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McKinsey auf der Hardthöhe: Unternehmensberater im Bundesministerium der Verteidigung 1981/82

McKinsey auf der Hardthöhe: Unternehmensberater im Bundesministerium der Verteidigung 1981/82 EinleitungDass Annegret Kramp-Karrenbauer nach ihrer Kür zur CDU-Vorsitzenden im Sommer 2019 die Nachfolge von Ursula von der Leyen im Verteidigungsministerium bewusst für sich beanspruchte, überraschte manche Beobachter. Gilt doch das Amt des Bundesverteidigungsministers gemeinhin nicht als Traumjob für Ministerinnen oder Minister mit Kanzlerambitionen. Als »Schleudersitz«o. A.: Schleudersitz Verteidigungsministerium, in: Spiegel Online, online unter: https://www.spiegel.de/fotostrecke/verteidigigungsministerium-als-schleudersitz-der-ueberblickfotostrecke-169716.html (10. 1. 2021).unter den Kabinettsposten brachte das Amt auch »AKK« kein Glück. Besonders der Rüstungsbereich sorgt mit immer neuen Verspätungen, Kostensteigerungen oder Materialmängeln verlässlich für regelmäßige politische Krisen und Affären. Und wann immer eine Verteidigungsministerin oder ein Verteidigungsminister öffentlich in die Kritik geriet, verwiesen sie oder er »reflexhaft darauf, sein ›Haus‹, das Verteidigungsministerium, sei nun einmal nicht durchgängig fehlerfrei zu führen – es sei letztendlich unregierbar.«Hans Rühle: Das Verteidigungsmysterium, in: Die Zeit, vom 11. 7. 2013, online unter: https://www.zeit.de/2013/29/de-maizieredrohnen-verteidigungsmysterium (1. 09. 2020).Der Einsatz externer Berater im Bundesverteidigungsministerium (BMVg), der jüngst Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses wurde, ist jedoch kein exklusives Phänomen der Berliner Republik. Auch auf der Bonner Hardthöhe, wo das Bundesverteidigungsministerium auch noch nach dem Umzug nach Berlin seinen Hauptsitz hat, suchten die politischen Führungen schon in der ›alten Bundesrepublik‹ wiederholt außerhalb des militär-bürokratischen Apparates nach externen Lösungskompetenzen für Reformen und Innovationen für die als behäbig, intransparent und dysfunktional wahrgenommenen Strukturen. Seit der Amtszeit Helmut Schmidts zieht sich deshalb eine Tradition der Implementationsversuche von Innovationen speziell innerhalb des Rüstungs- und Beschaffungsbereiches mithilfe externer Akteure durch die Geschichte des Bundesverteidigungsministeriums, welche ebenso regelmäßig scheiterten.Hans Rühle: Von der Leyens Physikerin betritt vermintes Gelände, in: Die Welt, vom 27. 10. 2014, online unter: https://www.welt.de/print/die_welt/politik/article133682358/Von-der-Leyens-Physikerinbetritt-vermintes-Gelaende.html (1. 9. 2020).Nach dem Höhepunkt der bundesdeutschen Reform- und Planungseuphorie in den 1960er-Jahren hatte sich im Laufe der 1970er-Jahre das Zutrauen in die Gestaltungsmacht bürokratischer Verfahren und Akteure stark eingetrübt. Gerade bei den politisch Verantwortlichen innerhalb der sozialliberalen Bundesregierung stellte sich eine Ernüchterung ein in Bezug auf die unzureichende Gestaltungsmacht des bürokratischen Instrumentariums angesichts der Folgen von Strukturbruch und Ölpreiskrisen. Im Gegensatz zu den staatlichen Bürokratien schienen stattdessen zunehmend global operierende Unternehmen und ihre umtriebigen Unternehmensberater über das Wissen über zeitgemäße Strukturen und Arbeitsabläufe zu verfügen. Das Leistungsangebot global operierender Unternehmensberater erschien so auch für bürokratische Organisationen als eine mögliche Quelle für Innovation, mit der die Gestaltungsfähigkeit bürokratischer Organisationen (wieder-)hergestellt werden sollte.Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Beitrag die versuchte Einführung eines Controlling-Apparates im Bonner Verteidigungsministerium mithilfe eines McKinsey-Beraterteams im Spätherbst der sozialliberalen Koalition in den Jahren 1981–1982. Im Fokus stehen dabei die Rolle von externen Unternehmensberatern bei der Einführung organisatorischer Innovationen und insbesondere ihr Verhältnis zu den verschiedenen Akteuren innerhalb der Ministerialverwaltung.Grundlegende wirtschaftshistorische Forschungen zur Consulting-Industrie stammen von Matthias Kipping und Christopher Wright.Matthias Kipping / Christopher Wright: Consultants In Context. Global Dominance, Societal Effect, And The Capitalist System, in: Matthias Kipping / Timothy Clark (Hg.): The Oxford Handbook of Management Consulting, Oxford 2012, S. 165–186.Was die Politikberatung angeht, so ist die historische Rolle kommerzieller Berater im Gegensatz zur wissenschaftlichen Politikberatung in der bundesdeutschen Geschichte weniger gut erforscht. Diesem Desiderat widmete sich im Herbst 2020 die Potsdamer Tagung »Internalizing external experience«.Sebastian Schöttler: Internalizing external experience. Perspektiven auf kommerzielle Beratung in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, in: H-Soz-Kult, online unter: https://www.hsozkult.de/event/id/termine-42633 (10. 12. 2020).Speziell mit der Beratung von Behörden hat sich das kürzlich abgeschlossene Dissertationsprojekt von Alina Marktanner am Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung zu »Neuaushandlungen des Politischen durch wirtschaftliche Politikberatung in den 1950er- bis 1990er-Jahren« beschäftigt. Allerdings beschäftigt sich Marktanner hauptsächlich mit kleineren bundesdeutschen Beratungen, die den öffentlichen Sektor als Nischenmarkt für sich entdeckten. Im Zusammenhang mit einem Engagement von Unternehmensberatern im Postministerium in den Jahren 1983–1985 kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Berater »nicht in erster Linie Expertenwissen, sondern vor allem Begründungsnarrative für einen nachträglicher verfolgten Konsolidierungskurs«Alina Marktanner: Kompetenzen im Widerstreit. Unternehmensberater als Personalplaner der Deutschen Bundespost 1983–1985, in: Felix Selgert (Hg.): Externe Experten in Politik und Wirtschaft, Berlin 2020, S. 167–195, hier S. 195.lieferten. Bei der Beratung der nordrhein-westfälischen Landesregierung zum Bildungssystem hätten die Berater beispielsweise dafür gesorgt, »den Sparkurs dabei als einzig sachlich vertretbaren zu kennzeichnen.«Alina Marktanner: Wie viel darf Schule kosten? Unternehmensberater als Erfüllungsgehilfen staatlicher Haushaltssanierung, 1980er und 1990er Jahre, in: Rüdiger Graf (Hg.): Ökonomisierung. Debatten und Praktiken in der Zeitgeschichte, Göttingen 2019, S. 117–138, hier S. 136.In der ProfessionssoziologieVgl. Tim Seidenschnur et al.: Berater im Spiegel des Feldes. Eine professionssoziologische Rekonstruktion ihrer Legitimierung in Verwaltungen und Universitäten, in: SozW 69/1 (2018), S. 6–32., der PolitikwissenschaftVgl. Andreas Huchler: Behördenberatung in Deutschland. Erklärungen und Befunde zur Beraternachfrage in Stadtverwaltungen, Wiesbaden 2009.und ganz besonders der BetriebswirtschaftslehreVgl. Matthias Kipping / Timothy Clark (Hg.): The Oxford Handbook of Management Consulting, Oxford 2012.existieren Studien zum Themenbereich der Beratung öffentlicher Verwaltungen durch private Unternehmensberatungen. In diesen Fachrichtungen richten sich seit der Jahrtausendwende jeweils fächerspezifische Blickwinkel auf das Phänomen.Robin Finchman / Timothy Clark: Introduction. The Emergence of Critical Perspectives on Consulting, in: Robin Finchman / Timothy Clark (Hg.): Critical Consulting. New perspectives on the Management Advice Industry, Oxford 2002, S. 1–20, hier S. 3.Anschlussmöglichkeiten bestehen auch im Zusammenhang mit der als »Ökonomisierung« beschriebenen Zeitdeutung. Diese ist »seit den 1980ern zu einem verbreiteten Topos der Gegenwartsdiagnostik avanciert.«Rüdiger Graf: Einleitung, in: Rüdiger Graf (Hg.): Ökonomisierung: Debatten und Praktiken in der Zeitgeschichte, Göttingen 2019, S. 9–28, hier S. 9.Die populären Ökonomisierungsdiagnostiken und Beschreibungen einer »neoliberalen« normativen Ordnung, sind kaum von der inhärenten Kritik an den beschriebenen Phänomenen zu trennen.Graf: Einleitung, S. 11–12.Demgegenüber stand bzw. steht die »positive Vision« einen behäbigen und unflexiblen Staat mit zunehmend beschränkten Finanzmitteln durch »die Ausdehnung von Marktmitteln« zu dynamisieren.Graf: Einleitung, S. 15.Die »Ökonomisierung« der Verwaltung wird dabei häufig mit dem Konzept des »New Public Management« verbunden.Vgl. z. B. Edwin Czerwick: Die Ökonomisierung des öffentlichen Dienstes. Dienstrechtsreformen und Beschäftigungsstrukturen seit 1991, Wiesbaden 2007; oder Allessandro Pelizzari: Die Ökonomisierung des Politischen. New Public Management und der neoliberale Angriff auf die öffentlichen Dienste, Konstanz 2001.Ab den 1980er-Jahren hätten sich überall in den westlichen Industrienationen Reformkräfte daran gemacht, den »vermeintlich zum ›Leviathan‹ wuchernden Staat«Alexander Nützenadel: Stunde der Ökonomen. Wissenschaft, Politik und Expertenkultur in der Bundesrepublik 1949–1974, Göttingen 2014, S. 361.zurechtzustutzen und eine Phase der Privatisierung eingeleitet. Nach Doering-Manteuffel und Raphael machte die angebotene Leistungspalette der Berater den »Neoliberalismus zu einem Markenartikel«Anselm Doering-Manteuffel / Lutz Raphael: Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 2008, S. 52.. Dabei ist mittlerweile auch deutlich, dass »das Bild von der Stärkung privater Akteure zu Lasten des Staates eine unzulässige Vereinfachung ist.«Marcel vom Lehn: Geschichte eines Sachzwangs. Privatisierung als historischer Prozess, in: Neue Politische Literatur 58 (2013), S. 59–76, hier S. 75.Im Gegensatz dazu diagnostizierte Thomas Handschuhmacher eine »Persistenz traditioneller Denkmuster«Boris Gehlen: Rezension. Thomas Handschuhmacher, Was soll und kann der Staat noch leisten? Eine politische Geschichte der Privatisierung in der Bundesrepublik 1949–1989, Göttingen 2018, in: Historische Zeitschrift 309 (2019), S. 835–836, hier S. 835..Die äußerst komplex aufgebaute Verwaltung von Bundeswehr und Verteidigungsministerium mit ihrem chronisch intransparenten Beschaffungsbereich war und ist dabei ein besonderes »Sorgenkind« innerhalb der bundesdeutschen Verwaltungslandschaft. In Folge technisch und institutionell hochkomplexer, internationaler Rüstungsaufträge kam es auch und gerade innerhalb der Beschaffungspraxis wiederholt zu Überforderungserfahrungen. Auch die wiederholten Reorganisationsversuche durch die politische Führung hatten kaum erkennbare Erfolge. Besonders augenfällig wurden diese Defizite als sich im Jahr 1980 die Beschaffung des neuen Tornado-Flugzeuges enorm verteuerte. In den Augen des SPD-Verteidigungsministers Hans Apel hatte der Expertenstatus der Beamten, bzw. die Zuschreibung entsprechender Lösungs- und Gestaltungskompetenz, dabei nachhaltig Schaden genommen. Auch vor der breiteren Öffentlichkeit konnten die Mängel des undurchsichtigen Beschaffungswesens nicht mehr verborgen werden – im Bundestag untersuchte ein parlamentarischer Untersuchungsauschuss die politischen und bürokratischen Versäumnisse. Die Namensgebung des »Tornados« eröffnete dabei für die öffentliche Berichterstattung die ganze Bandbreite der Sturm- und Unwetter-Metaphorik.Angesichts dieser auch persönlich prekären politischen Lage riet Bundeskanzler Helmut Schmidt, der als Verteidigungsminister bereits selbst mit Ernst Wolf Mommsen einen Manager mit der Reform des Rüstungsbereichs beauftragt hatte, seinem Nachfolger Apel: »Hol dir industriellen Sachverstand ins Haus.«o. A.: Am Ende Krach, in: Der Spiegel, vom 2. 3. 1981, online unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14315123.html (12. 12. 2020).Woraufhin Apel im März 1981 den Hamburger Manager Manfred Emcke als ehrenamtlichen »Berater des Ministers in industriellen Fragen«o. A.: Am Ende Krach.engagierte. Emcke hatte zuvor das Wuppertaler Haushaltsgeräte-Unternehmen Vorwerk und den Hamburger Zigarettenkonzern Reemtsma geleitet und sich dabei einen Ruf als »harter Sanierer«o.A.: Nur Klarheit, in: Der Spiegel, vom 13. September 1982, online unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14351684.html (12. 12. 2020).erarbeitet. In den folgenden anderthalb Jahren entwickelte Manfred Emcke – zunächst auf sich allein gestellt, später mit Unterstützung eines vierköpfigen Teams der Unternehmensberatung McKinsey – eine nach betriebswirtschaftlich-unternehmerischem Vorbild gestaltetes »Controlling« für den Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums.Kern dieser organisatorischen Innovation sollte die Einführung eines betriebswirtschaftlichen Controlling-Apparates und eines direkt dem Minister unterstellten Controllers sein, dem das Rechnungswesen, die Zentralplanung, das Berichtswesen, die Datenverarbeitung und die Innere Revision unterstünden. Die Implementierung dieser organisatorischen Innovation hätte für die Beamten und Militärs des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg), des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB)Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung wurde 2012 mit dem Bundesamt für Informationsmanagement und Informationstechnik der Bundeswehr vereinigt und firmiert seitdem als Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw).sowie der Teilstreitkräfte eine grundlegende Disruption ihrer etablierten Strukturen, Zuständigkeiten, Arbeits- sowie Planungsmethoden bedeutet. Gerade deshalb entfaltete sich innerhalb des (militär-) bürokratischen Apparates eine enorme Beharrungskraft und Abwehrhaltung gegenüber den beabsichtigten Innovationen, die sich in Blockadehaltungen, Verzögerungs- und Verschleppungstaktiken manifestierte, die sogar die aktive Diskreditierung der politischen Leitung im Bündnis mit Vertretern von Opposition und Presse umfasste.In der in diesem Beitrag untersuchten Episode verbanden sich letztlich zwei Elemente zu einer zweistufigen politisch-institutionellen Machtstrategie. Durch den Einsatz von internationalen Unternehmensberatern wollte Minister Hans Apel seine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit innerhalb der Ministerialbürokratie ausgleichen. Daneben stellt die »Verbetriebswirtschaftlichung«, also die Übertragung von »manageriellen« und betriebswirtschaftlichen Strukturen und Verfahren auf die Verwaltung einen umfassenden Innovationsansatz dar, der in den Folgejahren und -jahrzehnten eine breite Rezeption finden sollte. Aber auch der Einsatz von Unternehmensberatern selbst war eine innovative Machtstrategie, bei die Problemlösungsstrategien durch den Einsatz von externen Experten entwickelt und implementiert werden sollten. Die vorliegende Studie macht besonders deutlich, dass organisatorische oder methodische Innovationen mit Neuverhandlungen von Macht und Zuständigkeiten einhergehen. Inner-institutionelle Konflikte können sowohl Ausgangspunkt, Begleiterscheinung und Folge von Innovationen sein. Sowohl der Einsatz der Unternehmensberater als auch die Einführung des Controllings sollten die inner-institutionellen Machtverhältnisse zugunsten der Leitung verschieben.Und obwohl der Einsatz der Unternehmensberater auch als Machtstrategie gedeutet werden kann, die im vorliegenden Fall – mehr noch als bei der Konzeption der Reorganisationspläne – ihren eigentlichen Zweck in der Verschiebung der inner-institutionellen Machtverhältnisse hatte, scheiterte die Implementierung eines betriebswirtschaftlichen Controllings im Verteidigungsministerium letztlich angesichts des organisierten Widerstandes innerhalb der Verwaltung. Der Widerstand innerhalb der Verwaltung nahm die Form einer organisierten Beharrungsstrategie im Sinne einer systematischen Abwendung von Veränderungen und Innovationen an. Dieser Beitrag beleuchtet also nicht nur, welche Problemkonstellationen mit der Macht- und Innovationsstrategie aus Beratereinsatz und »Verbetriebswirtschaftlichung« der Verwaltung bewältigt werden sollte, sondern auch und gerade warum diese Innovationen letztlich scheiterte.Dauerbaustelle BeschaffungsverwaltungDie Einschätzung der Bürokratie war im 20. Jahrhundert oft ambivalent und reichte von der Wertschätzung der geregelten Verfahrensabläufe bis zur Wahrnehmung als hemmende und ineffiziente Einrichtung.Jannes Bergmann: Tagungsbericht. Armee und Bürokratie – Organisationsgeschichtliche Perspektiven auf das Militärische im 20. Jahrhundert, 26. 3. 2019 Potsdam, in: H-Soz-Kult, online unter: https://www.hsozkult.de/searching/id/tagungsberichte-8369?title=armee-und-buerokratie-organisationsgeschichtliche-perspektiven-auf-das-militaerische-im-20-jahrhundert&q=r%C3%BCstung&page=3&sort=&fq=&total=1049&recno=41&subType=fdkn (12. 12. 2020).Eine besondere Ausprägung dieser Ambivalenz findet sich auch und gerade im Spannungsfeld zwischen Bürokratie und Militär. Aus der militärischen Sichtweise wurde die Verwaltung mitunter als »unmilitärisch« und als Behinderung wahrgenommen, während andererseits das Militär notwendigerweise selbst Verwaltung hervorbringt.Bergmann: Armee und Bürokratie.Aufgrund der besonderen Rolle des Militärs unterschied sich der Aufbau des Bundesministeriums der Verteidigung grundlegend von demjenigen anderer Ressorts.Mit ca. 483.000 Soldaten und 183.000 zivilen Angestellten im Jahr 1982 war das Bundesverteidigungsministerium der größte Arbeitgeber, bzw. die größte Dienstherrin, der Bundesrepublik. Entsprechend umfangreich stellten sich die Aufgabenund Ausgabenseite dar. Im Jahr 1982 lag der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bundeshaushalt bei 18,1 %. Der Verteidigungshaushalt war damit regelmäßig der zweitgrößte Ausgabenposten des Bundes. Die zunehmend angespannte Haushaltslage ab der zweiten Ölpreiskrise 1979 führte auch beim Verteidigungsressort zur Erhöhung des Kostendrucks. Nach einer langen Periode stetiger Erhöhungen erreichten die Ausgaben Anfang der 1980er-Jahre ein Plateau.Hans-Günter Bode: Militärische und zivile Verwaltung, in: Hans Pohl / Georg-Christoph Unruh / Kurt Jeserich (Hg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5: Die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1987, S. 518–563, hier S. 542.Zugleich war das Ministerium auch der größte öffentliche Auftraggeber der Bundesrepublik in den Bereichen Forschung, Entwicklung, Beschaffung und Instandsetzung und mit über 100 Ausbildungseinrichtungen die größte Erwachsenenbildungsorganisation. Auch aufgrund dieser enormen Größe und Komplexität der Aufgaben war die politische Leitung des Ministeriums nur stark eingeschränkt dazu fähig, das Haus effektiv zu leiten und eigene Planungen umzusetzen. Hans Apel, der das Amt des Bundesministers der Verteidigung von 1978 bis 1982 ausübte, bezeichnete sein Haus deswegen wiederholt als einen »Wasserkopf«, der »nicht mehr regierbar« Bundesarchiv (Freiburg) [BArch], BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke, 6. 