingelegt, die auch mit Kapitaleinlagen mehrerer Begräbnisbruderschaften, der Kasse für die Armen in Jerusalem (mit immerhin 1990 Gulden)Vgl. hierzu für Hamburg Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 37, 130. sowie einer Stiftung für Kranke wirtschaftete.Bayerisches Hauptstaatsarchiv (=BayHStA), RKG, Nr. 7289/IV, fol. 1216r–1221r. Die Schulden der Zacharias Fränkelschen Handelsgesellschaft beliefen sich auf fast 450.000 Gulden. Zu einzelnen Schuldnern vgl. Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 143 f.Die hier zusammengetragenen Daten verweisen einerseits auf eine starke Tradition der Zedaka innerhalb einer der führenden jüdischen Familien Fürths; andererseits ist auffällig, dass die meisten dieser Stiftungen auf Nachkommen der 1670 aus Wien vertriebenen Familien zurückgehen. Erzwungene oder freiwillige Migration prägten somit auch die Muster jüdischer Wohltätigkeit. Wenn Darlehensnehmer wie die Fränkel-Gesellschaft zahlungsunfähig wurden, gingen allerdings auch Stiftungskapitalien verloren; im Extremfall konnte nach solchen Ausfällen die Stiftung erlöschenVgl. exemplarisch zum Verlust von Stiftungsgeldern Preuß, Jüdische Gelehrte (wie Anm. 38), S. 46. und dadurch die Ehre der Familie in Mitleidenschaft gezogen werden.4Meyer Levi und seine StiftungenAm Tag des Neumonds im Monats Cislov 493 verschriftlichte der Rabbiner zu Pferschau und des Schwabenlandes Isaak Menasse Etthausen (PID 5276) (1685–1763) posthum den letzten Willen Meyer Levis,StABa, K 3, G II, Nr. 12905: Übersetzung des Testaments des Meyer Pferschau [הם ר ' ליב]. Dieses war durch den Bamberger Rabbiner Löw Meyer Berlin (1737–1814) kopiert und im Dezember 1826 für die bayerische Regierung übersetzt worden. der am 25. Juni 1732 in Pfersee vor den Toren Augsburgs verstorben war.Yehuda Schenef: Spatial Burial Register Jewish Cementery Kriegshaber (Pfersee). Augsburg 2011. URL: https://www.yumpu.com/en/document/read/9623199/burial-register-graberliste-spatial-alemannia-judaica (09.09.2022). Grab 28–04, h 22. Etthausen hatte mit dem Sterbenden vor seinem Tod gesprochen und seinen letzten Willen zur Steuer der Wahrheit und zur Ehre des ruhmvollen edlen Mannes […] als Nachweis für künftige Zeiten festgehalten. Er betonte einleitend, dass Meyer Levi auf seinem Krankenbett große Unterstützung erhalten habe und bei vollem Bewusstsein gewesen sei, als er seinen letzten Willen kundtat.Es giengen Leute zu und ab, den kranken, und selig verlebten, gelehrten und hochverehrten Maier Levi aus Pferschau zu besuchen. Als wir zu ihm kamen, und er mich zu Gesichte bekam, wollte er aufstehen; er gab mir die Hand, ihn aufzurichten, und strengte sich an im Bette zu sitzen. Ich sah, daß er bei vollen Sinnen, der Sprache mächtig, und sich wie ein Gesunder zu besprechen vermögend war. Ich fragte, ob er hinsichtlich seines Eheweibes, seiner Verwandten, oder zum Heil seiner Seele etwas zu verordnen hätte. Er seufzte tief, sagte, daß er nicht Kraft genug hätte, sein Testament in Ordnung zu bringen, oder reiflich nachzudenken, was zu thun sey; sondern er wolle Alles seinen busenfreunden, dem Oberlandrabbiner und seinem Schwager Heyum Gh (wahrscheinlich GunzenhausenAnmerkung des Übersetzers Löw Berliner im Text. Es handelt sich vermutlich um Hayum Kriegshaber. Ich danke Nathanja Hüttenmeister für diesen Hinweis.) überlassen; diese werden thun, was für ihn gut sey, denn es sey bekannt, daß diese Männer rechtlich gesinnt, gerade denkend und besonnen sind, und daher nichts Unbilliges thun werden.StABa, K 3, G II, Nr. 12905: Übersetzung des Testaments des Meyer Pferschau, 31.12.1732. Übersetzung der Stiftungsurkunde durch den Oberlandesrabbiner Löw Berliner, der zwischen 1789 und 1794 in Bamberg seinen Dienst versah. Diese war von Isaak Ethausen zu Pfersee ausgestellt worden und begründete die Meier Levischen Unterrichtsstiftung. Für die richtige Übersetzung bürgte der Rabbiner Samson Wolf Rosenfeld (1782–1862), Bamberg, 20.12.1826.Der Status Meyer Levis in der Gemeinde wird durch die Betonung der Vielzahl an Besuchern an seinem Krankenbett sowie durch Hinweise auf seine familiären Beziehungen hervorgehoben. Dass diese Verbindungen die »Rangstufung innerhalb der jüdischen Gesellschaft« reflektieren sowie Kriterien wie »die religiöse Bildung, religiös-ethisches Handeln und wirtschaftlichen Erfolg zusammen bewerteten und Status und Ruf der Familie in dieses ranking einbezogen«, hat bereits Rotraud Ries betont.Rotraud Ries: Status und Lebensstil – Jüdische Familien der sozialen Oberschicht zur Zeit Glikls. In: Die Hamburger Kauffrau Glikl. Jüdische Existenz in der Frühen Neuzeit. Hg. von Monika Richarz. Hamburg 2001, S. 280–306, hier S. 283f. Im Gegensatz zu dem noch weitgehend unbekannten Stifter Henoch Koppel im Burgkunstadt der 1780er Jahre ermöglichen punktuelle Archivfunde genauere Einblicke in das Netzwerk Meyer Levis.Dieser war ein angesehener Mann in der jüdischen Gemeinde Pfersee, und seine Familie im fränkischen Zeckendorf gehörte ebenfalls der lokalen Oberschicht an. Sein Vater, der Kaufmann und Vorsteher der jüdischen Gemeinde Zeckendorf Moses Meyer Levi (PID 1095),StABa, 221/X Standbuch Nr. 4194, Nr. 2 (Zinsbuch der Juden 1602 f.), fol. 24. mit der sein Sohn Zeit seines Lebens in engem Kontakt stand, verschied achtzigjährig im Jahre 1727.Grabstein auf dem Friedhof in Zeckendorf. Sein Onkel Isaak Seligmann Levi (PID 2137), der 1709 verstarb, amtierte in Zeckendorf als Ältester und Deputierter der Bamberger Landjudenschaft. Dieser hatte »im fortgeschrittenen Alter und nachdem er seine Ämter seinem jüngeren Bruder Moses übergeben hatte, seinen langgehegten Traum« erfüllt und sich dem Studium gewidmet. Dabei arbeitete er mit dem Rabbiner Simon Akiba ben Joseph Bär (1698–1724) (PID 7679), der sich anschließend in Gunzenhausen niederließ, zusammen und veröffentlichte 1702 mit ihm gemeinsam das Werk Pi Sch’najim ([aus] Zweier Mund).Susanne Talabardon: Auf schmalem Grat. Leben und Werk des Simon Akiba Baer (gest. 1724). In: Jüdisches Leben in der Region. Herrschaft, Wirtschaft und Gesellschaft im Süden des Alten Reiches. Hg. von Michaela Schmölz-Häberlein. Würzburg 2018, S. 321–347, S. 334. Susanne Talabardon: Tora mi-Zeckendorf. Jüdische Gelehrsamkeit aus Franken – oder: »Jeder findet, was er sucht!«. In: Jewish Lifeworlds and Jewish Thought. Festschrift presented to Karl E. Grözinger on the Occasion of his 70th Birthday. Hg. von Nathanael Riemer. Wiesbaden 2012, S. 67–81, hier S. 67–69; Julia Haarmann: Hüter der Tradition. Erinnerung und Identität im Selbstzeugnis des Pinchas Katzenellenbogen (1691–1767). Göttingen 2012 (Jüdische Religion, Geschichte und Kultur; 18), S. 32, 40, 44–47; Löwenstein, Juden in Fürth (wie Anm. 94), Bd. 2, S. 120 f., 143, 199 f. Wie sein Vater und sein Onkel gehörten auch Meyer Levis Brüder Isaak (PID 7074) und Henoch (PID 7116) zur Führungsschicht der jüdischen Gemeinde.Er war beispielsweise an der Wahl des Rabbiners nach dem Tod von Moses Broda im Jahre 1733 beteiligt. Vgl. Eckstein, Fürstbistum Bamberg (wie Anm. 4), S. 172. Seine Schwestern waren ebenfalls mit führenden Gemeindevertretern oder Gelehrten verheiratet. Einer seiner Schwäger war ein Hayum Kriegshaber (PID 11877), den er als seinen Busenfreund bezeichnete; ein weiterer war der Unterrabbiner Salomon (PID 7727),Der Rabbiner Salomon lebte bereits 1699 in der Gemeinde, Schmölz-Häberlein, Zeckendorf und Demmelsdorf (wie Anm. 2), S. 293; dies.; Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 84 f.; Eckstein, Fürstbistum Bamberg (wie Anm. 4), S. 155–159; StadtA BA, HV Rep. 3, Nr. 1205/1, Fasz. 47. der zum