10. 1981, S. 13.sei.In Hinblick auf die Zukunftsplanung waren die Verwaltungsakteure an die haushaltsrechtlichen Regelungen des 1969 verabschiedeten Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) gebunden.Karl-Heinrich Hansmeyer / Rolf Caesar: Die finanzwirtschaftliche Entwicklung seit 1949, in: Hans Pohl / Georg-Christoph Unruh / Kurt Jenisch (Hg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5: Die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1987, S. 919–953, hier S. 923.Planerische Maßnahmen mussten fortan einer »mehrjährigen Finanzplanung« genügen, d. h. es mussten konkrete Plangrößen und Zielprojektionen für die Zukunft festgelegt werden. Darin impliziert waren enorme Erwartungen an das staatliche Vermögen zur Planung und Gestaltung zukünftiger Entwicklungen. Mag dies 1969 bei stetig zunehmenden Wachstumsraten noch als sicher gegolten haben, wurden mit den wirtschaftlichen Stagnationen und Fluktuationen ab den 1970er-Jahren die Spielräume für gegenwärtiges Handeln und zukunftsgewandtes Planen durch erzwungene Festlegungen aus Vorperioden eingeschränkt. Nach dem »Fälligkeitsprinzip« durften nur solche Einnahmen und Ausgaben Aufnahme in den Haushalt finden, die auch in dem jeweiligen Haushaltsjahr fällig werden.Wolfgang Eggert: Fälligkeitsprinzip, in: Gebaler Wirtschaftslexikon, online unter: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/faelligkeitsprinzip-34414/version-257917 (5. 1. 2021).Das heißt im Gegensatz beispielsweise zu betriebswirtschaftlichen Buchführungsgrundsätzen konnten keine Puffer oder Rücklagen für mögliche Mehrkosten in Folgeperioden eingebucht werden. Die verwaltungs- und haushaltsrechtlichen Bestimmungen führten bei großen Beschaffungsvorhaben zu weitgehender Inflexibilität, wie sich beim Tornado zeigte.Spätestens ab den 1970er-Jahren hatte sich zwischen der zunehmenden Komplexität der Aufgaben und dem beschränkten Leistungs- und Anpassungsvermögen bürokratischer Strukturen eine »Modernisierungs- beziehungsweise Leistungslücke«Thomas Armbrüster / Johannes Banzhaf / Lars Dingemann: Unternehmensberatung im öffentlichen Sektor. Institutionenkonflikt, praktische Herausforderungen, Lösungen, Wiesbaden 2012, S. 22.aufgetan. Die Bundeswehrverwaltung musste auf dem Beschaffungswege den Bedarf der Streitkräfte an Forschung, technischer Entwicklung, Produktion sowie Instandhaltung über privatrechtliche Verträge mit Industrieunternehmen aus dem In- und Ausland decken.Bode: Militärische und zivile Verwaltung, S. 553.Die Herausforderungen in der Vertragsgestaltung und nachträglichen Kontrolle von Leistungen, Qualität, Lieferterminen und Kosten stiegen mit der zunehmenden technischen Komplexität der Rüstungsprodukte. Daher unterschieden sich »Organisationsstruktur, Entscheidungsverfahren und personelle Qualifikationserfordernisse«Bode: Militärische und zivile Verwaltung, S. 553.in erheblichem Maße zum Beispiel von einer »gesetzesdirigistischen«Eberhard Schmidt-Aßmann: Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee. Grundlagen und Aufgaben der verwaltungsrechtlichen Systembildung, Heidelberg 2006, S. 199., am Gesetzesvollzug orientierten, Verwaltung.Besonders war auch die strukturelle Trennung zwischen Streitkräften und der »Wehrverwaltung«. Damit ergab sich, dass Rüstungsverträge nicht von den Teilstreitkräften abgeschlossen werden konnten, sondern dass hier zivile Zuständigkeiten beim BMVg, beziehungsweise bei dessen nachgeordneten, zivilen Beschaffungsbehörden wie etwa dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) lagen.Bode: Militärische und zivile Verwaltung, S. 540; Seit 2012: Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw).Dies erzeugt eine Trennung zwischen den militärischen Stellen, die das Material verwendeten, und den zivilen Stellen, die die Beschaffung durchzuführen hatten.Bode: Militärische und zivile Verwaltung, S. 540. In Fragen des Preisund Auftragswesens waren diese wiederum an die engen Vorgaben des Wirtschaftsministeriums gebunden.Zusätzlich beanspruchte die Rüstungsabteilung im BMVg die Zuständigkeit für mehr und mehr Beschaffungsvorgänge und erzeugte so weitere Unklarheiten im Verhältnis zu und zwischen den nachgeordneten Stellen.BArch, BW 1/190959, Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, S. 4.Diese mehrfache Trennung und Überschneidung von zivilen und militärischen Verantwortlichkeiten führte zu Doppelstrukturen und unklaren Zuständigkeiten, die einerseits den Informationsfluss in Richtung der Leitung des Ministeriums erschwerten und andererseits widerstrebende Zentren für Planungsaktivitäten schufen und Verantwortungsdiffusion begünstigten.Stefanie van de Kerkhof: Waffen und Sicherheit im Kalten Krieg. Das Marketing der westdeutschen Rüstungsindustrie 1949–1990, Berlin 2019, S. 61.Im Beschaffungsbereich lag im Grunde sogar eine vierfache Kompetenzüberschneidung vor; zwischen dem Generalinspekteur der Bundeswehr, der als oberster Soldat die strategische Ausrichtung der Bundeswehr verantwortete, der jeweiligen Teilstreitkraft (Heer, Luftwaffe oder Marine), die die Bedarfe bestimmen und das Material letztlich benutzen sollte, dem Koblenzer BWB als zentraler Beschaffungsbehörde und größter Oberbehörde des Bundes sowie der Rüstungsabteilung im BMVg.Bode: Militärische und zivile Verwaltung, S. 552.Die extrem komplexen und oft redundanten bürokratischen Zuständigkeiten und Verfahren waren das Ergebnis entsprechender binnen-institutioneller Dynamiken. Einmal erreichte Kompromisse wurden oft verstetigt. So entwickelten sich beispielsweise feste Verteilungsschlüssel für den Anteil der Teilstreitkräfte am Budget, anstatt dass sich diese flexibel am jeweiligen Bedarf ausrichteten. Für das Heer lag dieser informell festgelegte Ausgabenanteilsschlüssel bei 47,5 %, für die Luftwaffe bei 24 % und für die Marine bei 10,8 %.BArch, BW 1/251011, McKinsey & Company, Organisationskonzept. Controlling, Zwischenbericht/Bestandsaufnahme BMVg, 27. 4. 1982, Schaubild 9.Diese Ausrichtung an festen Quoten führte dazu, dass der jeweils vorgegebene Finanzrahmen vollständig »ausgeplant«BArch, BW 1/251359, Dokumentation, Untersuchung des Planungssystems und Rüstungsmanagaement im BMVg, S. 23.wurde, anstatt dass sich Planungen an sich ändernden Bedarfen orientierten.Neben dem mangelnden Informationsfluss in Richtung der Spitze des Hauses und der »mangelnden Einbindung der obersten Entscheidungsebene in den Planungsprozess«BArch, BW 1/251359, Dokumentation, Untersuchung des Planungssystems und Rüstungsmanagaement im BMVg, S. 20.erschwerten die redundanten und komplizierten Zuständigkeitsverteilungen auch die Kontrolle der unteren Hierarchieebenen und die wirkungsvolle Durchsetzung von Weisungen. Die Versuche einer wirksamen Reorganisation waren ebenso häufig wie wirkungslos. Dies lag vor allem an der starken Eigenwilligkeit bürokratisch-militärischer Teileinheiten und »Bereichsegoismus«.BArch, BW 1/251359, Dokumentation, Untersuchung des Planungssystems und Rüstungsmanagaement im BMVg, S. 16.Der Beschaffungsbereich des Bundesverteidigungsministeriums blieb im Grunde während seiner gesamten Existenz eine »Dauerbaustelle« mit sich ständig ändernden Aufgabenzuschnitten. Als Reaktion auf die politische Krise, die sich ab 1980 aus den Komplikationen bei der Beschaffung des Tornado-Kampfflugzeuges ergaben, reagierte Verteidigungsminister Hans Apel mit dem Versuch einer umfassenden organisatorischen Innovation auf seine persönliche Frustrationserfahrung sowie den steigenden Legitimationsdruck im Zusammenhang mit einem zu dieser Frage einberufenen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.Legitimationszwänge und InnovationsdruckAuch die Schwierigkeiten bei der Entwicklung des Tornados resultierten aus Abstimmungs- und Planungsproblemen, Zuständigkeitsüberschneidungen, unterschiedlichen Interessen sowie den komplizierten und teils unterschiedlichen Anforderungen der Teilnehmerländer Italien, Großbritannien und Westdeutschland.Bernd Lemke: Eine Teilstreitkraft zwischen Technik, Organisation und demokratischer Öffentlichkeit. Waffensysteme der Luftwaffe, in: Frank Nägler (Hg.): Die Bundeswehr 1955–2005, Berlin 2007, S. 369–396, hier S. 388.Die internationalen Lieferketten erforderten bei den Rüstungsplanern im Bonner Ministerium und im Koblenzer Beschaffungsamt gänzlich andere Auffassungen über die eigene Rolle und Aufgabe, neuartiges Wissen und neuartige Methoden. Dahingehende Innovationen wurden jedoch bis zum politischen Skandal um die Kostenexplosionen bei der Tornado-Beschaffung im Jahr 1980 weitestgehend vermieden. Bis dahin wurden die Ineffizienzen und Verteuerungen lange in Kauf genommen, da sie von stetig wachsenden Haushalten überdeckt wurden.Die technische Komplexität führte zu einer Verlagerung der Kostenschwerpunkte, weg von Entwicklung und Produktion, hin zur Nutzungsphase. Dies machte auch Neuerwägungen zum Beispiel in Hinblick auf zukünftige Instandhaltungs- und Reparaturkosten notwendig. Für derartige zu prognostizierende Kosten-Nutzen-Erwägungen fehlte jedoch das Problembewusstsein. Neben dem Tornado wurden seit der Amtszeit des Verteidigungsministers Georg Leber (1972–1978) außerdem einige weitere besonders ambitionierte und kostspielige Rüstungsprojekte für die Bundeswehr in Auftrag gegeben; allein zwischen 1976 und 1978: Der »Kampfpanzer Leopard 2, der [Flugabwehrpanzer] Gepard, 6 Fregatten, die Schnellboote der Klasse 143A, das Flugzeug Alpha Jet, der Flakpanzer Roland, die Panzerabwehrrakete Milan, der Panzerabwehrhubschrauber und […] das fliegende Frühwarnsystem Awacs.«Hans Apel: Der Abstieg. Politisches Tagebuch 1978–1988, Stuttgart 1991, S. 138.Diese starke Häufung großvolumiger Beschaffungsvorhaben, in denen jeweils hohe Mehrkosten auftraten, führte zu Beginn der 1980er-Jahre angesichts einer veränderten gesellschaftlichen Atmosphäre dazu, dass der Druck auf die politischen Akteure stieg. In der Endphase der sozialliberalen Koalition dominierten die erneuerte Anspannung der Ost-West-Beziehungen und die Auseinandersetzungen um den NATO-Doppelbeschluss die bundesrepublikanische Außen- und Innenpolitik. Der Prozess der »innergesellschaftlichen Selbstverständigung«Philipp Gassert: Rüstung, Bündnissolidarität und Kampf um Frieden. Lernen aus dem NATO-Doppelbeschluss von 1979?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (2019), online unter: https://www.bpb.de/apuz/289939/lernen-aus-dem-nato-doppelbeschluss-von-1979?p=all (10. 1. 2021).im Rahmen von Nachrüstung und Friedensbewegung berührte dabei zwangsläufig auch die gesellschaftliche Stellung der Bundeswehr. Dieser atmosphärische Kontext führte u. a. zu einer gesunkenen gesellschaftlichen Bereitschaft, ständig steigende Verteidigungsausgaben und deren sicherheitspolitische Begründungsnarrative unhinterfragt zu akzeptieren. Sowohl für die politisch Verantwortlichen als auch für die Beamten auf der Bonner Hardthöhe bedeutete dies einen erhöhten Legitimations- und Veränderungsdruck.Die Annahme, dass innerhalb der bürokratischen Strukturen, wie im Weber’schen Ideal nach dem Grundsatz der »Rationalität« gehandelt würde, wurde durch außer Kontrolle geratene Kostenexplosionen wie beim Tornado erschüttert. Dies untergrub auch in der Öffentlichkeit den bürokratischen »Rationalitätsanspruch«.Heinrich Mäding: Verwaltung und Planung, in: Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh / Kurt Jeserich (Hg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5: Die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1987, S. 1043–1067, hier S. 1048.In weiten Teilen der Gesellschaft und besonders in der regierenden SPD wurde es zunehmend schwierig zu vermitteln, die stetig knapper scheinenden staatlichen Finanzmittel für Nachzahlungen von sich stetig verteuernden Rüstungsgütern zu verwenden. Die zunehmend global vorgenommenen Einschränkungen auf der staatlichen Ausgabenseite verstärkten Dringlichkeit und Virulenz der »innergesellschaftlichen Selbstverständigung«,Gassert: Lernen aus dem NATO-Doppelbeschluss?die den NATO-Doppelbeschluss begleitete.Bei dem gerade für die sozialdemokratische Regierungspartei ohnehin schwierigen Vorhaben, Haushaltskonsolidierung, gesunkene Steuereinnahmen und Konjunkturprogramme zu vereinbaren, wirkten die Preissteigerungen bei der Rüstung als politischer Sprengsatz. Gerade die Beratungen um die Haushalte 1981 und 1982 wurden dementsprechend ungewöhnlich scharf geführt. In der ersten Fraktionssitzung nach dem gewonnenen Wahlkampf 1980 kassierte SPD-Finanzminister Hans Matthöfer viele der kurz zuvor noch angestrebten sozialstaatlichen Expansionsprojekte. Die Möglichkeit, Mehrkosten und Planungsdefizit im Rüstungsbereich schlicht mit neuen Haushaltsallokationen zu überdecken, war somit aufgrund der politisch-gesellschaftlichen Stimmungslage und zunehmend knapper Kassen im Jahr 1981 nicht mehr möglich.Verbetriebswirtschaftlichung als InnovationsstrategieKrise der BürokratieIn der Folge des »Strukturbruchs« als eines »sozialen Wandels von revolutionärer Qualität« Doering-Manteuffel / Raphael: Nach dem Boom, S. 10f.ergaben sich insgesamt Neuverhandlungen von Zuständigkeitsansprüchen und Kompetenz-zuschreibungen innerhalb der bundesdeutschen Gesellschaft. In den 1970er-Jahren hatten schon die industriellen Großunternehmen eine »Anpassungskrise [erlebt], die sie ebenfalls zu drastischen beschäftigungspolitischen und strategischen Neuorientierungen«Anselm Döring-Manteuffel: Der Epochenbruch in den 1970er-Jahren. Thesen zur Phänomenologie und den Wirkungen des Strukturwandels »nach dem Boom«, in: Anselm Döring-Manteuffel (Hg.): Konturen von Ordnung: Ideengeschichtliche Zugänge zum 20. Jahrhundert, Berlin 2019, S. 424–441, hier S. 425.gezwungen hatte. Viele Großunternehmen wurden mit der Tatsache konfrontiert, dass viele der Märkte, die sie bedienten, zusehends gesättigt waren.Stefanie van de Kerkhof: »Business is War«. Zur Kontinuität militärstrategischen Denkens in Management und Consulting, in: Tim Müller / Klaas Voß / Bernd Greiner (Hg.): Erbe des Kalten Krieges, Hamburg 2013, S. 383–400, hier S. 397.Damit ging eine »Unsicherheit in Bezug auf die angemessene Form von Organisation und Führung«Werner Plumpe: Das kalte Herz. Kapitalismus. Die Geschichte einer andauernden Revolution, Berlin 2019, S. 557, zit. n. Marktanner, Kompetenzen im Widerstreit, S. 170.und die Suche nach möglichen Innovationsstrategien einher. Bei der sich anschließenden Suche nach geeigneten Organisationsformen und Verfahren griff die bundesdeutsche Industrie erstmals großflächig auf das Leistungsangebot amerikanischer Unternehmensberatungen zurück.Vor dem Hintergrund stetig wachsender Haushaltsdefizite und beschränkter Gestaltungsfähigkeit seit Mitte der 1970er-Jahre übertrug sich ein vergleichbarer kriseninduzierter Anpassungsdruck zunehmend auch auf den öffentlichen Sektor. Die Bürokratie, die eigentlich selbst als Problemlöser fungieren sollte, wurde ihrerseits zum Problem und die Neuorganisation ihres inneren Aufbaus selbst zur politischen Aufgabe. Selbst die Fähigkeit, ihre eigenen Abläufe in einem zufriedenstellenden Maße zu gestalten, wurde infrage gestellt. Im Gegensatz zu dem etablierten Handeln auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften, schienen die auf dem zunehmend globalen Markt agierenden Wirtschaftsunternehmen und ihre umtriebigen Berater besser in der Lage zu sein, sich auf die neuartigen Herausforderungen einzustellen.Mit Beginn der 1980er-Jahre wurde auch in staatlichen Zusammenhängen zunehmend Wissen nachgefragt, welches sich in der mehr oder weniger direkten Markterfahrung gebildet hatte, vor allem aus der Betriebswirtschaftslehre. Unter dem Schlagwort »New Public Management« baute etwa das Großbritannien Margaret Thatchers die bürokratischen Strukturen nach »manageriellen« Grundsätzen um. Bei der Ausgestaltung dieser Reformpläne spielten kommerzielle Unternehmensberater eine entscheidende Rolle.Vgl. Denis Saint-Martin: Building the New Managerialist State. Consultants and the Politics of Public Sector Reform in Comparative Perspective, Oxford 2004.Der »Industrielle Sachverstand« und das Dienstleistungsangebot der globalen Beratungsunternehmen wurden aber auch in der Bundesrepublik als mögliche Bewältigungsstrategie für die Versäumnisse der Bürokratie betrachtet. Auch im Verteidigungsministerium empfand die politische Spitze, vor allem Verteidigungsminister Hans Apel, den ihm unterstehenden bürokratischen Apparat mit seinen Binnendynamiken und intransparenten Abläufen zunehmend als unzeitgemäßen Ballast.Externe Beratung im internen KonfliktAnlässlich der neuartigen Rechtfertigungszwänge und seiner zusehends prekären politischen Stellung in Folge der »Tornadokrise« begann Hans Apel nach Lösungsmöglichkeiten für eine Reform des Beschaffungsbereichs zu suchen, die sich vor allem auch als deutliche Botschaft des Reformwillens kommunizieren lassen sollten. Auch Bundeskanzler Helmut Schmidt empfahl einen »Industriemanager« zu Rate zu ziehen, wie Schmidt dies 1970 mit Ernst Wolf Mommsen selbst bereits praktiziert hatte.Apel: Der Abstieg, S. 143.Durch die Vermittlung des ehemaligen Bundesbankpräsidenten Karl Klasen engagierte Apel den Hamburger Manager Manfred Emcke, um »Verfahrensabläufe, Auftragsvergabe, Wirtschaftlichkeit im Bereich des Verteidigungsministeriums kritisch zu untersuchen, mit dem Ziel bei knapper werdenden Mitteln zu einer besseren Kosten-Nutzen-Relation zu kommen und schlimme Überraschungen wie à la Tornado zu vermeiden.