Zeitpunkt des Todes Meyer Levis den Familiensitz in Zeckendorf bewohnte. Die Hälfte des Hauses hatte er 1686 von seinem Vater Moyses Meyern überkommen und durch seinen bruder Jacob Levi empfangen.StABa, 221/X Standbuch Nr. 4191, (Urbar und Zinsbuch 1672), fol. 162v–163r. Die Brüder des seeligen M[ayer] Pferschau, Henoch und Isaak, wollten dem Unterrabbiner das Wohnrecht entziehen, wogegen dieser sich allerdings zur Wehr setzte. Als Schiedsrichter in der Erbschaftsauseinandersetzung wurde der Unterrabbiner Wolf ReckendorferEckstein nennt in 1744 als Dajan von Aufseß. Eckstein, Fürstbistum Bamberg (wie Anm. 4), S. 171. (PID 5236) von allen Parteien akzeptiert. Zu den Pflichten des Schlichters gehörte es, den Unterrabbiner Salomon vor Schaden zu wahren, damit die wohltätige Gesinnung nicht vereitelt werden, die der Verewigte lebenslänglich in Absicht auf besagten Herrn Wolf hegte.StABa, K 3, G II, Nr. 12905: Übersetzung des Testaments des Meyer Pferschau ausgestellt am 31.12.1732. Bei Salomon handelt es sich um den 1727 erwähnten Salomon Fränkel oder der Silber Jud.StABa, 221/X Standbuch Nr. 4195 (Zinsbuch der Juden 1727–1742), S. 10; ebd., Nr. 4196 (Verzeichnis derer Stühl in der Neuen Juden Synagog zu Zeckendorff, 21.2.1727). Weiteres dazu Schmölz-Häberlein, Zeckendorf und Demmelsdorf (wie Anm. 2), S. 291–301. Bislang konnte noch keine direkte Verbindung zu der Familie Fränkel in Fürth nachgewiesen werden. In seiner Funktion als Unterrabbiner in Zeckendorf war er zugleich Vertreter (Landesdajan) der reichsritterschaftlichen Juden im Rabbinat Bamberg.Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 85; Carsten Wilke, Landjuden und andere Gelehrte. Die rabbinische Kultur Frankens vom 12. bis zum 20. Jahrhundert. In: Die Juden in Franken. Hg. von Michael Brenner. München 2012, S. 69–93, S. 85.Meyer Levi gehörte demnach zum Kreis der Hoffaktoren, Gemeindevorsteher und Gelehrten, die im Laufe ihrer Karrieren eine beträchtliche geographische Mobilität aufwiesen und sich dabei häufig zwischen städtischen und ländlichen Räumen bewegten.Vgl. Nathanael Riemer und Sabine F. Bloch: Parnassim zwischen Kirchhain und Halberstadt. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 25/2 (2015), S. 365–414, S. 366. Schon in jungen Jahren hatte er offenbar seine Heimat verlassen, denn bereits 1686 wird er als Meyer Levi zu Pfirsch bezeichnet, wo er auch seine Ausbildung erhielt.StABa, 221/X Standbuch Nr. 4191 (Urbar und Zinsbuch 1672), fol. 162v–163r. Raphael Straus: History of Jews in Regensburg and Augsburg. Philadelphia 1939, S. 205; Zur Bedeutung der Familie, vgl. Ullmann, Jews as Ethnic and religious Minorities (wie Anm. 11), S. 380. Um diese Zeit dürfte er Lea (PID 1034), eine Tochter des Pferseer Agenten der Wiener Oppenheimer-Gesellschaft und späteren Vorstehers der jüdischen Gemeinde Simon Ullmann (PID 4254) und seiner aus Wien stammenden Ehefrau Esther Mirels (PID 4253), geehelicht haben.Schnee, Hoffinanz (wie Anm. 46), Bd. 4, S. 207; Zu Simon Ullmann, vgl. Sabine Ullmann: Nachbarschaft und Konkurrenz. Juden und Christen in den Dörfern der Markgrafschaft Burgau 1650 bis 1750. Göttingen 1999 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; 151), S. 119, 173, 212, 218, 220, 330–332. Am Wohnort seiner Frau, an dem 40 jüdische Familien lebten, ist er 1701 als Beisitzer ohne eigenen Hausbesitz mit einem Vermögen von 600 Gulden belegt.Ullmann, Nachbarschaft und Konkurrenz (wie Anm. 120), S. 534. 