«Apel: Der Abstieg, S. 144.In den 1970ern hatte Emcke, wie schon oben erwähnt, das Wuppertaler Unternehmen Vorwerk und den Hamburger Zigarettenkonzern Reemtsma geleitet und sich dabei einen Ruf als »harter Sanierer«o.A.: Nur Klarheit.erarbeitet. Emcke kann als ein typischer Vertreter der bundesdeutschen Wirtschaftselite gelten, die durch ihre Personalverflechtung und wechselseitigen Kapitalbeteiligungen zwischen den bundesdeutschen Großunternehmen im Bereich der Banken, Versicherungen, Industrie und Handel den Kern der sogenannten »Deutschland AG« ausmachten.Ralf Ahrens / Boris Gehlen / Alfred Reckendrees: Die Deutschland AG als historischer Forschungsgegenstand, in: Ralf Ahrens / Boris Gehlen / Alfred Reckendrees (Hg.): Die »Deutschland AG«: Historische Annäherungen an den bundesdeutschen Kapitalismus, Essen 2013, S. 7–30, hier S. 7.Als Manager war Emcke ein Modernisierer von Unternehmensstrukturen und Managementmethoden, der in den ihn anvertrauten Unternehmen starke Innovationsschübe angeleitet hatte.Als ministerieller Sparringpartner wurde ihm das noch im Entstehen begriffene Referat »Interne Revision« zur Seite gestellt, das zu diesem Zeitpunkt erst aus einer Handvoll Beamter bestand, die in dem Außenseiter Emcke eine Konkurrenz für ihre noch nicht konsolidierten Zuständigkeiten sahen. In letztlich etwa 90 Einzelgesprächen,BArch, BW 1/251359, Untersuchung des Planungssystems und Rüstungsmanagement im BMVg, Vorwort.für die er jeweils 2–3 Tage von Hamburg nach Bonn flog, wurde Emcke mit Vertretern verschiedener Verwaltungsebenen im BMVg (Leitung, Planungsstab, Rüstungsabteilung), dem BWB und der NATO-Abwicklungsagentur für das Tornado-Projekt NAMMANAMMA = NATO Multi-Role Combat Aircraft Development and Production Management Agency.in München zusammengebracht. Auf Seiten der Industrie besuchte Emcke den Tornado-Generalunternehmer Panavia, die Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann, den Flugzeugbauer Messerschmitt-Bölow-Blohm (MBB) sowie die Maschinenbau Kiel (MaK). Neben der Analyse der Kostensteigerungen beim Tornado-Flugzeug lag sein Hauptaugenmerk dabei auf den Großprojekten Kampfpanzer Leopard 2 und der Fregatte 122.BArch, BW 1/251012, Anlage zum Schreiben H I 4 vom Oktober 1981.Im September 1981 stellte Emcke seine Veränderungsvorschläge vor, die sich zu einer umfassenden und innovativen Neuorganisation des Beschaffungswesens summierten:BArch, BW 1/190946, Entwurf Pressemitteilung vom September 1981.Die zentrale Innovation sollte die Einführung eines direkt dem Minister unterstellten »Controllers« als zentrale Kontrollinstanz nach betriebswirtschaftlichem Vorbild darstellen, dem das Rechnungswesen, die Zentralplanung, das Berichtswesen, die Datenverarbeitung und die Innere Revision unterstehen sollten. Zusätzlich sollten bei den »Bedarfsträgern« und den »Bedarfsdeckern«, also den Teilstreikräften und den zivilen Rüstungsstellen, Bereichscontroller geschaffen werden, die gemeinsam die verschiedenen Planungsaktivitäten in Übereinstimmung bringen sollten.Die Zusammenfassung der bisher dezentralen Rüstungsstellen des BMVg und des Bundeswehr-Beschaffungs-Amtes (BWB) in einem neuen »Rüstungsamt«. Einem verantwortlichen Staatssekretär sollten so informierte Entscheidungen ermöglicht und damit Verantwortlichkeit sichergestellt werden. Dadurch sollten Doppelstrukturen und Kompetenzüberschneidungen abgebaut werden. Auch eine Einsparung von etwa 200 Mitarbeitern sollte so möglich werden.Die Preis- und Vertragsgestaltung bei Rüstungsgütern sollte reformiert werden. Nachträgliche Änderungen an den Produkten durch die Industrie sollten eingeschränkt werden, um so zu einer höheren Planungssicherheit und Kostenkontrolle zu gelangen. Beschaffungsaufträge sollten also erst dann vergeben werden, wenn die Entwicklungs- und Konzeptionsphase im Wesentlichen abgeschlossen sei. Außerdem sollten die Preise so gestaltet werden, dass sie zur Schaffung von Anreizen zur Rationalisierung auf Seiten der Industrie und zur Weitergabe dieser Rationalisierungseffekte an den staatlichen Auftraggeber führen würden.Die Gründung einer »Rüstungs-Finanz-Abwicklungs-Gesellschaft«, die die im Haushalt genehmigten Mittel unter privatrechtlichen Bedingungen verwalten sollte. Im Grunde sollten durch diesen privatrechtlichen Umweg alle verwaltungsund haushaltsrechtlichen Vorgaben und Einschränkungen umgangen werden. Außerdem sollte so ermöglicht werden, »auf veränderte Verhältnisse im wirtschaftlichen Umfeld, Währungsrelationen und Verschiebungen in einzelnen Rüstungsprojekten so zu reagieren, wie es der Industrie möglich ist.«BArch, BW 1/190946, Entwurf Pressemitteilung vom September 1981.(Die Durchsetzbarkeit dieses radikalen Vorschlags wurde aber auch von Emcke selbst als nur äußerst gering betrachtet.)An den Hochschulen der Bundeswehr sollten betriebswirtschaftliche Weiterbildungsmöglichkeiten für die Verwaltungsbeamten geschaffen werden, damit diese sich regelmäßig »auf dem Organisationsund betriebswirtschaftlichen Sektor«BArch, BW 1/190946, Entwurf Pressemitteilung vom September 1981.fortbilden könnten.Kontrolle und »Controlling«: Innovation durch »Verbetriebswirtschaftlichung«Sowohl die Motivation Hans Apels zur Hinzuziehung »externen Sachverstandes«, als auch die schlussendlichen Reformvorschläge Manfred Emckes hatten in ihrem Kern eine anti-bürokratische Stoßrichtung. Apel wollte die »Neigung einer Ministerialbürokratie Konsens zu finden« durchbrechen, »bürokratische Hemmnisse« ausräumen und die gesamte Organisation kritisch »abgeklopft«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke, 6. 10. 1981, S. 3.wissen. Sein Berater Emcke teilte diese Einschätzung: »Die öffentliche und veröffentlichte Meinung sowie der Steuerzahler haben große Skepsis gegenüber Behörden, staatlichen Großorganisationen und deren Effizienz.«BArch, BW 1/190959, Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, S. 2.Dem stand ein starkes Zutrauen in das Problemlösungsvermögen unternehmerischer beziehungsweise betriebswirtschaftlicher Verfahren und Strukturen gegenüber. Die strukturelle Annäherung der Bürokratie an die Wirtschaftspraxis und die »Nutzung industrieller Erkenntnisse«BArch, BW 1/190946, Kurzbeschreibung des Auftrages an Herrn Emcke.war deshalb auch die zentrale Überlegung bei der Beauftragung Emckes. Dies geht auch aus dem Wortlaut seines Beratervertrags hervor:Der Auftragnehmer wird unter Nutzung neuer Erkenntnisse und praktischer nationaler sowie internationaler Erfahrungen der Industrie in beratender Funktion für den Bundesminister der Verteidigung Ansätze suchen, mit denen Management, Organisation und Verfahren des Bundesministers der Verteidigung für die Planung und Abwicklung komplexer Rüstungsvorhaben verbessert und an Industriestrukturen und –verfahren angepaßt[sic] werden können.BArch BW 1/190946, § 1 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Manfred Emcke vom 5. 5. 1981.Ganz in diesem Sinne zielten Emckes Vorschläge auf eine Zurückdrängung bürokratischer beziehungsweise verwaltungs- und haushaltsrechtlicher Handlungsweisen zugunsten betriebswirtschaftlicher Verfahren beziehungsweise eines am Markt orientierten Handelns. Unter den insgesamt fünf Reformvorschlägen Emckes war das Herzstück die Einführung eines betriebswirtschaftlichen Controllings, das die bürokratischen »z. T. vorsintflutlichen Verfahren«BArch, BW 1/190959, Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, S. 18.ersetzen sollte. Mit dem Auftrag ein konkretes Umsetzungskonzept für ein solches Controlling zu entwickeln, wurde in der Folge zwischen März und Juni 1982 ein Team der Unternehmensberatung McKinsey beauftragt.»Controlling« umfasst grundsätzlich ein »Subsystem der Führung, das Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung systembildend und systemkoppelnd ergebniszielorientiert koordiniert«Peter Horvath: Controlling, München 2011, S. 56., zit. n. Hans Jung, Controlling, München 2014, S. 7.. Die grundlegenden Bestandteile sind: Die Einführung und Kontrolle einer Unternehmensstrategie und deren Operationalisierung, Abstimmung von Planung und Steuerung über alle Unternehmensbereiche hinweg, Weiterleitung von bedarfsgerechten Informationen und damit Gewinnung einer höheren Reaktionsgeschwindigkeit sowie die Systematisierung von Entscheidungsfindungen.Hans Jung: Controlling, München 2014, S. 8.Die Grundidee bestand darin, die Informationen des Rechnungswesens, die bis dahin in erster Linie als Rechenschaftsbeleg für vergangenes Handeln dienten, zur Grundlage von zukünftigem Handeln und Planen zu machen. Aus den Informationen des Rechnungswesens sollten für die einzelnen Unternehmensbereiche Ziele für zukünftige Perioden abgeleitet und bewertet werden. Dies ermöglichte eine neue Art des Planens und der Planungskontrolle. Innerhalb bundesdeutscher Konzerne hatte sich eine solche »laufende Erfolgsund Wirtschaftlichkeitskontrolle der Kostenträger und Kostenstellen«Jung: Controlling, S. 5.beginnend mit den 1960er-Jahren; vermehrt dann als Rationalisierungsversuch in Reaktion auf abnehmende Wachstumsraten und wachsende internationale Konkurrenz während der 1970er- und 1980er-Jahre durchgesetzt. Als verantwortlicher Manager war Manfred Emcke Teil dieses Innovations-und Modernisierungsprozesses in der Industrie gewesen. Nun sollten die gleichen Innovationen die überforderte Bürokratie im Beschaffungsbereich ertüchtigen.Unternehmensberater als Innovations- und DiffusionsagentenIm Anschluss an die öffentlichkeitswirksame Vorstellung der Reformvorschläge durch Apel und Emcke im September 1981 sollte ein Team der amerikanischen Unternehmensberatung McKinsey eine »Detail-Durchführungs-Konzeption«BArch, BW 1/190946, Entwurf Pressemitteilung September 1981.entwickeln, auf deren Grundlage eine innere Reorganisation des Verteidigungsministeriums im Geiste der Vorschläge von Manfred Emcke durchgeführt werden sollte. Dass nun externe Akteure mit der konkreten Umgestaltung der bürokratischen Strukturen beauftragt werden sollten, war auch eine Reaktion der politischen Leitung auf die bürokratische Resilienz und den Veränderungsunwillen innerhalb der Bürokratie und als Durchsetzungsinstrument für organisatorische Innovationen zu diesem Zeitpunkt innerhalb der Bundesregierung selbst eine innovative Machtstrategie. Die Erfahrung der vorangegangenen Jahrzehnte hatte gezeigt, dass weitgehende Umstrukturierungen nicht aus der Bürokratie selbst heraus erarbeitet werden würden. Gerade der Veränderungsunwille machte den Rückgriff auf externe, kommerzielle Unternehmensberater attraktiv. Deren Externalität beziehungsweise das Außenseitertum der Unternehmensberater wurde von Manfred Emcke als wesentliches Argument für deren Fähigkeit zur Implementierung von Innovationen angeführt:Es kommt nicht von ungefähr, daß[sic] sich innerproblematische Organisationen, sprich Firmen- oder Staatsapparate, gegen externe Berater streuben[sic], weil sie befürchten, daß[sic] unliebsame Dinge aufgedeckt werden oder Veränderungen auftreten.BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 3.Zwar war die Einbeziehung kommerzieller Unternehmensberater in der Bundesrepublik der frühen 1980er-Jahre noch nicht sonderlich verbreitet, allerdings hatte gerade die Unternehmensberatung McKinsey & Company schon einige Aufträge von Bundesministerien erhalten. In der Unternehmensgeschichte der 1926 gegründeten Beratungsfirma scheint die Erschließung des öffentlichen Sektors in Westdeutschland ein folgerichtiger Schritt in einer fortwährenden Expansionsentwicklung gewesen zu sein. 1964 hatte die erste deutsche McKinsey-Dependance in Düsseldorf eröffnet, wo Deutsche Bank, Volkswagen und BASF bald zu den ersten bundesdeutschen Großkunden gehörten.Duff McDonald: The Firm. The Story of McKinsey and its Secret Influence on American Business, New York 2013, S. 79.Dabei verbreiteten die McKinsey-Berater die multi-divisionale und dezentralisierte Unternehmensstruktur amerikanischen Vorbildes auch in Europa.Matthias Kipping: American Management Consulting Companies in Western Europe, 1920 to 1990. Product, Reputation, and Relationships, in: Business History Review 73/2 (1999), S. 190–220, hier S. 191.Durch den globalen Maßstab ihrer Aktivitäten trugen sie so zunächst zu Innovationen in Unternehmensstrukturen und Geschäftspraktiken entlang eines amerikanischen Vorbildes bei, was letztlich zu einer tendenziellen »globalen Konvergenz«Kipping / Wright: Consultants In Context, S. 165.des Aufbaus von Großorganisationen führte. Die Expansion in die Bundesrepublik war dabei eine der besonderen Erfolgsgeschichten in der Unternehmensgeschichte von McKinsey. Bis 1970 hatte bereits mehr als die Hälfte der hundert größten deutschen Unternehmen ihre Dienste in Anspruch genommen.McDonald: The Firm, S. 79.1981 hatte McKinsey Büros in Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt und München, in denen etwa 100 Berater arbeiteten.BArch, BW 1/190959, McKinsey, McKinsey. Berater des Top-Managements, November 1981, S. 1.Nach eigenen Angaben bestand die Kundenstruktur des deutschen McKinsey-Ablegers in den frühen 1980er-Jahren zu 50 % aus Industrieunternehmen, zu 25 % aus Finanzinstituten und zu 25 % aus Behörden und Unternehmen der öffentlichen Hand.BArch, BW 1/190959, McKinsey, McKinsey. Berater des Top-Managements, November 1981, S. 4.Das Manager Magazin titelte bereits 1984: »McKinsey ist überall!«McDonald: The Firm, S. 164..Die starke Vernetzung des Beratungsunternehmens innerhalb global operierender Wirtschaftsunternehmen war eine Voraussetzung für die Legitimation der Berater. Das Zutrauen in die Fähigkeit, Innovationen formulieren und implementieren zu können, stammte zu wesentlichen Teilen aus dem Verweis darauf, Zugriff auf das Expertenwissen zu haben und über die Lösungsstrategien der bereits beratenen Unternehmen und Institutionen zu verfügen.Saint-Martin: New Managerialist State, S. 36.Ein wesentliches Leistungsversprechen der Berater war es nämlich, nicht nur passgenaue Innovationsstrategien zu erstellen, sondern über besonders erfolgreiche Problemlösungsstrategien und Innovationen aus den global führenden Unternehmen, sogenannte »Best Practices«, zu verfügen und diese implementieren zu können. Der Markt für die Beratung globaler Großunternehmen und -organisationen weist deshalb eine starke Konzentration nur weniger zentraler Beratungshäuser auf, die jeweils eine beeindruckende Liste an Kunden vorweisen können, aus der sich wiederum ihre Legitimation speist.Neben der Boston Consulting Group und Bain & Company war und ist McKinsey & Company der größte und älteste Triumvir dieser sogenannten »Big Three«-Managementberatungen.Auch aufgrund des dementsprechenden Auftretens und der kulturellen Unterschiede fanden die McKinsey-Berater im Bundesverteidigungsministerium auf der Bonner Hardthöhe zumeist eine ablehnende Haltung vor. Die Berater benutzten bewusst Jargon, um die Exklusivität der eigenen Kompetenzen zu kommunizieren. Nach Niklas Luhmann war gerade die betriebswirtschaftliche Unternehmenstheorie ein Feld, das sich für eine solche Sprache eignete, da in ihr laufend Moden wechseln, deren nichtssagende Titel […] zugleich eine Neuorientierung der Forschung und der Beratung suggerieren, sich also als Etiketten der Selbstauszeichnungen innerhalb der wissenschaftlichen und innerhalb der ökonomischen Konkurrenz von Beraterfirmen eignen.Niklas Luhmann: Kommunikationssperren in der Unternehmensberatung, in: Niklas Luhmann (Hg.): Schriften zur Organisation 4, Wiesbaden 2020, S. 437–452, hier S. 439.Durch das Sammeln von »Best Practices« in den beratenden Unternehmen, die entsprechend auch auf andere Kunden übertragen wurden,McDonald: The Firm, S. 5.wirkten sie durch wiederholte Implementierung bestimmter Innovationen als »Diffusionsagenten« zwischen Institutionen und gesellschaftlichen Teilbereichen. Die 1980er-Jahre waren Boom-Jahre für die Unternehmensberatungen, deren Markt in Nordamerika und Europa jährlich zwischen 25–30 % wuchs.Saint-Martin: New Managerialist State, S. 41.Die Vermutung liegt nahe, dass dieser rapide ausgeweitete Einsatz von kommerziellen Beratungen zu einer Isomorphie innerhalb und zwischen Organisationen verschiedener gesellschaftlicher Teilbereiche geführt hat. Auch Manfred Emcke betonte diese Funktion der Berater als Innovations- und Diffusionsagenten:Gute Industriefirmen haben externe Fachleute bei sich, weil sie es sich gar nicht leisten können, permanent Stabsabteilungen in der notwendigen Qualität zu unterhalten. Umso mehr, als dieses Wissen veraltet, während die externen Beratungsfirmen, wenn sie gut sind, durch ihre permanenten Aufträge in unterschiedlichsten Organisationen immer auf dem neuesten Stand sind.BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 3.Dieses Zitat zeigt auch, dass den Beratern die Fähigkeit zugesprochen wurde, Innovationen in Organisationen zu importieren. Statt auf ein Expertenwissen im eigentlich Sinne begründeten sie ihre Zuständigkeitsansprüche mit dem Verweis auf den universalen »gesunden Menschenverstand«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 171.und einer besonderen Kapazität zur Rationalität, die sich aus der Distanz zwischen Organisation und externen Beratern ergebe. Im Gegenteil de-legitimierten sie das Fachwissen in den jeweiligen Institutionen als Ballast im Sinne einer déformation professionnelle. Auch Verteidigungsminister Hans Apel berief sich auf die als vorteilhaft betrachtete Tatsache, dass die externen Unternehmensberater gerade nicht über Arbeitserfahrung in der beratenen Organisation verfügten:Aber wir alle wissen ja selbst, daß, wenn man lange genug in einem Arbeitsbereich tätig geworden ist, man Ecken und Kanten als etwas Selbstverständliches und nicht mehr abänderbar ansieht.BArch, BW 190946, Anlage zum Kurzprotokoll der 45. Sitzung des Verteidigungsauschuss am Freitag, dem 30. 10. 1981, Ausführungen von Bundesminister Dr. Apel und Wirtschaftsberater Emcke mit anschließender Aussprache, S. 5.Anstatt selbst über konkretes Fachwissen in dem jeweiligen Geschäftsbereich zu verfügen, welches sie ihren Klienten zur Verfügung stellten, boten die Unternehmensberater die Fähigkeit an, das Organisations- und Prozesswissen aus den Arbeitsebenen zu extrahieren, mit betriebswirtschaftlichem Wissen und Erfahrungen aus vorhergegangenen Aufträgen aufzubereiten und so Innovationsstrategien zu generieren und zu implementieren.Der BeratungsprozessAusgehend von den Vorschlägen Manfred Emckes entwickelte ein Beraterteam von McKinsey in der ersten Jahreshälfte 1982 ein grundlegendes Reorganisationsprogramm für weite Teile des Bundesverteidigungsministeriums und seiner nachgeordneten Bereiche. Am 8. März 1982 begannen die McKinsey-Berater mit der Arbeit auf der Bonner Hardthöhe. Das Projekt war auf eine viermonatige Dauer ausgelegt, in der zwei Partner und zwei Berater von McKinsey in einem Umfang von 220 ManntagenBArch, BW 190946, Anlage zum Kurzprotokoll der 45. Sitzung des Verteidigungsauschuss am Freitag, dem 30. 10. 1981, Ausführungen von Bundesminister Dr. Apel und Wirtschaftsberater Emcke mit anschließender Aussprache, S. 1.zunächst eine Bestandsaufnahme durchführen und schließlich ein Umsetzungskonzept für ein Controlling-System innerhalb des BMVg formulieren sollten. In drei »Prüfungsteams« arbeiteten sie jeweils mit einem Referenten der selbst erst kürzlich ins Leben gerufenen Internen Revision zusammen.BArch, BW 190946, Anlage zum Kurzprotokoll der 45. Sitzung des Verteidigungsauschuss am Freitag, dem 30. 10. 1981, Ausführungen von Bundesminister Dr. Apel und Wirtschaftsberater Emcke mit anschließender Aussprache, S. 1.Die erste Phase diente einer »Bestandsaufnahme«. In dieser Phase fand ein Wissenstransfer von der Verwaltung in Richtung der externen Berater statt. Dieser war nötig, da die externen Berater eben explizit über kein Expertenwissen im Hinblick auf die Arbeit im BMVg verfügten. Es war deshalb zunächst die Aufgabe der Fachabteilungen, die entsprechende Wissensgrundlage für die externen Berater zu schaffen, indem sie ihnen »alle relevanten Richtlinien, Planungserlasse und Vorschriften«BArch, BW 1/190944, McKinsey, Organisationskonzept für die Controlling-Funktion, Anlage zum Schreiben vom 7.12.1981, S. 7.gesammelt zur Verfügung stellten. Im Vordergrund stand die Erstellung des Controlling-Konzepts nach den Vorstellungen Emckes, die ja bereits prominent in der Öffentlichkeit präsentiert worden waren. Die Interne Revision stellte für die Berater im Vorfeld 74 Berichte, Protokolle und Konzeptpapiere zusammen.BArch, BW 1/251005, B. Fallsammlung / aufbereitete Unterlagen für McKinsey, S. 111.; selbiges auch in BW 1/251007.Neben Organisationsplänen unter anderem des BMVg, der Abteilungen Rüstung und Haushalt und des BWBs wurden den McKinsey-Beratern die gültigen Planungserlasse sowie Gutachten zu Kostenstrukturen und haushalterischen Arbeitsabläufen zur Verfügung gestellt.Das generelle Urteil der Berater über die praktizierten Planungsmethoden der Bundeswehr fiel geradezu vernichtend aus. Diese seien »unzureichend«, »unrealistisch« und »nur zum Teil transparent«.BArch, BW 1/251007, Schaubild 14.In einem Zwischenbericht nach sechs Wochen diagnostizierten sie, dass ein »erheblicher Teil der Probleme führungs- und nicht systembedingt« und die »Planung [...] im derzeitigen Zustand weitgehend unbrauchbar«BArch, BW 1/251357, Dokumentation, Vorbereitung und Durchführung der McKinsey-Untersuchung im BMVg vom 1. 3. bis 30. 6. aus der Sicht der Internen Revision, Juni 1982, S. 2.seien. Im Gegensatz zu vergleichbaren Strukturen in Industrieunternehmen bemängelten die McKinsey-Berater in dem Zwischenbericht die komplizierten Zuständigkeiten und die äußerst umständlichen Verfahren.BArch, BW 1/251357, Dokumentation, Vorbereitung und Durchführung der McKinsey-Untersuchung im BMVg vom 1. 3. bis 30. 6. aus der Sicht der Internen Revision, Juni 1982, S. 1.Der Prozess während der Beratung war jedoch kein ergebnisoffener Prozess, der bis dato unbekannte Antworten oder Erkenntnisse zu Tage fördern sollte, sondern eine zielgerichtete Extraktion von Wissen im Sinne eines feststehenden Zieles. Die Phase der Bestandsaufnahme diente deshalb auch hauptsächlich »nicht mehr zur Aufdeckung von Systemschwächen«BArch, BW 1/251357, Dokumentation, Vorbereitung und Durchführung der McKinsey-Untersuchung im BMVg vom 1. 3. bis 30. 6. aus der Sicht der Internen Revision, Juni 1982, S. 4..Gegenstand der zweiten Phase und Herzstück der Innovationsstrategie war die »Entwicklung eines Controlling-Organisationskonzeptes«BArch, BW 1/190944, McKinsey, Organisationskonzept für die Controlling-Funktion, Anlage zum Schreiben vom 7. 12. 1981, S. 7.. Aufbauend auf das extrahierte und aggregierte Wissen entwarfen die McKinsey-Berater ein Konzept, mit welchen schon im BMVg vorhandenen Kapazitäten ein Controlling-System »wie in einem Industrieunternehmen« umzusetzen sein sollte. Am 6. September 1982 stellten Verteidigungsminister Hans Apel, Manfred Emcke und der McKinsey-Deutschlandchef Friedrich Schieffer die Pläne zur Reorganisation des Verteidigungsministeriums auf einer gemeinsamen Pressekonferenz vor. Neben der Vorstellung des Controlling-Konzeptes war eine der zentralen Botschaften, dass das »Ministerium […] unter den heutigen Prämissen mit dem vorhandenen Instrumentarium nicht führbar«BArch, BW 1/190959, Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, S. 1.sei. Insofern hatte das Beratungsergebnis auch eine kommunikative Dimension, durch die der Minister noch nachträglich von persönlicher Verantwortlichkeit von den Missständen im Beschaffungswesen entlastet werden sollte.Aber auch das zukunftsgerichtete Reorganisationskonzept machte sich Apel zu Eigen: »Die vorgestellten Vorschläge entsprechen weitgehend den Vorstellungen des Bundesministers der Verteidigung.«BArch, BW 1/190959, Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, Vortrag Dr. Hans Apel, S. 1.Ob das von McKinsey erstellte Controlling-Konzept seinerseits zu Effizienzsteigerungen und einer effektiveren Abwicklung von Beschaffungsvorhaben geführt hätte, muss allerdings ohnehin eine hypothetische Fragestellung bleiben. Denn obwohl Hans Apel eine zeitnahe Umsetzung des Konzeptes vorgesehen hatte, beendete der Regierungswechsel am 1. Oktober 1982 alle diesbezüglichen Pläne.Beratung als Machtstrategie zur Durchsetzung organisatorischer InnovationBei der Untersuchung von Innovationsvorhaben in der Verwaltung müssen auch die Gründe betrachtet werden, warum diese so oft – wie auch in diesem Fall – scheiterten. Eine Hauptursache ist die Tatsache, dass der Wille der jeweiligen Leitung zur Umsetzung bestimmter organisatorischer Innovationen von den Akteuren innerhalb der Verwaltung nicht geteilt beziehungsweise sogar aktiv unterlaufen wird.Der betont zivile und kleinbürgerliche Hans Apel hatte von Anfang an ein schwieriges Verhältnis zu seinem von der militärischen Kultur dominierten Ministerium. In Folge der politischen Affäre rund um die Tornado-Beschaffung hatte Apel öffentlich eine »Überbürokratisierung«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 15.als krisenursächlich dargestellt. Das klar bürokratiefremde betriebswirtschaftliche Innovationsvorhaben verstärkte den inner-institutionellen Konflikt zwischen der politischen Leitung und den bürokratischen Funktionsträgern. Der Einsatz der Berater war deshalb auch eine Machtstrategie, um die organisatorische Innovation in Form des Controllings überhaupt erst entwickeln und durchsetzen zu können, welche wiederum Zuständigkeiten und damit Macht innerhalb des inner-institutionellen Konfliktes zu Gunsten der Leitung neu verteilen sollte.Luhmann: Kommunikationssperren, S. 441.Generell sind inner-institutionelle Konfliktsituationen ein häufiger Anlass zum Engagement von externen Beratern. Niklas Luhmann bezeichnete die Funktion von Unternehmensberatern deshalb als »konflikttherapeutisch«Luhmann: Kommunikationssperren, S. 441.. Innerhalb von inner-institutionellen Konflikten vertreten Berater dabei in der Regel die Interessen der sie beauftragenden Hierarchieebene und damit in der Regel der Leitung.Untere Hierarchieebenen hatten und haben schon strukturell kaum eine Möglichkeit ihrerseits Beratungsfirmen gegen die eigene Leitung ins Feld zu führen. Auch im vorliegenden Fall war die Entlastung des Ministers sowie dessen binnen-institutionelle Stärkung das maßgebliche Ziel. Dementsprechend sahen die Berater ihre Leistung nicht nur darin, dass sie Innovationsmaßnahmen erarbeiteten, sondern auch und gerade in deren Durchsetzung: »In jedem Fall ist die erfolgreiche praktische Verwirklichung der Beratungsergebnisse wesentlicher Bestandteil der Beratungsaufgabe.«BW 1/190959, McKinsey, McKinsey. Berater des Top-Managements, November 1981, S. 7.Auch Minister Apel betonte diese Funktion:Wir brauchen also die Externen. Erstens um den Blick zu schärfen, zweitens aber auch um das, was dann herauskommt, wenn Sie so wollen, unangreifbarer zu machen. Schließlich drittens auch um die Überzeugungskraft zu verstärken.BArch, BW 190946, Anlage zum Kurzprotokoll der 45. Sitzung des Verteidigungsauschuss am Freitag, dem 30. 10. 1981, Ausführungen von Bundesminister Dr. Apel und Wirtschaftsberater Emcke mit anschließender Aussprache, S. 5.Durch ihren extra-institutionellen Status konnten der Expertise der Berater dennoch die Merkmale Neutralität, Objektivität und Rationalität zugeschrieben werden. Dieser Verweis auf die vermeintliche Objektivität der Berater ist seinerseits eine diskursive Machttechnologie, die die Durchsetzung der jeweiligen Leitungsinteressen befördern sollte. Auch bei der öffentlichen Legitimierung des Einsatzes externer Berater durch Manfred Emcke spielte deren vermeintliche Neutralität und Objektivität eine entscheidende Rolle.BArch, BW 1/190944, Manfred Emcke an Bundesminister der Verteidigung vom 26. 3. 1982.Und auch Hans Apel betonte diese Verbindung von Externalität und vermeintlicher Objektivität:Kommt die externe Beraterfirma zu Reorganisationsvorschlägen, dann ist es sehr viel leichter, diese durchzusetzen, weil deren Vorschläge interessensfrei zustande gekommen sind.BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 5.Dabei machten alle Beteiligten mehr oder weniger direkt deutlich, dass kein neutrales Gutachten, sondern die Stärkung der Position des Ministers im Verhältnis zu seinem Haus das eigentliche Ziel der Bemühungen war. Manfred Emcke war seinerseits nicht Berater des Bundesverteidigungsministeriums, sondern »persönlicher Berater des Ministers« und verstand seine Aufgabe explizit darin, Wege zu suchen, um dessen inner-institutionelle Position zu stärken:Ich kann gut verstehen, dass die Herren auf der Hardthöhe keine Veränderungen wollen, das ist nicht nur ein Problem der Hardthöhe, das finden wir in allen grossen Organisationen. Es geht aber hier nicht auch nicht darum, was die Mitarbeiter auf der Hardthöhe wollen, sondern darum, was der jeweils verantwortliche politische Minister für seine Führung als notwendig erachtet.BArch, BW 1/190959, Manfred Emcke an Manfred Wörner vom 8. 11. 1982, S. 3.Es überrascht deswegen nicht, wenn auch das Controlling-Konzept selbst die Machtverhältnisse innerhalb des Ministeriums auf Kosten der unteren und mittleren Hierarchieebenen verschieben sollte. Möglichst viele Entscheidungen sollten »so nahe wie möglich an die Exekutive«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 10f.verlagert werden. Dementsprechend sollte die Zahl der Mitspracheberechtigten, die zwischen der Durchführung haushaltswirksamer Beschaffungsentscheidungen und der Ministeriumsspitze standen, erheblich verringert werden: »Die Vielstufigkeit des Mittelmanagement muß erheblich reduziert werden. Der Weg der Entscheidungsebene zu Ausführungsebene muß erheblich verkürzt werden […].«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 12.Die Installation eines »Wirtschaftsexperten«, »der dem Minister direkt untersteht und bei dem alle Fäden zusammenlaufen«o.A.: Controller im Katasteramt, in: Der Spiegel, vom 12. 10. 1981, online unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14336760.html (5. 1. 2021).sowie die Einrichtung eines betriebswirtschaftlichen Controlling-Apparates zur »Implementierung von Planungskontroll- und Informationsversorgungs-Systemen«o.A.: Controller im Katasteramt, in: Der Spiegel, vom 12. 10. 1981, online unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14336760.html (5. 1. 2021).hätten eine weitreichende Umgehung und Invalidierung bestehender bürokratischer Zuständigkeiten und Arbeitsabläufe bedeutet. Außerdem wären laut Emcke im Rüstungsbereich etwa 400 Beamte entbehrlich; im gesamten Ministerium bis zu 2000.Wolfgang Hoffmann: Rüsten für Papierkrieg, in: Die Zeit, vom 10. 9. 1982, URL: https://www.zeit.de/1982/37/ruesten-fuer-denpapierkrieg/komplettansicht (5. 1. 2021).Beim Personal der Ministerialverwaltung sollte außerdem eine »Umschichtung zu Gunsten von Betriebswirten«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 5.stattfinden. Nachvollziehbarerweise sahen darin einige Funktionsträger auch ganz direkte persönliche Bedrohungen, beispielsweise durch die Versetzung in nachgeordnete Behörden, Truppenteile oder allgemein weniger attraktive Dienstposten.Bürokratische BeharrungsstrategieSchon während der Vorstellung der Vorschläge Emckes erwartete Minister Apel eine Abwehrreaktion durch die militärischen und bürokratischen Funktionsträger: »Ich weiß allerdings was mir spätestens ab Morgen/Übermorgen von Seiten des örtlichen Personalrats ins Haus steht.«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981 Teil II, S. 3.Auch Manfred Emcke beklagte sich von Beginn seiner Untersuchung über »die Qualität der Mitarbeiter im Hause und das fehlende Engagement einiger leitender Herren«BArch, BW 1/190946, Emcke an Apel vom 26. 11. 1981, S. 2.. Keiner seiner Gesprächspartner hätte grundlegende Reformen für notwendig gehalten.BArch, BW 190946, Anlage zum Kurzprotokoll der 45. Sitzung des Verteidigungsauschuss am Freitag, dem 30. 10. 1981, Ausführungen von Bundesminister Dr. Apel und Wirtschaftsberater Emcke mit anschließender Aussprache, S. 10.Bezeichnend für die ablehnende Haltung gegenüber einer »Verbetriebswirtschaftlichung« der Strukturen des Ministeriums war auch ein Kommentar des Leiters des Organisationsstabes vor dem ersten Treffen mit Emcke: »Ich halte es für bedenklich, daß die vorgesehene Beratungstätigkeit durch einen solchen Gestaltungswillen belastet wird.«BArch, BW 1/251012, Leiter OrgStab an Sts Leister und Sts Leister vom 8. 4. 1981.Stattdessen organisierten einige Referate und Abteilungen eine gemeinsame Beharrungsstrategie um die Implementierung der Innovationspläne zu verzögern und angesichts des sich bereits abzeichnenden Machtwechsels hin zur Union endgültig zu verhindern. Der besondere Widerstand der Rüstungsabteilung ist dabei leicht verständlich, befanden die Berater sie doch für »praktisch überflüssig«BArch, BW Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, S. 5.. Insgesamt sahen die Referate der Rüstungsabteilung keine systemischen Probleme, sondern bloß das »Problem der Umsetzung bestehender Regelungen im konkreten Einzelfall.«BArch, BW Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, S. 5.Auch dass die Mängel bei der Beschaffung des Tornados zum Ausgangspunkt von grundlegenden Veränderungen gemacht werden würden, sei falsch, da der »Tornado wegen seines Ausnahmecharakters in jeder Beziehung nicht zum Maß aller Dinge gemacht werden darf.«BArch, BW 1/159540, Abteilungsleiter Rü an StS Dr. Leister vom April 1981, S. 2.Zur Abwehr der Reformvorschläge wurde zwischen der Rüstungs- und der Haushaltsabteilung eine Koalition mit argumentativer Aufgabenverteilung geschlossen und die Übertragung von betriebswirtschaftlichen Methoden auf die Verwaltung für im Kern unzulässig dargestellt.BArch, BW 1/159540, Abteilungsleiter Rü an Unterabteilungsleiter Rü VIII vom 22. 4. 1982.Ganz im Gegenteil bestand auf Seiten der Verwaltungsakteure kaum eine Motivation zu Einsparungen. Stattdessen war es erklärtes Ziel, »die im Haushalt bewilligten Mittel entsprechend den Zweckbestimmungen voll in Anspruch zu nehmen, da nach geltendem Haushaltssystem nicht ausgegebene Mittel für den Verteidigungshaushalt verloren sind.«BArch, BW 1/159540, Abteilungsleiter Rüstung an Sts Dr Leister vom April 1981.So lagen nicht etwa Einsparungen im Interesse der Bewirtschafter eines jeweiligen Haushaltstitels, sondern im Gegenteil der »volle Mittelabfluß[sic]« BArch, BW 1/159540, Abteilungsleiter Rüstung an Sts Dr Leister vom April 1981.– das Nicht-Ausgeben vorhandener Mittel sei sogar eine »Gefahr«BArch, BW 1/159540, Abteilungsleiter Rüstung an Sts Dr Leister vom April 1981.. Innerhalb des Verteidigungsministeriums führten diese Anreizstrukturen zu teils absurden Episoden, wenn sich beispielsweise Panzerkommandeure am Ende eines Haushaltsjahres zu Panzer-Wettrennen verabredeten, um die Treibstofflager zu leeren, damit die entsprechenden Zuweisungen im nächsten Haushaltsjahr wieder voll ausgeschöpft werden konnten.Apel: Der Abstieg, S. 168.Um die Innovationspläne des Ministers und seiner Berater abzuwehren und damit die eigene Kompetenz und Zuständigkeit zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen, wurde auch systematisch Wissen aggregiert und präsentiert. Als Gegenprogramm zu den Innovationsvorschlägen der externen Ministerberater organisierte der Organisationsstab beispielsweise ein Seminar zu »Organisationslehre – Organisationspraxis«BArch, BW 1/190946, Ergebnisprotokoll über das 4. Org-Seminar »Organisationslehre – Organisationspraxis« am 12. 11. 1981 im BMVg.. Professoren der Bundeswehr-Hochschulen konstatierten dort die »Ineffektivität hochkarätiger Controlling-Dienstposten.«BArch, BW 1/190946, Ergebnisprotokoll über das 4. Org-Seminar »Organisationslehre – Organisationspraxis« am 12. 11. 1981 im BMVg.Mit der »Hofer Kommission« wurde eine eigene Arbeitsgruppe gebildet, die konkurrierende Analyseergebnisse und Innovationsvorschläge produzierte. Weitere diesbezügliche Bemühungen bestanden in der Gründung der »Gesellschaft für Militärökonomie« im Jahr 1981, die Schriften herausgab, in denen Militärs und Ministerialbeamte eigene Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehr präsentieren konnten.Wolfgang Hoffmann: Die falsche Sparsamkeit, in: Die Zeit, vom 16. 10. 1981, online unter: https://www.zeit.de/1981/43/diefalsche-sparsamkeit/komplettansicht (12. 1. 2021).Laut Berichten des Organisationsstabes sei im ganzen Haus »eine gewisse Unruhe durch Mangel an Information nicht zu übersehen«BArch, BW 1/190944, Leiter OrgStab an Minister vom 5. 11. 1981.gewesen. Weiterhin würden durch die Heranziehung externer Berater »gleichzeitige, z. T. sogar durch die Leitung angeordnete Aktivitäten nicht zielstrebig oder gar nicht weitergeführt werden können.«BArch, BW 1/190944, Leiter OrgStab an Minister vom 5. 11. 