1713 versuchte er dort ein Anwesen zu erwerben. Ein Kaufvertrag mit der Christin Magdalena Völck konnte jedoch nicht ratifiziert werden, da er aufgrund der restriktiven Judenpolitik vor Ort keinen Schutzbrief erhalten konnte.Ullmann, Nachbarschaft und Konkurrenz (wie Anm. 120), S. 81. Meyer Levi behielt zeitlebens seinen Schutzstatus in seiner Heimatgemeinde Zeckendorf.Im Oktober 1721 beschwerte sich Meyer Levi gemeinsam mit dem Vorsteher der Fürther Judenschaft und dompropsteilichen Schutzjuden Salomon Moses Ullmann (ID 129),Friedrich Battenberg: Das Reichskammergericht und die Juden des Heiligen Römischen Reiches. Geistliche Herrschaft und korporative Verfassung der Judenschaft in Fürth im Widerspruch. Wetzlar 1992 (Schriftreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung; 13), S. 16 f. einem Neffen seines Schwiegervaters, bei der Innsbrucker Regierung über die finanziellen Belastungen, die anfielen, wenn Juden in der Reichsstadt Augsburg ihren Geschäften nachgehen würden.Ullmann, Nachbarschaft und Konkurrenz (wie Anm. 120), S. 122. Hierzu und zu den Änderungen der Handelsbedingungen, Ullmann, Jews as Ethnic and religious Minorities (wie Anm. 11), S. 382. Im folgenden Jahr waren Meyer Levi und seine Frau Lea als Vorstände eines Haushalts mit zwei Dienstboten in Pfersee registriert. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ein Bruder seiner Frau namens David Simon (1372) als Knecht bei ihnen.Ullmann, Nachbarschaft und Konkurrenz (wie Anm. 120), S. 369, 535.Der Pferseer Rabbiner Isaak Etthausen betonte in der Niederschrift seines letzten Willens, dass Meyer Levi bei vollem Bewusstsein und Verstand war – eine wichtige Formel für die Gültigkeit seiner Verfügung – und er in der Gemeinde hochgeschätzt gewesen sei. Für seine Memoria, zur Steuer der Wahrheit und zur Ehre des ruhmvollen edlen Mannes, sollte eine Stiftung errichtet sowie das Wissen des Verstorbenen der Nachwelt erhalten werden, um weiterhin dem gemeinen Nutzen zu dienen. Als Verwalter und Vorsteher dieser frommen Stiftung des M. Pferaschau wurde der als ein Gottesfürchtiger, religiöser und wohlthätiger Mann bekanndt[e] Bamberger Meyer David Eger eingesetzt.Meyer David Eger gehörte zu den Juden, die in Bamberg wichtige gemeindliche Aufgaben übernahmen. Vgl. zu ihm Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 72, 82, 163, 228. Dieser sollte 400 Gulden Stiftungskapital verwalten, die das Thorastudium junger Männer sowie die Publikation der Schriften Meyer Levis finanzieren sollten. Etthausen betonte, erhabe das Zutrauen zu dem Gottesfürchtigen Meyer Eger, daß er sich dem Geschäfte mit Eifer unterziehen wird, jenen seeligen Gelehrten, Hr. Maier Pferschau zu willfahren, dieses Druckgeschäft zu realisieren,Die Schriften posthum zum Druck zu befördern und damit die Memoria aufrecht zu erhalten war eine verbreitete gute Tat. So brachte David Simon Wolf Brillin, der Vorsteher der Gemeinde Bamberg, die Schriften der Rabbiners Moses Broda (gest. 1733) und dessen Vaters zum Druck, Eckstein, Fürstbistum Bamberg (wie Anm. 4), S. 170. und den Erlöß aus den büchern unter seiner Hand zu einem Kapitalfond zu bilden, um daraus Söhne armer Leute zum Toralernen zu unterstützen.Meyer David Eger solltemit einem Theil dieses geldes zwey sehr Gelehrte dingen, die im Stande sind, eine gelehrte Abhandlung genau zu prüfen und richtig zu würdigen. Diese sollen eine Auswahl unter den Manuscripten des seeligen Maier Pferschau treffen, und eine blumenlese aus seinen lieblichen Aufsätzen vornehmen. Die Vorzüglichsten seiner gelehrten Arbeiten nun, die ihnen als solche erscheinen, es seien dieselben Erklärungen talmudischer Segen, Rechtsaufgaben, oder was auch sonstigen Inhalt, sollen sie in schöner, gutdünckender Ordnung sammeln, daraus ein Werk formieren, es der Presse übergeben, und unter Israel zu verbreiten suchen. Dieser wird ihm zum Seelenvergnügen, zum Ruhme und zur Namensverewigung dienen.Damit sollte das Lebensmotto Meyer Levis, der Mensch müßte seine Worte nicht unnütz aussprechen, nach Ansicht des Rabbiners Isaak Menasse Etthausen umgesetzt werden. Den Wert der mehr den Einhundert bogen theologische