1981.Diesen Einlass kann man durchaus als kaum verhohlene Boykotterklärung deuten. Und obwohl eigentlich mit der Titelverwaltung im Zusammenhang mit dem Beratungsvorgang beauftragt, weigerte sich der Leiter des Organisationsstabes gegenüber dem Finanzministerium »eine Begründung für die Entsperrung der für 1981 vorgesehenen 100.000 DM«BArch BW 1/190946, Leiter OrgStab an Abteilungsleiter H vom 2. 10. 1981.abzugeben, aus denen der Beratungsprozess finanziert werden sollte.Die Beamten wussten also bewusst politische Spannungen, z. B. die zwischen Verteidigungsminister Apel und Finanzminister Matthöfer, in ihrem Interesse zu nutzen. Die Suche nach politischen Verbündeten außerhalb des eigenen Apparats wurde besonders von weiten Teilen der Spitzenbeamten und Militärs praktiziert, die eine besondere Nähe zu den Unionsparteien hatten.BArch, BW 1/190946, Leiter OrgStab an BM Apel vom 6. 11. 1981.Anlässlich einer Interessenskollision durch die Annahme eines Aufsichtsratsmandates bei der Bremer Vulkan-Werft durch Manfred Emcke, machten sich Vertreter des Verwaltungsapparates ihre Kontakte ins »bürgerliche Lager« zu Nutze; und zwar publikumswirksam in der BILD-Zeitung: »Uns hat er vorgeworfen wir würden nicht richtig arbeiten. Und jetzt macht er für sich das große Geschäft!«BArch, BW 1/190959, Bild am Sonntag vom 18. 4. 1982, Feiner Posten für Minister-Freund.Die Unionsfraktion nahm den Beratungsprozess ihrerseits als günstigen Anlass, die von den Beratern diagnostizierten Fehlentwicklungen auf »die Führungsschwäche und Entscheidungsunfähigkeit des Verteidigungsministers«BArch, BW 1/190944, Pressereferat, Dokumentation vom 15. 10. 1981.zurückzuführen. Gleichzeitig entlasteten sie implizit und explizit die militärisch-bürokratischen Personen und Strukturen. Die Unterstützung durch die Union war für die Beamten und Militärs vor allem deswegen besonders wertvoll, da sich ein nahendes Ende der sozialliberalen Koalition bereits atmosphärisch ankündigte und eine baldige Übernahme der Regierungsverantwortung durch die CDU/CSU zusehends absehbar war. Dies erhöhte die Attraktivität von Verschleppungs- und Verzögerungstaktikten auf Seiten der Beamten. Das am direktesten formulierte bürokratische Widerstreben kam von der Personalvertretung der Ministerialbeamten.Der Personalrat warf dem Minister vor, mit der Beauftragung externer Unternehmensberater gegen das Bundesbeamtengesetz und das Grundgesetz verstoßen zu haben. Die Beauftragung von Unternehmensberatungen und die mangelnde Beteiligung der »zuständigen Fachabteilungen und Stäbe« sei rechtlich unzulässig, weswegen der Personalrat Klage beim Verwaltungsgericht einzulegen plante.BArch, BW 1/251358, Mittelungen des Personalrates vom 23. 9. 1982, S. 1f.Schon allein die Befragung durch externe Berater empfand man als Zumutung (»quasi wie vor Gericht«)BArch, BW 1/251358, Mittelungen des Personalrates vom 23. 9. 1982, S. 4.. Die Klagen über die Nicht-Beteiligung der Organisations- und Führungsstäbe wurden vom Personalrat wiederaufgegriffen. Man fühlte sich übergangen:Im Unterschied zu den externen Gutachtern, deren Arbeit der Herr Minister durch laufende Gespräche begleitet hat, hatten die eigenen Mitarbeiter keine Gelegenheit ihre Gedanken dem Herrn Minister vortragen zu dürfen.BArch, BW 1/190959, Mittelungen des Personalrates vom 23. 9. 1982, S. 3.Im ganzen Ministerium breitete sich »zunehmend Unruhe«BArch, BW 1/190959. Mitteilungen des Personalrates vom 7. 4. 1982, S. 2.unter den Mitarbeitern, ob der bevorstehenden Strukturveränderungen und möglicher Versetzungen aus. Das Controlling wurde als »Überwachungssystem, das die systematische Umgehung des Dienstweges einführt«BArch, BW 1/190959, Mittelungen des Personalrates vom 23. 9. 1982, S. 3.disqualifiziert. Es würde »den ersten Schritt einer grundlegenden Änderung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen im BMVg«BArch, BW 1/190959, Mittelungen des Personalrates vom 23. 9. 1982, S. 3.bedeuten, die abgelehnt wurde. Der Personalrat kündigte an, durch seine Mitbestimmungsrechte bei Versetzungen zwischen Dienststellen, jegliche Neuordnungen zu blockieren.Letztlich war diese Blockade- und Beharrungsstrategie der Verwaltungsakteure erfolgreich. Das Controlling-Konzept, welches die McKinsey-Berater erarbeitet hatten, konnte vom Minister zwar noch publikumswirksam vorgestellt werden, allerdings vereitelte das Ende der sozialliberalen Koalition im Herbst 1982 jede Chance auf Implementation. Den Beamten und Militärs war es gelungen, das vom Minister angestoßene und von den externen Beratern formulierte Innovationsvorhaben zu durchkreuzen.FazitIn der in diesem Beitrag untersuchten Episode verbanden sich letztlich zwei Elemente zu einer Innovations-und Machtstrategie. Zunächst sollte durch die »Verbetriebswirtschaftlichung«, also der Übertragung von »manageriellen« und betriebswirtschaftlichen Strukturen und Verfahren auf die Verwaltung, ein neuartiger Ansatz zur Bewältigung der bürokratischen Überforderungserfahrung beitragen. Aber auch der Einsatz von Unternehmensberatern selbst war eine innovative Machtstrategie, bei der organisatorische Neuordnung im Rahmen eines »Controllings« durch den Einsatz von externen Experten entwickelt und implementiert werden sollten.Der vorliegende Beitrag macht besonders deutlich, dass gerade die Implementierung von Innovationen innerhalb von Verwaltungsstrukturen die eigentliche Herausforderung darstellte. Der Einsatz von externen Unternehmensberatern sollte dabei auch als Machtstrategie gedeutet werden, die nicht nur die organisatorische oder methodische Bewältigung konkreter Problemstellungen zum Gegenstand hat, sondern auch explizit die Neuverhandlung inner-institutioneller Machtverhältnisse. Im vorliegenden Fall war es gerade die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit und die persönliche Frustrationserfahrung des Verteidigungsministers Hans Apel, die den Anlass zur Hinzuziehung von Manfred Emcke und der McKinsey-Berater gab.Und obwohl der Einsatz der Unternehmensberater auch als Durchsetzungsstrategie gedeutet werden kann, die gerade hier – mehr noch als bei der Konzeption der Reorganisationspläne – ihren eigentlichen Zweck hatte, scheiterte die Implementierung eines betriebswirtschaftlichen Controllings im Verteidigungsministerium letztlich angesichts der organisierten Resilienz innerhalb der Verwaltung. Insgesamt lässt sich ein hohes Maß an Widerstandsfähigkeit innerhalb der Militärbürokratie gegenüber den ministeriellen Innovationsplänen zur Neuordnung institutioneller Verantwortlichkeiten und Abläufe feststellen. Die als Einmischung wahrgenommene Arbeit der externen Experten bei der Konzeption neuer Zuständigkeiten und Verfahren führte auf Seiten der Verwaltungsakteure zu starker (und wirksamer) Ablehnung.Die organisatorischen Innovationen, die aus einer Verbetriebswirtschaftlichung der gewohnten Strukturen, Verfahren und Zuständigkeiten durch die Einführung eines »Controllings« zielte, wurden durchwegs abgelehnt. Im historischen Rückblick kann also die Ministerialverwaltung und das Verwaltungshandeln keineswegs als bloße Verlängerung des politischen Willens des Ministers betrachtet werden. Stattdessen eröffnen sich hier allgemeine Fragen zur Autonomie und Pluralität der Verwaltungsakteure, deren komplexe Binnenstrukturen oft übersehen werden. Wie beschrieben schlossen Teile der Bürokratie inner- und sogar außerhalb des Ministeriums Bündnisse, um die Durchsetzung der ministeriellen Innovationsvorhaben gezielt zu unterlaufen und waren damit letztlich erfolgreich.Der nachfolgende Verteidigungsminister Manfred Wörner (CDU) wurde im Anschluss auf der Hardthöhe »mit offenen Armen«Bald: Bundeswehr, S. 110.empfangen. Noch von der Oppositionsbank hatte er die Reformpläne von Manfred Emcke und das McKinsey-Konzept scharf kritisiert. Schon in der Opposition stand für Wörner fest,daß es unter einer Unionsregierung keinen Controller geben wird. […] Dann ist der Minister die arme Sau, und der Generalinspekteur wird zur Randfigur, die beim Controller allenfalls anfragen darf, ob sie vielleicht noch einen Lastwagen bekommen kann.o.A.: Nur Klarheit.Auf den ersten Blick erstaunlich ist, dass hier der Regierungswechsel hin zur unionsgeführten Bundesregierung die »Verbetriebswirtschaftlichung«, also die Übernahme betriebswirtschaftlicher Handlungsgrundsätze und Strukturen innerhalb der Verwaltung, zunächst stoppte, während die »Wende« von 1982 oft als Auftakt zu einer Ära des »Neoliberalismus« und der »Entstaatlichung« gilt.Vgl. Handschuhmacher: Privatisierung.Auch zuvor war es gerade die Unionsfraktion im Haushaltsausschuss, die 1981–1982 versucht hatte, die externen Berater im Verteidigungsministerium »auszuhungern.«Wolfgang Hoffmann: Bonner Kulisse, in: Die Zeit, vom 20. 11. 1981, online unter: https://www.zeit.de/1981/48/bonner-kulisse/komplettansicht (10. 7. 2020).Die Organisatoren der bürokratischen Beharrung gegen seinen Amtsvorgänger Apel wurden von Wörner mit Beförderungen belohnt. Als Verteidigungsminister verwarf Wörner die Konzeptionen, die von den McKinsey-Beratern entwickelt wurden, zunächst vollständig. Aber auch er wurde bald mit den strukturellen Mängeln seiner Bürokratie konfrontiert und so leitete Wörner seinerseits 1985 eine »Neuorganisation« des Rüstungsbereichs ein.Wolfgang Hoffmann: Bonner Kulisse, in: Die Zeit, vom 2. 8. 1985, online unter: https://www.zeit.de/1985/32/bonner-kulisse/komplettansicht (10. 7. 2020).Für die vorliegende Episode muss letztlich konstatiert werden, dass der Versuch einer Innovation durch »Verbetriebswirtschaftlichung« scheiterte und sich damit zunächst auch keine Entwicklung hin zu einer Angleichung der staatlichen Strukturen an unternehmerische Vorbilder ergab. Auch der Einsatz der externen Berater als Machtstrategie im inner-institutionellen Konflikt konnte den Umbau der Verwaltung letztlich nicht garantieren. Dies lag vor allem daran, dass die politische Leitungsebene des Ministeriums den bürokratischen Funktionsträgern, die die Beharrungskräfte gegenüber den externen Beratern organisieren konnten, in der inner-institutionellen Konstellation unterlagen.Durch eine Beharrungsstrategie konnten Letztere die Implementierung der Reformvorschläge bis zum Regierungswechsel im Herbst 1982 erfolgreich verzögern und eine Diffusion »managerieller Fragmente« verhindern. Obgleich die interne Implementation der Vorschläge der Berater auf ganz erhebliche Widerstände stoß, konnte die Tatsache der Hinzuziehung externer Berater für Minister Hans Apel zur Grundlage einer politisch-kommunikativen Strategie genutzt werden, mit der der Minister dem öffentlichen Legitimationsdruck im Zusammenhang mit dem Tornado-Untersuchungsausschuss erfolgreich begegnen konnte.Das Engagement von McKinsey im BMVg war zwar eine Premiere, aber keine Zäsur. Die Einbeziehung von externen, kommerziellen Unternehmensberatern in die Entscheidungsfindung über die innere Struktur der staatlichen Verwaltung war zunächst einer besonderen, an den spezifischen Kontext des Beschaffungsbereichs im Verteidigungsministerium gebundenen, Problemwahrnehmung geschuldet. Gleichwohl war es Teil des Beginns einer Entwicklung, in deren Verlauf sich die Hinzuziehung externer und kommerzieller Unternehmensberatung zu politischen und administrativen Entscheidungsfindungsprozessen enorm verbreitete und normalisierte. Die Einführung eines betriebswirtschaftlichen Controllings, wie von Emcke und McKinsey 1982 gefordert, wurde von Bundeswehr und Ministerialbürokratie zunächst noch weitere drei Jahrzehnte erfolgreich »abgewehrt«. Erst in Folge der Bundeswehrreformen 2011 wurde ein Controlling eingeführt, nachdem jahrzehntelange Implementierungsversuche »von Führungskräften vehement bekämpft, bestenfalls ignoriert«Holger Morick / Christopher Kaatz: Wie Controlling in die Bundeswehr einzog, in: Controlling und Management Review, Sonderheft 3 (2014), S. 82–89, hier S. 82.wurden.About the AuthorJohannes Löhr studied law, history and business administration at the universities of Leipzig, Mannheim and Exeter. As a research assistant at the Chair of Contemporary History at the University of Mannheim, his main research interests centered on the history of administrative and political affairs in the Federal Republic of Germany. Since 2021, Johannes Löhr is manager for information and policy at the National Centre for Charging Infrastructure (“Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur”) of the Federal Ministry for Digital and Transport in Berlin. http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png Administory de Gruyter

McKinsey auf der Hardthöhe: Unternehmensberater im Bundesministerium der Verteidigung 1981/82

Administory , Volume 6 (1): 21 – Dec 1, 2021

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© 2022 Johannes Löhr, published by Sciendo
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2519-1187
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10.2478/adhi-2022-0002
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Abstract

EinleitungDass Annegret Kramp-Karrenbauer nach ihrer Kür zur CDU-Vorsitzenden im Sommer 2019 die Nachfolge von Ursula von der Leyen im Verteidigungsministerium bewusst für sich beanspruchte, überraschte manche Beobachter. Gilt doch das Amt des Bundesverteidigungsministers gemeinhin nicht als Traumjob für Ministerinnen oder Minister mit Kanzlerambitionen. Als »Schleudersitz«o. A.: Schleudersitz Verteidigungsministerium, in: Spiegel Online, online unter: https://www.spiegel.de/fotostrecke/verteidigigungsministerium-als-schleudersitz-der-ueberblickfotostrecke-169716.html (10. 1. 2021).unter den Kabinettsposten brachte das Amt auch »AKK« kein Glück. Besonders der Rüstungsbereich sorgt mit immer neuen Verspätungen, Kostensteigerungen oder Materialmängeln verlässlich für regelmäßige politische Krisen und Affären. Und wann immer eine Verteidigungsministerin oder ein Verteidigungsminister öffentlich in die Kritik geriet, verwiesen sie oder er »reflexhaft darauf, sein ›Haus‹, das Verteidigungsministerium, sei nun einmal nicht durchgängig fehlerfrei zu führen – es sei letztendlich unregierbar.«Hans Rühle: Das Verteidigungsmysterium, in: Die Zeit, vom 11. 7. 2013, online unter: https://www.zeit.de/2013/29/de-maizieredrohnen-verteidigungsmysterium (1. 09. 2020).Der Einsatz externer Berater im Bundesverteidigungsministerium (BMVg), der jüngst Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses wurde, ist jedoch kein exklusives Phänomen der Berliner Republik. Auch auf der Bonner Hardthöhe, wo das Bundesverteidigungsministerium auch noch nach dem Umzug nach Berlin seinen Hauptsitz hat, suchten die politischen Führungen schon in der ›alten Bundesrepublik‹ wiederholt außerhalb des militär-bürokratischen Apparates nach externen Lösungskompetenzen für Reformen und Innovationen für die als behäbig, intransparent und dysfunktional wahrgenommenen Strukturen. Seit der Amtszeit Helmut Schmidts zieht sich deshalb eine Tradition der Implementationsversuche von Innovationen speziell innerhalb des Rüstungs- und Beschaffungsbereiches mithilfe externer Akteure durch die Geschichte des Bundesverteidigungsministeriums, welche ebenso regelmäßig scheiterten.Hans Rühle: Von der Leyens Physikerin betritt vermintes Gelände, in: Die Welt, vom 27. 10. 2014, online unter: https://www.welt.de/print/die_welt/politik/article133682358/Von-der-Leyens-Physikerinbetritt-vermintes-Gelaende.html (1. 9. 2020).Nach dem Höhepunkt der bundesdeutschen Reform- und Planungseuphorie in den 1960er-Jahren hatte sich im Laufe der 1970er-Jahre das Zutrauen in die Gestaltungsmacht bürokratischer Verfahren und Akteure stark eingetrübt. Gerade bei den politisch Verantwortlichen innerhalb der sozialliberalen Bundesregierung stellte sich eine Ernüchterung ein in Bezug auf die unzureichende Gestaltungsmacht des bürokratischen Instrumentariums angesichts der Folgen von Strukturbruch und Ölpreiskrisen. Im Gegensatz zu den staatlichen Bürokratien schienen stattdessen zunehmend global operierende Unternehmen und ihre umtriebigen Unternehmensberater über das Wissen über zeitgemäße Strukturen und Arbeitsabläufe zu verfügen. Das Leistungsangebot global operierender Unternehmensberater erschien so auch für bürokratische Organisationen als eine mögliche Quelle für Innovation, mit der die Gestaltungsfähigkeit bürokratischer Organisationen (wieder-)hergestellt werden sollte.Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Beitrag die versuchte Einführung eines Controlling-Apparates im Bonner Verteidigungsministerium mithilfe eines McKinsey-Beraterteams im Spätherbst der sozialliberalen Koalition in den Jahren 1981–1982. Im Fokus stehen dabei die Rolle von externen Unternehmensberatern bei der Einführung organisatorischer Innovationen und insbesondere ihr Verhältnis zu den verschiedenen Akteuren innerhalb der Ministerialverwaltung.Grundlegende wirtschaftshistorische Forschungen zur Consulting-Industrie stammen von Matthias Kipping und Christopher Wright.Matthias Kipping / Christopher Wright: Consultants In Context. Global Dominance, Societal Effect, And The Capitalist System, in: Matthias Kipping / Timothy Clark (Hg.): The Oxford Handbook of Management Consulting, Oxford 2012, S. 165–186.Was die Politikberatung angeht, so ist die historische Rolle kommerzieller Berater im Gegensatz zur wissenschaftlichen Politikberatung in der bundesdeutschen Geschichte weniger gut erforscht. Diesem Desiderat widmete sich im Herbst 2020 die Potsdamer Tagung »Internalizing external experience«.Sebastian Schöttler: Internalizing external experience. Perspektiven auf kommerzielle Beratung in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, in: H-Soz-Kult, online unter: https://www.hsozkult.de/event/id/termine-42633 (10. 12. 2020).Speziell mit der Beratung von Behörden hat sich das kürzlich abgeschlossene Dissertationsprojekt von Alina Marktanner am Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung zu »Neuaushandlungen des Politischen durch wirtschaftliche Politikberatung in den 1950er- bis 1990er-Jahren« beschäftigt. Allerdings beschäftigt sich Marktanner hauptsächlich mit kleineren bundesdeutschen Beratungen, die den öffentlichen Sektor als Nischenmarkt für sich entdeckten. Im Zusammenhang mit einem Engagement von Unternehmensberatern im Postministerium in den Jahren 1983–1985 kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Berater »nicht in erster Linie Expertenwissen, sondern vor allem Begründungsnarrative für einen nachträglicher verfolgten Konsolidierungskurs«Alina Marktanner: Kompetenzen im Widerstreit. Unternehmensberater als Personalplaner der Deutschen Bundespost 1983–1985, in: Felix Selgert (Hg.): Externe Experten in Politik und Wirtschaft, Berlin 2020, S. 167–195, hier S. 195.lieferten. Bei der Beratung der nordrhein-westfälischen Landesregierung zum Bildungssystem hätten die Berater beispielsweise dafür gesorgt, »den Sparkurs dabei als einzig sachlich vertretbaren zu kennzeichnen.«Alina Marktanner: Wie viel darf Schule kosten? Unternehmensberater als Erfüllungsgehilfen staatlicher Haushaltssanierung, 1980er und 1990er Jahre, in: Rüdiger Graf (Hg.): Ökonomisierung. Debatten und Praktiken in der Zeitgeschichte, Göttingen 2019, S. 117–138, hier S. 136.In der ProfessionssoziologieVgl. Tim Seidenschnur et al.: Berater im Spiegel des Feldes. Eine professionssoziologische Rekonstruktion ihrer Legitimierung in Verwaltungen und Universitäten, in: SozW 69/1 (2018), S. 6–32., der PolitikwissenschaftVgl. Andreas Huchler: Behördenberatung in Deutschland. Erklärungen und Befunde zur Beraternachfrage in Stadtverwaltungen, Wiesbaden 2009.und ganz besonders der BetriebswirtschaftslehreVgl. Matthias Kipping / Timothy Clark (Hg.): The Oxford Handbook of Management Consulting, Oxford 2012.existieren Studien zum Themenbereich der Beratung öffentlicher Verwaltungen durch private Unternehmensberatungen. In diesen Fachrichtungen richten sich seit der Jahrtausendwende jeweils fächerspezifische Blickwinkel auf das Phänomen.Robin Finchman / Timothy Clark: Introduction. The Emergence of Critical Perspectives on Consulting, in: Robin Finchman / Timothy Clark (Hg.): Critical Consulting. New perspectives on the Management Advice Industry, Oxford 2002, S. 1–20, hier S. 3.Anschlussmöglichkeiten bestehen auch im Zusammenhang mit der als »Ökonomisierung« beschriebenen Zeitdeutung. Diese ist »seit den 1980ern zu einem verbreiteten Topos der Gegenwartsdiagnostik avanciert.«Rüdiger Graf: Einleitung, in: Rüdiger Graf (Hg.): Ökonomisierung: Debatten und Praktiken in der Zeitgeschichte, Göttingen 2019, S. 9–28, hier S. 9.Die populären Ökonomisierungsdiagnostiken und Beschreibungen einer »neoliberalen« normativen Ordnung, sind kaum von der inhärenten Kritik an den beschriebenen Phänomenen zu trennen.Graf: Einleitung, S. 11–12.Demgegenüber stand bzw. steht die »positive Vision« einen behäbigen und unflexiblen Staat mit zunehmend beschränkten Finanzmitteln durch »die Ausdehnung von Marktmitteln« zu dynamisieren.Graf: Einleitung, S. 15.Die »Ökonomisierung« der Verwaltung wird dabei häufig mit dem Konzept des »New Public Management« verbunden.Vgl. z. B. Edwin Czerwick: Die Ökonomisierung des öffentlichen Dienstes. Dienstrechtsreformen und Beschäftigungsstrukturen seit 1991, Wiesbaden 2007; oder Allessandro Pelizzari: Die Ökonomisierung des Politischen. New Public Management und der neoliberale Angriff auf die öffentlichen Dienste, Konstanz 2001.Ab den 1980er-Jahren hätten sich überall in den westlichen Industrienationen Reformkräfte daran gemacht, den »vermeintlich zum ›Leviathan‹ wuchernden Staat«Alexander Nützenadel: Stunde der Ökonomen. Wissenschaft, Politik und Expertenkultur in der Bundesrepublik 1949–1974, Göttingen 2014, S. 361.zurechtzustutzen und eine Phase der Privatisierung eingeleitet. Nach Doering-Manteuffel und Raphael machte die angebotene Leistungspalette der Berater den »Neoliberalismus zu einem Markenartikel«Anselm Doering-Manteuffel / Lutz Raphael: Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 2008, S. 52.. Dabei ist mittlerweile auch deutlich, dass »das Bild von der Stärkung privater Akteure zu Lasten des Staates eine unzulässige Vereinfachung ist.«Marcel vom Lehn: Geschichte eines Sachzwangs. Privatisierung als historischer Prozess, in: Neue Politische Literatur 58 (2013), S. 59–76, hier S. 75.Im Gegensatz dazu diagnostizierte Thomas Handschuhmacher eine »Persistenz traditioneller Denkmuster«Boris Gehlen: Rezension. Thomas Handschuhmacher, Was soll und kann der Staat noch leisten? Eine politische Geschichte der Privatisierung in der Bundesrepublik 1949–1989, Göttingen 2018, in: Historische Zeitschrift 309 (2019), S. 835–836, hier S. 835..Die äußerst komplex aufgebaute Verwaltung von Bundeswehr und Verteidigungsministerium mit ihrem chronisch intransparenten Beschaffungsbereich war und ist dabei ein besonderes »Sorgenkind« innerhalb der bundesdeutschen Verwaltungslandschaft. In Folge technisch und institutionell hochkomplexer, internationaler Rüstungsaufträge kam es auch und gerade innerhalb der Beschaffungspraxis wiederholt zu Überforderungserfahrungen. Auch die wiederholten Reorganisationsversuche durch die politische Führung hatten kaum erkennbare Erfolge. Besonders augenfällig wurden diese Defizite als sich im Jahr 1980 die Beschaffung des neuen Tornado-Flugzeuges enorm verteuerte. In den Augen des SPD-Verteidigungsministers Hans Apel hatte der Expertenstatus der Beamten, bzw. die Zuschreibung entsprechender Lösungs- und Gestaltungskompetenz, dabei nachhaltig Schaden genommen. Auch vor der breiteren Öffentlichkeit konnten die Mängel des undurchsichtigen Beschaffungswesens nicht mehr verborgen werden – im Bundestag untersuchte ein parlamentarischer Untersuchungsauschuss die politischen und bürokratischen Versäumnisse. Die Namensgebung des »Tornados« eröffnete dabei für die öffentliche Berichterstattung die ganze Bandbreite der Sturm- und Unwetter-Metaphorik.Angesichts dieser auch persönlich prekären politischen Lage riet Bundeskanzler Helmut Schmidt, der als Verteidigungsminister bereits selbst mit Ernst Wolf Mommsen einen Manager mit der Reform des Rüstungsbereichs beauftragt hatte, seinem Nachfolger Apel: »Hol dir industriellen Sachverstand ins Haus.«o. A.: Am Ende Krach, in: Der Spiegel, vom 2. 3. 1981, online unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14315123.html (12. 12. 2020).Woraufhin Apel im März 1981 den Hamburger Manager Manfred Emcke als ehrenamtlichen »Berater des Ministers in industriellen Fragen«o. A.: Am Ende Krach.engagierte. Emcke hatte zuvor das Wuppertaler Haushaltsgeräte-Unternehmen Vorwerk und den Hamburger Zigarettenkonzern Reemtsma geleitet und sich dabei einen Ruf als »harter Sanierer«o.A.: Nur Klarheit, in: Der Spiegel, vom 13. September 1982, online unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14351684.html (12. 12. 2020).erarbeitet. In den folgenden anderthalb Jahren entwickelte Manfred Emcke – zunächst auf sich allein gestellt, später mit Unterstützung eines vierköpfigen Teams der Unternehmensberatung McKinsey – eine nach betriebswirtschaftlich-unternehmerischem Vorbild gestaltetes »Controlling« für den Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums.Kern dieser organisatorischen Innovation sollte die Einführung eines betriebswirtschaftlichen Controlling-Apparates und eines direkt dem Minister unterstellten Controllers sein, dem das Rechnungswesen, die Zentralplanung, das Berichtswesen, die Datenverarbeitung und die Innere Revision unterstünden. Die Implementierung dieser organisatorischen Innovation hätte für die Beamten und Militärs des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg), des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB)Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung wurde 2012 mit dem Bundesamt für Informationsmanagement und Informationstechnik der Bundeswehr vereinigt und firmiert seitdem als Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw).sowie der Teilstreitkräfte eine grundlegende Disruption ihrer etablierten Strukturen, Zuständigkeiten, Arbeits- sowie Planungsmethoden bedeutet. Gerade deshalb entfaltete sich innerhalb des (militär-) bürokratischen Apparates eine enorme Beharrungskraft und Abwehrhaltung gegenüber den beabsichtigten Innovationen, die sich in Blockadehaltungen, Verzögerungs- und Verschleppungstaktiken manifestierte, die sogar die aktive Diskreditierung der politischen Leitung im Bündnis mit Vertretern von Opposition und Presse umfasste.In der in diesem Beitrag untersuchten Episode verbanden sich letztlich zwei Elemente zu einer zweistufigen politisch-institutionellen Machtstrategie. Durch den Einsatz von internationalen Unternehmensberatern wollte Minister Hans Apel seine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit innerhalb der Ministerialbürokratie ausgleichen. Daneben stellt die »Verbetriebswirtschaftlichung«, also die Übertragung von »manageriellen« und betriebswirtschaftlichen Strukturen und Verfahren auf die Verwaltung einen umfassenden Innovationsansatz dar, der in den Folgejahren und -jahrzehnten eine breite Rezeption finden sollte. Aber auch der Einsatz von Unternehmensberatern selbst war eine innovative Machtstrategie, bei die Problemlösungsstrategien durch den Einsatz von externen Experten entwickelt und implementiert werden sollten. Die vorliegende Studie macht besonders deutlich, dass organisatorische oder methodische Innovationen mit Neuverhandlungen von Macht und Zuständigkeiten einhergehen. Inner-institutionelle Konflikte können sowohl Ausgangspunkt, Begleiterscheinung und Folge von Innovationen sein. Sowohl der Einsatz der Unternehmensberater als auch die Einführung des Controllings sollten die inner-institutionellen Machtverhältnisse zugunsten der Leitung verschieben.Und obwohl der Einsatz der Unternehmensberater auch als Machtstrategie gedeutet werden kann, die im vorliegenden Fall – mehr noch als bei der Konzeption der Reorganisationspläne – ihren eigentlichen Zweck in der Verschiebung der inner-institutionellen Machtverhältnisse hatte, scheiterte die Implementierung eines betriebswirtschaftlichen Controllings im Verteidigungsministerium letztlich angesichts des organisierten Widerstandes innerhalb der Verwaltung. Der Widerstand innerhalb der Verwaltung nahm die Form einer organisierten Beharrungsstrategie im Sinne einer systematischen Abwendung von Veränderungen und Innovationen an. Dieser Beitrag beleuchtet also nicht nur, welche Problemkonstellationen mit der Macht- und Innovationsstrategie aus Beratereinsatz und »Verbetriebswirtschaftlichung« der Verwaltung bewältigt werden sollte, sondern auch und gerade warum diese Innovationen letztlich scheiterte.Dauerbaustelle BeschaffungsverwaltungDie Einschätzung der Bürokratie war im 20. Jahrhundert oft ambivalent und reichte von der Wertschätzung der geregelten Verfahrensabläufe bis zur Wahrnehmung als hemmende und ineffiziente Einrichtung.Jannes Bergmann: Tagungsbericht. Armee und Bürokratie – Organisationsgeschichtliche Perspektiven auf das Militärische im 20. Jahrhundert, 26. 3. 2019 Potsdam, in: H-Soz-Kult, online unter: https://www.hsozkult.de/searching/id/tagungsberichte-8369?title=armee-und-buerokratie-organisationsgeschichtliche-perspektiven-auf-das-militaerische-im-20-jahrhundert&q=r%C3%BCstung&page=3&sort=&fq=&total=1049&recno=41&subType=fdkn (12. 12. 2020).Eine besondere Ausprägung dieser Ambivalenz findet sich auch und gerade im Spannungsfeld zwischen Bürokratie und Militär. Aus der militärischen Sichtweise wurde die Verwaltung mitunter als »unmilitärisch« und als Behinderung wahrgenommen, während andererseits das Militär notwendigerweise selbst Verwaltung hervorbringt.Bergmann: Armee und Bürokratie.Aufgrund der besonderen Rolle des Militärs unterschied sich der Aufbau des Bundesministeriums der Verteidigung grundlegend von demjenigen anderer Ressorts.Mit ca. 483.000 Soldaten und 183.000 zivilen Angestellten im Jahr 1982 war das Bundesverteidigungsministerium der größte Arbeitgeber, bzw. die größte Dienstherrin, der Bundesrepublik. Entsprechend umfangreich stellten sich die Aufgabenund Ausgabenseite dar. Im Jahr 1982 lag der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bundeshaushalt bei 18,1 %. Der Verteidigungshaushalt war damit regelmäßig der zweitgrößte Ausgabenposten des Bundes. Die zunehmend angespannte Haushaltslage ab der zweiten Ölpreiskrise 1979 führte auch beim Verteidigungsressort zur Erhöhung des Kostendrucks. Nach einer langen Periode stetiger Erhöhungen erreichten die Ausgaben Anfang der 1980er-Jahre ein Plateau.Hans-Günter Bode: Militärische und zivile Verwaltung, in: Hans Pohl / Georg-Christoph Unruh / Kurt Jeserich (Hg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5: Die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1987, S. 518–563, hier S. 542.Zugleich war das Ministerium auch der größte öffentliche Auftraggeber der Bundesrepublik in den Bereichen Forschung, Entwicklung, Beschaffung und Instandsetzung und mit über 100 Ausbildungseinrichtungen die größte Erwachsenenbildungsorganisation. Auch aufgrund dieser enormen Größe und Komplexität der Aufgaben war die politische Leitung des Ministeriums nur stark eingeschränkt dazu fähig, das Haus effektiv zu leiten und eigene Planungen umzusetzen. Hans Apel, der das Amt des Bundesministers der Verteidigung von 1978 bis 1982 ausübte, bezeichnete sein Haus deswegen wiederholt als einen »Wasserkopf«, der »nicht mehr regierbar« Bundesarchiv (Freiburg) [BArch], BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke, 6. 10. 1981, S. 13.sei.In Hinblick auf die Zukunftsplanung waren die Verwaltungsakteure an die haushaltsrechtlichen Regelungen des 1969 verabschiedeten Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) gebunden.Karl-Heinrich Hansmeyer / Rolf Caesar: Die finanzwirtschaftliche Entwicklung seit 1949, in: Hans Pohl / Georg-Christoph Unruh / Kurt Jenisch (Hg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5: Die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1987, S. 919–953, hier S. 923.Planerische Maßnahmen mussten fortan einer »mehrjährigen Finanzplanung« genügen, d. h. es mussten konkrete Plangrößen und Zielprojektionen für die Zukunft festgelegt werden. Darin impliziert waren enorme Erwartungen an das staatliche Vermögen zur Planung und Gestaltung zukünftiger Entwicklungen. Mag dies 1969 bei stetig zunehmenden Wachstumsraten noch als sicher gegolten haben, wurden mit den wirtschaftlichen Stagnationen und Fluktuationen ab den 1970er-Jahren die Spielräume für gegenwärtiges Handeln und zukunftsgewandtes Planen durch erzwungene Festlegungen aus Vorperioden eingeschränkt. Nach dem »Fälligkeitsprinzip« durften nur solche Einnahmen und Ausgaben Aufnahme in den Haushalt finden, die auch in dem jeweiligen Haushaltsjahr fällig werden.Wolfgang Eggert: Fälligkeitsprinzip, in: Gebaler Wirtschaftslexikon, online unter: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/faelligkeitsprinzip-34414/version-257917 (5. 1. 2021).Das heißt im Gegensatz beispielsweise zu betriebswirtschaftlichen Buchführungsgrundsätzen konnten keine Puffer oder Rücklagen für mögliche Mehrkosten in Folgeperioden eingebucht werden. Die verwaltungs- und haushaltsrechtlichen Bestimmungen führten bei großen Beschaffungsvorhaben zu weitgehender Inflexibilität, wie sich beim Tornado zeigte.Spätestens ab den 1970er-Jahren hatte sich zwischen der zunehmenden Komplexität der Aufgaben und dem beschränkten Leistungs- und Anpassungsvermögen bürokratischer Strukturen eine »Modernisierungs- beziehungsweise Leistungslücke«Thomas Armbrüster / Johannes Banzhaf / Lars Dingemann: Unternehmensberatung im öffentlichen Sektor. Institutionenkonflikt, praktische Herausforderungen, Lösungen, Wiesbaden 2012, S. 22.aufgetan. Die Bundeswehrverwaltung musste auf dem Beschaffungswege den Bedarf der Streitkräfte an Forschung, technischer Entwicklung, Produktion sowie Instandhaltung über privatrechtliche Verträge mit Industrieunternehmen aus dem In- und Ausland decken.Bode: Militärische und zivile Verwaltung, S. 553.Die Herausforderungen in der Vertragsgestaltung und nachträglichen Kontrolle von Leistungen, Qualität, Lieferterminen und Kosten stiegen mit der zunehmenden technischen Komplexität der Rüstungsprodukte. Daher unterschieden sich »Organisationsstruktur, Entscheidungsverfahren und personelle Qualifikationserfordernisse«Bode: Militärische und zivile Verwaltung, S. 553.in erheblichem Maße zum Beispiel von einer »gesetzesdirigistischen«Eberhard Schmidt-Aßmann: Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee. Grundlagen und Aufgaben der verwaltungsrechtlichen Systembildung, Heidelberg 2006, S. 199., am Gesetzesvollzug orientierten, Verwaltung.Besonders war auch die strukturelle Trennung zwischen Streitkräften und der »Wehrverwaltung«. Damit ergab sich, dass Rüstungsverträge nicht von den Teilstreitkräften abgeschlossen werden konnten, sondern dass hier zivile Zuständigkeiten beim BMVg, beziehungsweise bei dessen nachgeordneten, zivilen Beschaffungsbehörden wie etwa dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) lagen.Bode: Militärische und zivile Verwaltung, S. 540; Seit 2012: Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw).Dies erzeugt eine Trennung zwischen den militärischen Stellen, die das Material verwendeten, und den zivilen Stellen, die die Beschaffung durchzuführen hatten.Bode: Militärische und zivile Verwaltung, S. 540. In Fragen des Preisund Auftragswesens waren diese wiederum an die engen Vorgaben des Wirtschaftsministeriums gebunden.Zusätzlich beanspruchte die Rüstungsabteilung im BMVg die Zuständigkeit für mehr und mehr Beschaffungsvorgänge und erzeugte so weitere Unklarheiten im Verhältnis zu und zwischen den nachgeordneten Stellen.BArch, BW 1/190959, Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, S. 4.Diese mehrfache Trennung und Überschneidung von zivilen und militärischen Verantwortlichkeiten führte zu Doppelstrukturen und unklaren Zuständigkeiten, die einerseits den Informationsfluss in Richtung der Leitung des Ministeriums erschwerten und andererseits widerstrebende Zentren für Planungsaktivitäten schufen und Verantwortungsdiffusion begünstigten.Stefanie van de Kerkhof: Waffen und Sicherheit im Kalten Krieg. Das Marketing der westdeutschen Rüstungsindustrie 1949–1990, Berlin 2019, S. 61.Im Beschaffungsbereich lag im Grunde sogar eine vierfache Kompetenzüberschneidung vor; zwischen dem Generalinspekteur der Bundeswehr, der als oberster Soldat die strategische Ausrichtung der Bundeswehr verantwortete, der jeweiligen Teilstreitkraft (Heer, Luftwaffe oder Marine), die die Bedarfe bestimmen und das Material letztlich benutzen sollte, dem Koblenzer BWB als zentraler Beschaffungsbehörde und größter Oberbehörde des Bundes sowie der Rüstungsabteilung im BMVg.Bode: Militärische und zivile Verwaltung, S. 552.Die extrem komplexen und oft redundanten bürokratischen Zuständigkeiten und Verfahren waren das Ergebnis entsprechender binnen-institutioneller Dynamiken. Einmal erreichte Kompromisse wurden oft verstetigt. So entwickelten sich beispielsweise feste Verteilungsschlüssel für den Anteil der Teilstreitkräfte am Budget, anstatt dass sich diese flexibel am jeweiligen Bedarf ausrichteten. Für das Heer lag dieser informell festgelegte Ausgabenanteilsschlüssel bei 47,5 %, für die Luftwaffe bei 24 % und für die Marine bei 10,8 %.BArch, BW 1/251011, McKinsey & Company, Organisationskonzept. Controlling, Zwischenbericht/Bestandsaufnahme BMVg, 27. 