Novellen im Nachlass Meyer Levis konnte Etthausen sehr gut einschätzen, denn auch er war auf diesem Gebiet produktiv. Seine Sammlung von 58 Responsen mit dem Titel »Or Ne’elam« (Verborgenes Licht) und der Kommentar »Or lob e-Zion« (Ein Licht ist in Zion) wurde 1765 posthum von seinem Sohn Juda Löw Etthausen (5275) bei Wilhelm Friedrich Lotter in Karlsruhe veröffentlicht.Leopold Löwenstein und Nathanael Weil: Beiträge zur Geschichte der Juden in Deutschland, Bd. 2: Oberlandrabbiner in Karlsruhe und seine Familie. Frankfurt a. M. 1898, S. 244.Ob die Schriften Meyer Levis je im Druck erschienen sind, konnte bisher nicht ermittelt werden. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, da Publikationen in dieser Gesellschaftsschicht und speziell in dieser Familie Tradition hatten. Zudem fällt auf, dass deutlich weniger Kapital angelegt wurde, als Meyer Levi gestiftet hatte. Eine Summe von 237 Gulden 30 Kreuzer, die zur Bezahlung des Schulgeldes armer Kinder verwendet werden sollte, stand noch in den 1820er Jahren zur Verfügung. Die Ausschüttung der Gelder wurde von den amtierenden Vorstehern der jüdischen Gemeinde Bambergs vorgenommen.StadtABa, C 2, Nr. 53983 (Stiftungen der Israeliten), fol. 12r – Bamberg, 14.4.1827.Im Gegensatz zu anderen jüdischen Stiftern der 1730er Jahre im Hochstift Bamberg, die fest in der Region verankert waren, pendelte Meyer Levi zwischen dem schwäbischen Pfersee und dem fränkischen Zeckendorf. Dort hatte er bis zu seinem Tod einen festen Stuhl in der Synagoge inne, und seine Frau verfügte über einen Platz auf der Frauenempore.Schmölz-Häberlein, Zeckendorf und Demmelsdorf (wie Anm. 2), S. 297, 299. Im Vergleich zur Stiftung Wolf Isaak Brillins, deren Aufgabe die Unterstützung bei der Erlernung der Dora [Thora], Aussteuer armer Bräute und Krankenhülfe für verarmte Verwandte war und die über ein Kapital von 2.500 Gulden verfügte, oder diejenige Joseph Heilbronners im Jahre 1737, die mit 1.000 Gulden ausgestattet war, fällt das Kapital Meyer Levis relativ bescheiden aus. Jedoch war er bereits zu Lebzeiten finanziell stark in Zedaka involviert, indem er Gelder für Synagogenbauten sammelte und auch selbst dafür spendete.Da Stiftungen »eine Form, sich in der Gemeinde zu positionieren und ›Ehre zu erlangen‹« darstellten, standen laut Barbara Staudinger die »besonders angesehenen Familien […] in der Pflicht, die ihnen zuteil gewordene Ehre immer wieder unter Beweis zu stellen und zu erneuern.«Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 75. Dies lässt sich auch für die jüdischen Stifter innerhalb der fränkischen Landjudenschaft beobachten. Wolf Isaak Brillin (ca. 1644Das Geburtsjahr wurde der genealogischen Datenbank des Jüdischen Museums Hohenems entnommen. URL: http://www.hohenemsgenealogie.at/en/genealogy/getperson.php?personID=I21453&tree=Hohenems (09.09.2022).–1730) gehörte einer Familie an, die zur süddeutschen Wirtschaftselite um 1700 gerechnet werden kann und mit führenden Vertretern jener Elite verwandt und verschwägert war,Zu den Geschwistern gehörten Dina Sorle (Sarah) Brillin (1638–1703), Isaak Brillin (1628–1678), Hanna Brillin (1632–1712) und Moses Isaak Brillin (1635–1722). Die Angaben des Museums in Hohenems wurden durch eigene Erkenntnisse ergänzt. URL: http://www.hohenemsgenealogie.at/en/genealogy/getperson.php?personID=I21453&tree=Hohenems (09.09.2022). die sich auch als Stifter an verschiedenen Orten Mitteleuropas finden.Vgl. Schmölz-Häberlein, Jüdische Stiftungen (wie Anm. 1), S. 191–196; Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 80. Neben seiner eigenen Stiftung engagierte er sich in der Bamberger Begräbnisbruderschaft (Chevra Kadischa)Für das religiöse Leben war die Begräbnisbruderschaft, deren Statuten der Rabbiner Mendel Rothschild verfasste, von zentraler