4. 1982, Schaubild 9.Diese Ausrichtung an festen Quoten führte dazu, dass der jeweils vorgegebene Finanzrahmen vollständig »ausgeplant«BArch, BW 1/251359, Dokumentation, Untersuchung des Planungssystems und Rüstungsmanagaement im BMVg, S. 23.wurde, anstatt dass sich Planungen an sich ändernden Bedarfen orientierten.Neben dem mangelnden Informationsfluss in Richtung der Spitze des Hauses und der »mangelnden Einbindung der obersten Entscheidungsebene in den Planungsprozess«BArch, BW 1/251359, Dokumentation, Untersuchung des Planungssystems und Rüstungsmanagaement im BMVg, S. 20.erschwerten die redundanten und komplizierten Zuständigkeitsverteilungen auch die Kontrolle der unteren Hierarchieebenen und die wirkungsvolle Durchsetzung von Weisungen. Die Versuche einer wirksamen Reorganisation waren ebenso häufig wie wirkungslos. Dies lag vor allem an der starken Eigenwilligkeit bürokratisch-militärischer Teileinheiten und »Bereichsegoismus«.BArch, BW 1/251359, Dokumentation, Untersuchung des Planungssystems und Rüstungsmanagaement im BMVg, S. 16.Der Beschaffungsbereich des Bundesverteidigungsministeriums blieb im Grunde während seiner gesamten Existenz eine »Dauerbaustelle« mit sich ständig ändernden Aufgabenzuschnitten. Als Reaktion auf die politische Krise, die sich ab 1980 aus den Komplikationen bei der Beschaffung des Tornado-Kampfflugzeuges ergaben, reagierte Verteidigungsminister Hans Apel mit dem Versuch einer umfassenden organisatorischen Innovation auf seine persönliche Frustrationserfahrung sowie den steigenden Legitimationsdruck im Zusammenhang mit einem zu dieser Frage einberufenen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.Legitimationszwänge und InnovationsdruckAuch die Schwierigkeiten bei der Entwicklung des Tornados resultierten aus Abstimmungs- und Planungsproblemen, Zuständigkeitsüberschneidungen, unterschiedlichen Interessen sowie den komplizierten und teils unterschiedlichen Anforderungen der Teilnehmerländer Italien, Großbritannien und Westdeutschland.Bernd Lemke: Eine Teilstreitkraft zwischen Technik, Organisation und demokratischer Öffentlichkeit. Waffensysteme der Luftwaffe, in: Frank Nägler (Hg.): Die Bundeswehr 1955–2005, Berlin 2007, S. 369–396, hier S. 388.Die internationalen Lieferketten erforderten bei den Rüstungsplanern im Bonner Ministerium und im Koblenzer Beschaffungsamt gänzlich andere Auffassungen über die eigene Rolle und Aufgabe, neuartiges Wissen und neuartige Methoden. Dahingehende Innovationen wurden jedoch bis zum politischen Skandal um die Kostenexplosionen bei der Tornado-Beschaffung im Jahr 1980 weitestgehend vermieden. Bis dahin wurden die Ineffizienzen und Verteuerungen lange in Kauf genommen, da sie von stetig wachsenden Haushalten überdeckt wurden.Die technische Komplexität führte zu einer Verlagerung der Kostenschwerpunkte, weg von Entwicklung und Produktion, hin zur Nutzungsphase. Dies machte auch Neuerwägungen zum Beispiel in Hinblick auf zukünftige Instandhaltungs- und Reparaturkosten notwendig. Für derartige zu prognostizierende Kosten-Nutzen-Erwägungen fehlte jedoch das Problembewusstsein. Neben dem Tornado wurden seit der Amtszeit des Verteidigungsministers Georg Leber (1972–1978) außerdem einige weitere besonders ambitionierte und kostspielige Rüstungsprojekte für die Bundeswehr in Auftrag gegeben; allein zwischen 1976 und 1978: Der »Kampfpanzer Leopard 2, der [Flugabwehrpanzer] Gepard, 6 Fregatten, die Schnellboote der Klasse 143A, das Flugzeug Alpha Jet, der Flakpanzer Roland, die Panzerabwehrrakete Milan, der Panzerabwehrhubschrauber und […] das fliegende Frühwarnsystem Awacs.«Hans Apel: Der Abstieg. Politisches Tagebuch 1978–1988, Stuttgart 1991, S. 138.Diese starke Häufung großvolumiger Beschaffungsvorhaben, in denen jeweils hohe Mehrkosten auftraten, führte zu Beginn der 1980er-Jahre angesichts einer veränderten gesellschaftlichen Atmosphäre dazu, dass der Druck auf die politischen Akteure stieg. In der Endphase der sozialliberalen Koalition dominierten die erneuerte Anspannung der Ost-West-Beziehungen und die Auseinandersetzungen um den NATO-Doppelbeschluss die bundesrepublikanische Außen- und Innenpolitik. Der Prozess der »innergesellschaftlichen Selbstverständigung«Philipp Gassert: Rüstung, Bündnissolidarität und Kampf um Frieden. Lernen aus dem NATO-Doppelbeschluss von 1979?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (2019), online unter: https://www.bpb.de/apuz/289939/lernen-aus-dem-nato-doppelbeschluss-von-1979?p=all (10. 1. 2021).im Rahmen von Nachrüstung und Friedensbewegung berührte dabei zwangsläufig auch die gesellschaftliche Stellung der Bundeswehr. Dieser atmosphärische Kontext führte u. a. zu einer gesunkenen gesellschaftlichen Bereitschaft, ständig steigende Verteidigungsausgaben und deren sicherheitspolitische Begründungsnarrative unhinterfragt zu akzeptieren. Sowohl für die politisch Verantwortlichen als auch für die Beamten auf der Bonner Hardthöhe bedeutete dies einen erhöhten Legitimations- und Veränderungsdruck.Die Annahme, dass innerhalb der bürokratischen Strukturen, wie im Weber’schen Ideal nach dem Grundsatz der »Rationalität« gehandelt würde, wurde durch außer Kontrolle geratene Kostenexplosionen wie beim Tornado erschüttert. Dies untergrub auch in der Öffentlichkeit den bürokratischen »Rationalitätsanspruch«.Heinrich Mäding: Verwaltung und Planung, in: Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh / Kurt Jeserich (Hg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5: Die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1987, S. 1043–1067, hier S. 1048.In weiten Teilen der Gesellschaft und besonders in der regierenden SPD wurde es zunehmend schwierig zu vermitteln, die stetig knapper scheinenden staatlichen Finanzmittel für Nachzahlungen von sich stetig verteuernden Rüstungsgütern zu verwenden. Die zunehmend global vorgenommenen Einschränkungen auf der staatlichen Ausgabenseite verstärkten Dringlichkeit und Virulenz der »innergesellschaftlichen Selbstverständigung«,Gassert: Lernen aus dem NATO-Doppelbeschluss?die den NATO-Doppelbeschluss begleitete.Bei dem gerade für die sozialdemokratische Regierungspartei ohnehin schwierigen Vorhaben, Haushaltskonsolidierung, gesunkene Steuereinnahmen und Konjunkturprogramme zu vereinbaren, wirkten die Preissteigerungen bei der Rüstung als politischer Sprengsatz. Gerade die Beratungen um die Haushalte 1981 und 1982 wurden dementsprechend ungewöhnlich scharf geführt. In der ersten Fraktionssitzung nach dem gewonnenen Wahlkampf 1980 kassierte SPD-Finanzminister Hans Matthöfer viele der kurz zuvor noch angestrebten sozialstaatlichen Expansionsprojekte. Die Möglichkeit, Mehrkosten und Planungsdefizit im Rüstungsbereich schlicht mit neuen Haushaltsallokationen zu überdecken, war somit aufgrund der politisch-gesellschaftlichen Stimmungslage und zunehmend knapper Kassen im Jahr 1981 nicht mehr möglich.Verbetriebswirtschaftlichung als InnovationsstrategieKrise der BürokratieIn der Folge des »Strukturbruchs« als eines »sozialen Wandels von revolutionärer Qualität« Doering-Manteuffel / Raphael: Nach dem Boom, S. 10f.ergaben sich insgesamt Neuverhandlungen von Zuständigkeitsansprüchen und Kompetenz-zuschreibungen innerhalb der bundesdeutschen Gesellschaft. In den 1970er-Jahren hatten schon die industriellen Großunternehmen eine »Anpassungskrise [erlebt], die sie ebenfalls zu drastischen beschäftigungspolitischen und strategischen Neuorientierungen«Anselm Döring-Manteuffel: Der Epochenbruch in den 1970er-Jahren. Thesen zur Phänomenologie und den Wirkungen des Strukturwandels »nach dem Boom«, in: Anselm Döring-Manteuffel (Hg.): Konturen von Ordnung: Ideengeschichtliche Zugänge zum 20. Jahrhundert, Berlin 2019, S. 424–441, hier S. 425.gezwungen hatte. Viele Großunternehmen wurden mit der Tatsache konfrontiert, dass viele der Märkte, die sie bedienten, zusehends gesättigt waren.Stefanie van de Kerkhof: »Business is War«. Zur Kontinuität militärstrategischen Denkens in Management und Consulting, in: Tim Müller / Klaas Voß / Bernd Greiner (Hg.): Erbe des Kalten Krieges, Hamburg 2013, S. 383–400, hier S. 397.Damit ging eine »Unsicherheit in Bezug auf die angemessene Form von Organisation und Führung«Werner Plumpe: Das kalte Herz. Kapitalismus. Die Geschichte einer andauernden Revolution, Berlin 2019, S. 557, zit. n. Marktanner, Kompetenzen im Widerstreit, S. 170.und die Suche nach möglichen Innovationsstrategien einher. Bei der sich anschließenden Suche nach geeigneten Organisationsformen und Verfahren griff die bundesdeutsche Industrie erstmals großflächig auf das Leistungsangebot amerikanischer Unternehmensberatungen zurück.Vor dem Hintergrund stetig wachsender Haushaltsdefizite und beschränkter Gestaltungsfähigkeit seit Mitte der 1970er-Jahre übertrug sich ein vergleichbarer kriseninduzierter Anpassungsdruck zunehmend auch auf den öffentlichen Sektor. Die Bürokratie, die eigentlich selbst als Problemlöser fungieren sollte, wurde ihrerseits zum Problem und die Neuorganisation ihres inneren Aufbaus selbst zur politischen Aufgabe. Selbst die Fähigkeit, ihre eigenen Abläufe in einem zufriedenstellenden Maße zu gestalten, wurde infrage gestellt. Im Gegensatz zu dem etablierten Handeln auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften, schienen die auf dem zunehmend globalen Markt agierenden Wirtschaftsunternehmen und ihre umtriebigen Berater besser in der Lage zu sein, sich auf die neuartigen Herausforderungen einzustellen.Mit Beginn der 1980er-Jahre wurde auch in staatlichen Zusammenhängen zunehmend Wissen nachgefragt, welches sich in der mehr oder weniger direkten Markterfahrung gebildet hatte, vor allem aus der Betriebswirtschaftslehre. Unter dem Schlagwort »New Public Management« baute etwa das Großbritannien Margaret Thatchers die bürokratischen Strukturen nach »manageriellen« Grundsätzen um. Bei der Ausgestaltung dieser Reformpläne spielten kommerzielle Unternehmensberater eine entscheidende Rolle.Vgl. Denis Saint-Martin: Building the New Managerialist State. Consultants and the Politics of Public Sector Reform in Comparative Perspective, Oxford 2004.Der »Industrielle Sachverstand« und das Dienstleistungsangebot der globalen Beratungsunternehmen wurden aber auch in der Bundesrepublik als mögliche Bewältigungsstrategie für die Versäumnisse der Bürokratie betrachtet. Auch im Verteidigungsministerium empfand die politische Spitze, vor allem Verteidigungsminister Hans Apel, den ihm unterstehenden bürokratischen Apparat mit seinen Binnendynamiken und intransparenten Abläufen zunehmend als unzeitgemäßen Ballast.Externe Beratung im internen KonfliktAnlässlich der neuartigen Rechtfertigungszwänge und seiner zusehends prekären politischen Stellung in Folge der »Tornadokrise« begann Hans Apel nach Lösungsmöglichkeiten für eine Reform des Beschaffungsbereichs zu suchen, die sich vor allem auch als deutliche Botschaft des Reformwillens kommunizieren lassen sollten. Auch Bundeskanzler Helmut Schmidt empfahl einen »Industriemanager« zu Rate zu ziehen, wie Schmidt dies 1970 mit Ernst Wolf Mommsen selbst bereits praktiziert hatte.Apel: Der Abstieg, S. 143.Durch die Vermittlung des ehemaligen Bundesbankpräsidenten Karl Klasen engagierte Apel den Hamburger Manager Manfred Emcke, um »Verfahrensabläufe, Auftragsvergabe, Wirtschaftlichkeit im Bereich des Verteidigungsministeriums kritisch zu untersuchen, mit dem Ziel bei knapper werdenden Mitteln zu einer besseren Kosten-Nutzen-Relation zu kommen und schlimme Überraschungen wie à la Tornado zu vermeiden.«Apel: Der Abstieg, S. 144.In den 1970ern hatte Emcke, wie schon oben erwähnt, das Wuppertaler Unternehmen Vorwerk und den Hamburger Zigarettenkonzern Reemtsma geleitet und sich dabei einen Ruf als »harter Sanierer«o.A.: Nur Klarheit.erarbeitet. Emcke kann als ein typischer Vertreter der bundesdeutschen Wirtschaftselite gelten, die durch ihre Personalverflechtung und wechselseitigen Kapitalbeteiligungen zwischen den bundesdeutschen Großunternehmen im Bereich der Banken, Versicherungen, Industrie und Handel den Kern der sogenannten »Deutschland AG« ausmachten.Ralf Ahrens / Boris Gehlen / Alfred Reckendrees: Die Deutschland AG als historischer Forschungsgegenstand, in: Ralf Ahrens / Boris Gehlen / Alfred Reckendrees (Hg.): Die »Deutschland AG«: Historische Annäherungen an den bundesdeutschen Kapitalismus, Essen 2013, S. 7–30, hier S. 7.Als Manager war Emcke ein Modernisierer von Unternehmensstrukturen und Managementmethoden, der in den ihn anvertrauten Unternehmen starke Innovationsschübe angeleitet hatte.Als ministerieller Sparringpartner wurde ihm das noch im Entstehen begriffene Referat »Interne Revision« zur Seite gestellt, das zu diesem Zeitpunkt erst aus einer Handvoll Beamter bestand, die in dem Außenseiter Emcke eine Konkurrenz für ihre noch nicht konsolidierten Zuständigkeiten sahen. In letztlich etwa 90 Einzelgesprächen,BArch, BW 1/251359, Untersuchung des Planungssystems und Rüstungsmanagement im BMVg, Vorwort.für die er jeweils 2–3 Tage von Hamburg nach Bonn flog, wurde Emcke mit Vertretern verschiedener Verwaltungsebenen im BMVg (Leitung, Planungsstab, Rüstungsabteilung), dem BWB und der NATO-Abwicklungsagentur für das Tornado-Projekt NAMMANAMMA = NATO Multi-Role Combat Aircraft Development and Production Management Agency.in München zusammengebracht. Auf Seiten der Industrie besuchte Emcke den Tornado-Generalunternehmer Panavia, die Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann, den Flugzeugbauer Messerschmitt-Bölow-Blohm (MBB) sowie die Maschinenbau Kiel (MaK). Neben der Analyse der Kostensteigerungen beim Tornado-Flugzeug lag sein Hauptaugenmerk dabei auf den Großprojekten Kampfpanzer Leopard 2 und der Fregatte 122.BArch, BW 1/251012, Anlage zum Schreiben H I 4 vom Oktober 1981.Im September 1981 stellte Emcke seine Veränderungsvorschläge vor, die sich zu einer umfassenden und innovativen Neuorganisation des Beschaffungswesens summierten:BArch, BW 1/190946, Entwurf Pressemitteilung vom September 1981.Die zentrale Innovation sollte die Einführung eines direkt dem Minister unterstellten »Controllers« als zentrale Kontrollinstanz nach betriebswirtschaftlichem Vorbild darstellen, dem das Rechnungswesen, die Zentralplanung, das Berichtswesen, die Datenverarbeitung und die Innere Revision unterstehen sollten. Zusätzlich sollten bei den »Bedarfsträgern« und den »Bedarfsdeckern«, also den Teilstreikräften und den zivilen Rüstungsstellen, Bereichscontroller geschaffen werden, die gemeinsam die verschiedenen Planungsaktivitäten in Übereinstimmung bringen sollten.Die Zusammenfassung der bisher dezentralen Rüstungsstellen des BMVg und des Bundeswehr-Beschaffungs-Amtes (BWB) in einem neuen »Rüstungsamt«. Einem verantwortlichen Staatssekretär sollten so informierte Entscheidungen ermöglicht und damit Verantwortlichkeit sichergestellt werden. Dadurch sollten Doppelstrukturen und Kompetenzüberschneidungen abgebaut werden. Auch eine Einsparung von etwa 200 Mitarbeitern sollte so möglich werden.Die Preis- und Vertragsgestaltung bei Rüstungsgütern sollte reformiert werden. Nachträgliche Änderungen an den Produkten durch die Industrie sollten eingeschränkt werden, um so zu einer höheren Planungssicherheit und Kostenkontrolle zu gelangen. Beschaffungsaufträge sollten also erst dann vergeben werden, wenn die Entwicklungs- und Konzeptionsphase im Wesentlichen abgeschlossen sei. Außerdem sollten die Preise so gestaltet werden, dass sie zur Schaffung von Anreizen zur Rationalisierung auf Seiten der Industrie und zur Weitergabe dieser Rationalisierungseffekte an den staatlichen Auftraggeber führen würden.Die Gründung einer »Rüstungs-Finanz-Abwicklungs-Gesellschaft«, die die im Haushalt genehmigten Mittel unter privatrechtlichen Bedingungen verwalten sollte. Im Grunde sollten durch diesen privatrechtlichen Umweg alle verwaltungsund haushaltsrechtlichen Vorgaben und Einschränkungen umgangen werden. Außerdem sollte so ermöglicht werden, »auf veränderte Verhältnisse im wirtschaftlichen Umfeld, Währungsrelationen und Verschiebungen in einzelnen Rüstungsprojekten so zu reagieren, wie es der Industrie möglich ist.«BArch, BW 1/190946, Entwurf Pressemitteilung vom September 1981.(Die Durchsetzbarkeit dieses radikalen Vorschlags wurde aber auch von Emcke selbst als nur äußerst gering betrachtet.)An den Hochschulen der Bundeswehr sollten betriebswirtschaftliche Weiterbildungsmöglichkeiten für die Verwaltungsbeamten geschaffen werden, damit diese sich regelmäßig »auf dem Organisationsund betriebswirtschaftlichen Sektor«BArch, BW 1/190946, Entwurf Pressemitteilung vom September 1981.fortbilden könnten.Kontrolle und »Controlling«: Innovation durch »Verbetriebswirtschaftlichung«Sowohl die Motivation Hans Apels zur Hinzuziehung »externen Sachverstandes«, als auch die schlussendlichen Reformvorschläge Manfred Emckes hatten in ihrem Kern eine anti-bürokratische Stoßrichtung. Apel wollte die »Neigung einer Ministerialbürokratie Konsens zu finden« durchbrechen, »bürokratische Hemmnisse« ausräumen und die gesamte Organisation kritisch »abgeklopft«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke, 6. 10. 1981, S. 3.wissen. Sein Berater Emcke teilte diese Einschätzung: »Die öffentliche und veröffentlichte Meinung sowie der Steuerzahler haben große Skepsis gegenüber Behörden, staatlichen Großorganisationen und deren Effizienz.