Bedeutung. Sie organisierte die Betreuung im Krankheitsfall, die Sterbebegleitung und die Bestattung der Verstorbenen sowie die Einhaltung des jährlichen Totengebets. Alle Mitglieder übten ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus; die Kosten wurden durch Spenden gedeckt. Zur Chevra Kadischa in Bamberg vgl. Schmölz-Häberlein, Juden in Bamberg (wie Anm. 3), S. 168–170; zu den Statuten vgl. Adolf Eckstein: Neue Beiträge zur Geschichte der Juden in Bamberg. In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 68 (1924), H. 4, S. 307–316, hier S. 311–316. Allgemein jüngst Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 40 f. und wurde 1729 Kassierer und Rechnungsführer der Landjudenschaft.StABa, B 67/XV, Nr. 393 (Judenschaftsdeputierte gegen Rechnungsführer) – Rechenschaftsbericht des Löw Hirsch, Bamberg, 6.8.1747. Joseph Heilbronner ist vermutlich mit dem dompropsteilichen Schutzjuden in Fürth und Hoffaktor des Eichstätter Bischofs Johann Anton I. Knebel von Katzenelnbogen (reg. 1705–1725) identisch,Reichskammergericht H, 1 Bd. 11. Hg. von der Generaldirektion der Bayerischen Archive. München 2004, Nr. 4991; Staatsarchiv Nürnberg, Allgemeine Reihe Nr. 4605 (Grund Riß des Fleckens Fürth von Johann Georg Vetter 1717). Dort ist Heilbronner unter Nr. 242 Domb Probstl. Neue Häuser als Hausbesitzer erfasst; Löwenstein, Juden in Fürth (wie Anm. 94), Teil [Band?] 3, S. 8, 12–21. Es handelt sich vermutlich nicht um einen Sohn des Rabbinatsbeisitzers Moses Heilbronner, der Ende des 17. Jahrhunderts in Bamberg nachweisbar ist. Diese Vermutung erscheint aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, Schmölz-Häberlein, Jüdische Stiftungen (wie Anm. 1), S. 193. der 1727 wegen seiner geschäftlichen Beziehungen dorthin vorübergehend in Fürth in Arrest genommen worden war.Das Urkundenbuch zu der in Akten und Rechten bestgegründeten Ausführung der seit Jahrhunderten zwischen dem Hochstift und der Domprobstey Bamberg dann dem Hochfürstlichen Hause Brandenburg-Onolzbach über die Vogtheyliche Obrigkeit in dem Markt-Flecken und Amte Fürth obgewaleten Differenzen. Ansbach 1785, S. 64. 1730 überschrieb er sein Haus an seinen Sohn Isaak (PID 12067) anlässlich von dessen Hochzeit mit Rachel (PID 12068), der Tochter des Fürther Arztes Aaron Moses Schwab (PID 205).Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (= HHStA), Reichshofrat, Obere Registratur, K. 1881/4 (alt W 2), Freifrau Caroline Louise Juliane von Wildenstein (und ihre Schwestern Friederike Sophe Wilhelmine und Friderike Christiane Florentine) geborene Voit von Salzburg gegen die Erben des Zacharias Fränkel & Cons. zu Fürth, 1759, Extractus Nr. 9, 30.3.1730; Leo Baeck Institute, Center for Jewish History, Michael Berolzheimer Collection, Kapitel 16. Die Familie Heilbronn. URL: https://archives.cjh.org/repositories/5/resources/19249 (09.09.2022). Für die korrekte Abfassung der Testamente und letztwilligen Verfügungen wurde der Rat von Rabbinern wie Isaak Etthausen eingeholt. Die Verwaltung der Stiftungen wurde in die Hand angesehener Männer gelegt, die ehrenamtliche Aufgaben für die Landjudenschaft übernommen hatten. Ähnlich wurde auch bei christlichen Stiftungen verfahren, deren Pfleger häufig ebenfalls zentrale Positionen in der Gemeinde innehatten.Vgl. hierzu Herold, Die Aschhausenstiftung (wie Anm. 26), S. 101 f.5ResümeeBei den Stiftungen, die in der Bamberger Landjudenschaft getätigt wurden, ging es nicht um vergleichbare Summen, wie sie die Erben des kaiserlichen Hoffaktors Samson Wertheimer (1658–1724) in Wien für Zedaka zur Verfügung stellten. Letztere stifteten 150.000 Gulden in fundis publicis, deren Zinsen darauf verwendet werden sollten, verschiedene fromme Stiftungen, Schuelen, Erziehungs Anstalten, und ansehnliche Stipendien für Schuelkinder, und studierende Jünglinge zu finanzieren.HHStA, Reichshofrat, Obere Registratur K 461/1, o. F., zitiert nach Verena Kasper: Jüdisches Leben in der Frühen Neuzeit im Spiegel reichshofrätlicher Gerichtsakten. In: David. Jüdische Kulturzeitschrift 83 (12/2009). URL: http://www.davidkultur.at/ausgabe.php?ausg=83&artikel=88 (09.09.2022). Dennoch weisen auch die fränkischen Beispiele Parallelen zur Stiftertätigkeit der »großen« Hoffaktoren auf.Spenden an Bedürftige und Stiftungen gehörten zum Selbstverständnis jüdischer Gemeinden. Von dieser Großzügigkeit profitierten mitunter auch christliche Einrichtungen oder Personen. Die zahlreichen Familienstiftungen zur Ausstattung armer Bräute und zur Unterstützung junger Männer erfüllten den Stiftungszweck auch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts.Schmölz-Häberlein, Jüdische Stiftungen (wie Anm. 1), S. 196–199, 201. Damit unterschieden sie sich prinzipiell nicht von christlichen karitativen Stiftungen, die oft ebenfalls für die Aussteuer armer Frauen und die Ausbildung junger Männer verwandt wurden und die ihre Erträge mitunter auch für die Unterstützung taufwilliger Juden einsetzten.Herold, Die Aschhausenstiftung (wie Anm. 26), S. 91–136. Zu den Empfängern außerhalb der Stifterintention, ebd., S. 133–135. Daneben kamen Legate an Synagogen sowie Zuwendungen an Begräbnisbruderschaften häufiger vor, um die Memoria der Stifter lebendig zu halten.Vgl. hierzu Ries, Individualisierung (wie Anm. 32), S. 108. Spenden, Legate und Stiftungen dienten dem irdischen Wohlergehen innerhalb der jüdischen Gemeinden ebenso wie dem »Seelenheil ihrer lebenden und verstorbenen Mitglieder«.Barzen, Forschungsansätze zur Armenfürsorge (wie Anm. 29), S. 145; Alfred Haverkamp: Bruderschaft und Gemeinde im 12. und 13. Jahrhundert. In: Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter. Hg. von Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter. Ostfildern 2006 (Vorträge und Forschungen; 649), S. 153–193, S. 163 f. Vermögende Juden engagierten sich auch außerhalb der eigenen Gemeinde und Region, orientierten sich dabei jedoch stets an familiären Verbindungen,Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 40. wie auch für die fränkischen Juden gezeigt werden konnte.Christlichen wie jüdischen Stiftungen ist gemein, dass die zu Lebzeiten erworbenen Güter zum Wohle der Allgemeinheit verwendet werden sollten, und stellten damit eine gesellschaftliche Praxis des sozialen Ausgleichs dar,Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 4; Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 75. wobei den Empfängern in vielen Fällen ein eigenständiges Leben ermöglicht werden sollte.Herold, Die Aschhausenstiftung (wie Anm. 26), S. 105, Die Wohltätigkeitsformen jüdischer und christlicher Prägung weisen auf dynamische Austauschprozesse zwischen den beiden religiösen Gruppen hin, die in Ähnlichkeiten hinsichtlich der Ausgestaltung und des Vollzugs der Stiftungen resultierten. Die vorliegende Untersuchung jüdischer Stiftungen bestätigt somit die These von Debra Kaplan, dass es direkte Wechselwirkung und Abstimmungsprozesse zwischen christlichen und jüdischen Gemeinden in Bezug auf Wohltätigkeit und Armenfürsorge gab.Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 4, 135 f., 140.Inwieweit spiegelt sich in den hier vorgestellten Beispielen die Fraktalität des Reiches? Für Meyer Levi waren sowohl das habsburgische Pfersee als auch das im Hochstift Bamberg liegende Zeckendorf »Räume der Identifikation«,Duhamelle, Drinnen und draußen (wie Anm. 15), S. 14. die seine »mental map« prägten. Seine Lebenswelt und seine Raumvorstellung waren offenkundig beeinflusst von der Fraktalität des Reiches, und die damit verbundenen, »kulturell vermittelte[n] (Welt-)Bilder« wirkten sich auf seine Gemeinschafts- und Identitätsbildung aus.Frithjof Benjamin Schenk: Mental Maps. Die kognitive Kartierung des Kontinents als Forschungsgegenstand der europäischen Geschichte. In: Europäische Geschichte Online (EGO). Hg. vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG). Mainz 2013-06-05. URL: http://ieg-ego.eu/de/threads/theorien-und-methoden/mental-maps/frithjof-benjamin-schenk-mental-maps-die-kognitive-kartierung-des-kontinents-als-forschungsgegenstand-der-europaeischen-geschichte (25.02.2023). Diese war sowohl an seinen Schutz- und Heimatort Zeckendorf als auch an seinen Wohn- und Arbeitsort Pfersee gebunden. Die im Süden des Alten Reiches vorherrschende territoriale Kleinkammerung, die der Ausprägung landesfürstlicher enge Grenzen setzte,Duhamelle, Drinnen und draußen (wie Anm. 15), S. 19. eröffnete jüdischen Menschen Ansiedlungsoptionen und den Inhabern des Judenschutzes die Option, auf diesem Wege ihre lokale Machtposition auszubauen. Gleichzeitig ermöglichte die Vielzahl territorialer und herrschaftlicher Grenzen jüdischen Menschen Handlungsspielräume, die sie kreativ ausgestalteten.Allgemein Christophe Duhamelle: Die Grenze im Dorf. Katholische Identität im Zeitalter der Aufklärung. Baden-Baden 2018 (Religion und Politik; 16), S. 221–223. Zur Nutzung verschiedener Obrigkeiten bei der Schutzerteilung, Schmölz-Häberlein, Zeckendorf und Demmelsdorf (wie Anm. 2). Die für Personen wie Meyer Levi geltenden sozialen Logiken spiegeln sich auch in den räumlichen wider,Bretschneider/Duhamelle, Fraktalität (wie Anm. 18). wie die oben erwähne Beschwerde an die Innsbrucker Regierung über die Einschränkung jüdischer Geschäftstätigkeit in der Reichsstadt Augsburg zeigt.Meyer Levis Memoria sollte innerhalb der Bamberger Landjudenschaft gepflegt werden, unter deren Schutz er stand, und seine Bindung an seine Heimatgemeinde betonen. Das gleiche Muster ist auch bei den anderen Stiftern erkennbar. Joseph Heilbronner, der unter dem Schutz der Bamberger Dompropstei stand, orientierte sich an der Bamberger Landjudenschaft, als er einen Verwalter für seine Stiftung suchte. Auch in seinem Fall sollte die Memoria an dem Ort gepflegt werden, der ihm zu Lebzeiten Schutz gewährt hatte. Versorgt werden sollten mit den Schul- und Aussteuerstiftungen jedoch nähere und weitere Verwandte, die sich über das gesamte Reichsgebiet verstreut niedergelassen hatten, womit zugleich den rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen jüdischer Existenz Rechnung getragen wurde.Vermögende Stifter bedachten oft mehrere Orte, an denen aber stets Familienmitglieder etabliert waren. Der Münchner Hoffaktor Wolf Samson Wertheimer, der in Kriegshaber bei Augsburg seine letzte Ruhestätte fand, vermachte sein Erbe den jüdischen Gemeinden Fürth und Amsterdam. Zudem stiftete er in Nikolsburg eine Rabbinerstelle und in Prag eine Kinderschule.Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 80. Mitglieder europäischer Hofjudenfamilien spendeten Beträge für das Lehrhaus in Jerusalem, um ihrer Verpflichtung zur Förderung der Bildung im Heiligen Land nachzukommen. Dies ist u. a. für Abraham Model Ries (PID 189) belegt.Staudinger, Von Armenfürsorge und Stiftungen (wie Anm. 31), S. 78–79. Kapitaleinlagen von Stiftungen für das Heilige LandVgl. dazu auch Kaplan, The Patrons and Their Poor (wie Anm. 28), S. 37, 132. finden sich auch als Depositen in fränkischen jüdischen Unternehmen, wie das Beispiel von Zacharias Fränkels Erben zeigt. Jüdische Spenden- und Stiftungstätigkeit weist somit sogar über den süddeutschen Raum und das fraktale Heilige Römische Reich hinaus auf das Heilige Land als dauerhaftem Bezugspunkt jüdischer Existenz.

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Aschkenasde Gruyter

Published: Jun 1, 2023

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