«BArch, BW 1/190959, Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, S. 2.Dem stand ein starkes Zutrauen in das Problemlösungsvermögen unternehmerischer beziehungsweise betriebswirtschaftlicher Verfahren und Strukturen gegenüber. Die strukturelle Annäherung der Bürokratie an die Wirtschaftspraxis und die »Nutzung industrieller Erkenntnisse«BArch, BW 1/190946, Kurzbeschreibung des Auftrages an Herrn Emcke.war deshalb auch die zentrale Überlegung bei der Beauftragung Emckes. Dies geht auch aus dem Wortlaut seines Beratervertrags hervor:Der Auftragnehmer wird unter Nutzung neuer Erkenntnisse und praktischer nationaler sowie internationaler Erfahrungen der Industrie in beratender Funktion für den Bundesminister der Verteidigung Ansätze suchen, mit denen Management, Organisation und Verfahren des Bundesministers der Verteidigung für die Planung und Abwicklung komplexer Rüstungsvorhaben verbessert und an Industriestrukturen und –verfahren angepaßt[sic] werden können.BArch BW 1/190946, § 1 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Manfred Emcke vom 5. 5. 1981.Ganz in diesem Sinne zielten Emckes Vorschläge auf eine Zurückdrängung bürokratischer beziehungsweise verwaltungs- und haushaltsrechtlicher Handlungsweisen zugunsten betriebswirtschaftlicher Verfahren beziehungsweise eines am Markt orientierten Handelns. Unter den insgesamt fünf Reformvorschlägen Emckes war das Herzstück die Einführung eines betriebswirtschaftlichen Controllings, das die bürokratischen »z. T. vorsintflutlichen Verfahren«BArch, BW 1/190959, Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, S. 18.ersetzen sollte. Mit dem Auftrag ein konkretes Umsetzungskonzept für ein solches Controlling zu entwickeln, wurde in der Folge zwischen März und Juni 1982 ein Team der Unternehmensberatung McKinsey beauftragt.»Controlling« umfasst grundsätzlich ein »Subsystem der Führung, das Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung systembildend und systemkoppelnd ergebniszielorientiert koordiniert«Peter Horvath: Controlling, München 2011, S. 56., zit. n. Hans Jung, Controlling, München 2014, S. 7.. Die grundlegenden Bestandteile sind: Die Einführung und Kontrolle einer Unternehmensstrategie und deren Operationalisierung, Abstimmung von Planung und Steuerung über alle Unternehmensbereiche hinweg, Weiterleitung von bedarfsgerechten Informationen und damit Gewinnung einer höheren Reaktionsgeschwindigkeit sowie die Systematisierung von Entscheidungsfindungen.Hans Jung: Controlling, München 2014, S. 8.Die Grundidee bestand darin, die Informationen des Rechnungswesens, die bis dahin in erster Linie als Rechenschaftsbeleg für vergangenes Handeln dienten, zur Grundlage von zukünftigem Handeln und Planen zu machen. Aus den Informationen des Rechnungswesens sollten für die einzelnen Unternehmensbereiche Ziele für zukünftige Perioden abgeleitet und bewertet werden. Dies ermöglichte eine neue Art des Planens und der Planungskontrolle. Innerhalb bundesdeutscher Konzerne hatte sich eine solche »laufende Erfolgsund Wirtschaftlichkeitskontrolle der Kostenträger und Kostenstellen«Jung: Controlling, S. 5.beginnend mit den 1960er-Jahren; vermehrt dann als Rationalisierungsversuch in Reaktion auf abnehmende Wachstumsraten und wachsende internationale Konkurrenz während der 1970er- und 1980er-Jahre durchgesetzt. Als verantwortlicher Manager war Manfred Emcke Teil dieses Innovations-und Modernisierungsprozesses in der Industrie gewesen. Nun sollten die gleichen Innovationen die überforderte Bürokratie im Beschaffungsbereich ertüchtigen.Unternehmensberater als Innovations- und DiffusionsagentenIm Anschluss an die öffentlichkeitswirksame Vorstellung der Reformvorschläge durch Apel und Emcke im September 1981 sollte ein Team der amerikanischen Unternehmensberatung McKinsey eine »Detail-Durchführungs-Konzeption«BArch, BW 1/190946, Entwurf Pressemitteilung September 1981.entwickeln, auf deren Grundlage eine innere Reorganisation des Verteidigungsministeriums im Geiste der Vorschläge von Manfred Emcke durchgeführt werden sollte. Dass nun externe Akteure mit der konkreten Umgestaltung der bürokratischen Strukturen beauftragt werden sollten, war auch eine Reaktion der politischen Leitung auf die bürokratische Resilienz und den Veränderungsunwillen innerhalb der Bürokratie und als Durchsetzungsinstrument für organisatorische Innovationen zu diesem Zeitpunkt innerhalb der Bundesregierung selbst eine innovative Machtstrategie. Die Erfahrung der vorangegangenen Jahrzehnte hatte gezeigt, dass weitgehende Umstrukturierungen nicht aus der Bürokratie selbst heraus erarbeitet werden würden. Gerade der Veränderungsunwille machte den Rückgriff auf externe, kommerzielle Unternehmensberater attraktiv. Deren Externalität beziehungsweise das Außenseitertum der Unternehmensberater wurde von Manfred Emcke als wesentliches Argument für deren Fähigkeit zur Implementierung von Innovationen angeführt:Es kommt nicht von ungefähr, daß[sic] sich innerproblematische Organisationen, sprich Firmen- oder Staatsapparate, gegen externe Berater streuben[sic], weil sie befürchten, daß[sic] unliebsame Dinge aufgedeckt werden oder Veränderungen auftreten.BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 3.Zwar war die Einbeziehung kommerzieller Unternehmensberater in der Bundesrepublik der frühen 1980er-Jahre noch nicht sonderlich verbreitet, allerdings hatte gerade die Unternehmensberatung McKinsey & Company schon einige Aufträge von Bundesministerien erhalten. In der Unternehmensgeschichte der 1926 gegründeten Beratungsfirma scheint die Erschließung des öffentlichen Sektors in Westdeutschland ein folgerichtiger Schritt in einer fortwährenden Expansionsentwicklung gewesen zu sein. 1964 hatte die erste deutsche McKinsey-Dependance in Düsseldorf eröffnet, wo Deutsche Bank, Volkswagen und BASF bald zu den ersten bundesdeutschen Großkunden gehörten.Duff McDonald: The Firm. The Story of McKinsey and its Secret Influence on American Business, New York 2013, S. 79.Dabei verbreiteten die McKinsey-Berater die multi-divisionale und dezentralisierte Unternehmensstruktur amerikanischen Vorbildes auch in Europa.Matthias Kipping: American Management Consulting Companies in Western Europe, 1920 to 1990. Product, Reputation, and Relationships, in: Business History Review 73/2 (1999), S. 190–220, hier S. 191.Durch den globalen Maßstab ihrer Aktivitäten trugen sie so zunächst zu Innovationen in Unternehmensstrukturen und Geschäftspraktiken entlang eines amerikanischen Vorbildes bei, was letztlich zu einer tendenziellen »globalen Konvergenz«Kipping / Wright: Consultants In Context, S. 165.des Aufbaus von Großorganisationen führte. Die Expansion in die Bundesrepublik war dabei eine der besonderen Erfolgsgeschichten in der Unternehmensgeschichte von McKinsey. Bis 1970 hatte bereits mehr als die Hälfte der hundert größten deutschen Unternehmen ihre Dienste in Anspruch genommen.McDonald: The Firm, S. 79.1981 hatte McKinsey Büros in Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt und München, in denen etwa 100 Berater arbeiteten.BArch, BW 1/190959, McKinsey, McKinsey. Berater des Top-Managements, November 1981, S. 1.Nach eigenen Angaben bestand die Kundenstruktur des deutschen McKinsey-Ablegers in den frühen 1980er-Jahren zu 50 % aus Industrieunternehmen, zu 25 % aus Finanzinstituten und zu 25 % aus Behörden und Unternehmen der öffentlichen Hand.BArch, BW 1/190959, McKinsey, McKinsey. Berater des Top-Managements, November 1981, S. 4.Das Manager Magazin titelte bereits 1984: »McKinsey ist überall!«McDonald: The Firm, S. 164..Die starke Vernetzung des Beratungsunternehmens innerhalb global operierender Wirtschaftsunternehmen war eine Voraussetzung für die Legitimation der Berater. Das Zutrauen in die Fähigkeit, Innovationen formulieren und implementieren zu können, stammte zu wesentlichen Teilen aus dem Verweis darauf, Zugriff auf das Expertenwissen zu haben und über die Lösungsstrategien der bereits beratenen Unternehmen und Institutionen zu verfügen.Saint-Martin: New Managerialist State, S. 36.Ein wesentliches Leistungsversprechen der Berater war es nämlich, nicht nur passgenaue Innovationsstrategien zu erstellen, sondern über besonders erfolgreiche Problemlösungsstrategien und Innovationen aus den global führenden Unternehmen, sogenannte »Best Practices«, zu verfügen und diese implementieren zu können. Der Markt für die Beratung globaler Großunternehmen und -organisationen weist deshalb eine starke Konzentration nur weniger zentraler Beratungshäuser auf, die jeweils eine beeindruckende Liste an Kunden vorweisen können, aus der sich wiederum ihre Legitimation speist.Neben der Boston Consulting Group und Bain & Company war und ist McKinsey & Company der größte und älteste Triumvir dieser sogenannten »Big Three«-Managementberatungen.Auch aufgrund des dementsprechenden Auftretens und der kulturellen Unterschiede fanden die McKinsey-Berater im Bundesverteidigungsministerium auf der Bonner Hardthöhe zumeist eine ablehnende Haltung vor. Die Berater benutzten bewusst Jargon, um die Exklusivität der eigenen Kompetenzen zu kommunizieren. Nach Niklas Luhmann war gerade die betriebswirtschaftliche Unternehmenstheorie ein Feld, das sich für eine solche Sprache eignete, da in ihr laufend Moden wechseln, deren nichtssagende Titel […] zugleich eine Neuorientierung der Forschung und der Beratung suggerieren, sich also als Etiketten der Selbstauszeichnungen innerhalb der wissenschaftlichen und innerhalb der ökonomischen Konkurrenz von Beraterfirmen eignen.Niklas Luhmann: Kommunikationssperren in der Unternehmensberatung, in: Niklas Luhmann (Hg.): Schriften zur Organisation 4, Wiesbaden 2020, S. 437–452, hier S. 439.Durch das Sammeln von »Best Practices« in den beratenden Unternehmen, die entsprechend auch auf andere Kunden übertragen wurden,McDonald: The Firm, S. 5.wirkten sie durch wiederholte Implementierung bestimmter Innovationen als »Diffusionsagenten« zwischen Institutionen und gesellschaftlichen Teilbereichen. Die 1980er-Jahre waren Boom-Jahre für die Unternehmensberatungen, deren Markt in Nordamerika und Europa jährlich zwischen 25–30 % wuchs.Saint-Martin: New Managerialist State, S. 41.Die Vermutung liegt nahe, dass dieser rapide ausgeweitete Einsatz von kommerziellen Beratungen zu einer Isomorphie innerhalb und zwischen Organisationen verschiedener gesellschaftlicher Teilbereiche geführt hat. Auch Manfred Emcke betonte diese Funktion der Berater als Innovations- und Diffusionsagenten:Gute Industriefirmen haben externe Fachleute bei sich, weil sie es sich gar nicht leisten können, permanent Stabsabteilungen in der notwendigen Qualität zu unterhalten. Umso mehr, als dieses Wissen veraltet, während die externen Beratungsfirmen, wenn sie gut sind, durch ihre permanenten Aufträge in unterschiedlichsten Organisationen immer auf dem neuesten Stand sind.BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 3.Dieses Zitat zeigt auch, dass den Beratern die Fähigkeit zugesprochen wurde, Innovationen in Organisationen zu importieren. Statt auf ein Expertenwissen im eigentlich Sinne begründeten sie ihre Zuständigkeitsansprüche mit dem Verweis auf den universalen »gesunden Menschenverstand«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 171.und einer besonderen Kapazität zur Rationalität, die sich aus der Distanz zwischen Organisation und externen Beratern ergebe. Im Gegenteil de-legitimierten sie das Fachwissen in den jeweiligen Institutionen als Ballast im Sinne einer déformation professionnelle. Auch Verteidigungsminister Hans Apel berief sich auf die als vorteilhaft betrachtete Tatsache, dass die externen Unternehmensberater gerade nicht über Arbeitserfahrung in der beratenen Organisation verfügten:Aber wir alle wissen ja selbst, daß, wenn man lange genug in einem Arbeitsbereich tätig geworden ist, man Ecken und Kanten als etwas Selbstverständliches und nicht mehr abänderbar ansieht.BArch, BW 190946, Anlage zum Kurzprotokoll der 45. Sitzung des Verteidigungsauschuss am Freitag, dem 30. 10. 1981, Ausführungen von Bundesminister Dr. Apel und Wirtschaftsberater Emcke mit anschließender Aussprache, S. 5.Anstatt selbst über konkretes Fachwissen in dem jeweiligen Geschäftsbereich zu verfügen, welches sie ihren Klienten zur Verfügung stellten, boten die Unternehmensberater die Fähigkeit an, das Organisations- und Prozesswissen aus den Arbeitsebenen zu extrahieren, mit betriebswirtschaftlichem Wissen und Erfahrungen aus vorhergegangenen Aufträgen aufzubereiten und so Innovationsstrategien zu generieren und zu implementieren.Der BeratungsprozessAusgehend von den Vorschlägen Manfred Emckes entwickelte ein Beraterteam von McKinsey in der ersten Jahreshälfte 1982 ein grundlegendes Reorganisationsprogramm für weite Teile des Bundesverteidigungsministeriums und seiner nachgeordneten Bereiche. Am 8. März 1982 begannen die McKinsey-Berater mit der Arbeit auf der Bonner Hardthöhe. Das Projekt war auf eine viermonatige Dauer ausgelegt, in der zwei Partner und zwei Berater von McKinsey in einem Umfang von 220 ManntagenBArch, BW 190946, Anlage zum Kurzprotokoll der 45. Sitzung des Verteidigungsauschuss am Freitag, dem 30. 10. 1981, Ausführungen von Bundesminister Dr. Apel und Wirtschaftsberater Emcke mit anschließender Aussprache, S. 1.zunächst eine Bestandsaufnahme durchführen und schließlich ein Umsetzungskonzept für ein Controlling-System innerhalb des BMVg formulieren sollten. In drei »Prüfungsteams« arbeiteten sie jeweils mit einem Referenten der selbst erst kürzlich ins Leben gerufenen Internen Revision zusammen.BArch, BW 190946, Anlage zum Kurzprotokoll der 45. Sitzung des Verteidigungsauschuss am Freitag, dem 30. 10. 1981, Ausführungen von Bundesminister Dr. Apel und Wirtschaftsberater Emcke mit anschließender Aussprache, S. 1.Die erste Phase diente einer »Bestandsaufnahme«. In dieser Phase fand ein Wissenstransfer von der Verwaltung in Richtung der externen Berater statt. Dieser war nötig, da die externen Berater eben explizit über kein Expertenwissen im Hinblick auf die Arbeit im BMVg verfügten. Es war deshalb zunächst die Aufgabe der Fachabteilungen, die entsprechende Wissensgrundlage für die externen Berater zu schaffen, indem sie ihnen »alle relevanten Richtlinien, Planungserlasse und Vorschriften«BArch, BW 1/190944, McKinsey, Organisationskonzept für die Controlling-Funktion, Anlage zum Schreiben vom 7.12.1981, S. 7.gesammelt zur Verfügung stellten. Im Vordergrund stand die Erstellung des Controlling-Konzepts nach den Vorstellungen Emckes, die ja bereits prominent in der Öffentlichkeit präsentiert worden waren. Die Interne Revision stellte für die Berater im Vorfeld 74 Berichte, Protokolle und Konzeptpapiere zusammen.BArch, BW 1/251005, B. Fallsammlung / aufbereitete Unterlagen für McKinsey, S. 111.; selbiges auch in BW 1/251007.Neben Organisationsplänen unter anderem des BMVg, der Abteilungen Rüstung und Haushalt und des BWBs wurden den McKinsey-Beratern die gültigen Planungserlasse sowie Gutachten zu Kostenstrukturen und haushalterischen Arbeitsabläufen zur Verfügung gestellt.Das generelle Urteil der Berater über die praktizierten Planungsmethoden der Bundeswehr fiel geradezu vernichtend aus. Diese seien »unzureichend«, »unrealistisch« und »nur zum Teil transparent«.BArch, BW 1/251007, Schaubild 14.In einem Zwischenbericht nach sechs Wochen diagnostizierten sie, dass ein »erheblicher Teil der Probleme führungs- und nicht systembedingt« und die »Planung [...] im derzeitigen Zustand weitgehend unbrauchbar«BArch, BW 1/251357, Dokumentation, Vorbereitung und Durchführung der McKinsey-Untersuchung im BMVg vom 1. 3. bis 30. 6. aus der Sicht der Internen Revision, Juni 1982, S. 2.seien. Im Gegensatz zu vergleichbaren Strukturen in Industrieunternehmen bemängelten die McKinsey-Berater in dem Zwischenbericht die komplizierten Zuständigkeiten und die äußerst umständlichen Verfahren.BArch, BW 1/251357, Dokumentation, Vorbereitung und Durchführung der McKinsey-Untersuchung im BMVg vom 1. 3. bis 30. 6. aus der Sicht der Internen Revision, Juni 1982, S. 1.Der Prozess während der Beratung war jedoch kein ergebnisoffener Prozess, der bis dato unbekannte Antworten oder Erkenntnisse zu Tage fördern sollte, sondern eine zielgerichtete Extraktion von Wissen im Sinne eines feststehenden Zieles. Die Phase der Bestandsaufnahme diente deshalb auch hauptsächlich »nicht mehr zur Aufdeckung von Systemschwächen«BArch, BW 1/251357, Dokumentation, Vorbereitung und Durchführung der McKinsey-Untersuchung im BMVg vom 1. 3. bis 30. 6. aus der Sicht der Internen Revision, Juni 1982, S. 4..Gegenstand der zweiten Phase und Herzstück der Innovationsstrategie war die »Entwicklung eines Controlling-Organisationskonzeptes«BArch, BW 1/190944, McKinsey, Organisationskonzept für die Controlling-Funktion, Anlage zum Schreiben vom 7. 12. 1981, S. 7.. Aufbauend auf das extrahierte und aggregierte Wissen entwarfen die McKinsey-Berater ein Konzept, mit welchen schon im BMVg vorhandenen Kapazitäten ein Controlling-System »wie in einem Industrieunternehmen« umzusetzen sein sollte. Am 6. September 1982 stellten Verteidigungsminister Hans Apel, Manfred Emcke und der McKinsey-Deutschlandchef Friedrich Schieffer die Pläne zur Reorganisation des Verteidigungsministeriums auf einer gemeinsamen Pressekonferenz vor. Neben der Vorstellung des Controlling-Konzeptes war eine der zentralen Botschaften, dass das »Ministerium […] unter den heutigen Prämissen mit dem vorhandenen Instrumentarium nicht führbar«BArch, BW 1/190959, Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, S. 1.sei. Insofern hatte das Beratungsergebnis auch eine kommunikative Dimension, durch die der Minister noch nachträglich von persönlicher Verantwortlichkeit von den Missständen im Beschaffungswesen entlastet werden sollte.Aber auch das zukunftsgerichtete Reorganisationskonzept machte sich Apel zu Eigen: »Die vorgestellten Vorschläge entsprechen weitgehend den Vorstellungen des Bundesministers der Verteidigung.«BArch, BW 1/190959, Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, Vortrag Dr. Hans Apel, S. 1.Ob das von McKinsey erstellte Controlling-Konzept seinerseits zu Effizienzsteigerungen und einer effektiveren Abwicklung von Beschaffungsvorhaben geführt hätte, muss allerdings ohnehin eine hypothetische Fragestellung bleiben. Denn obwohl Hans Apel eine zeitnahe Umsetzung des Konzeptes vorgesehen hatte, beendete der Regierungswechsel am 1. Oktober 1982 alle diesbezüglichen Pläne.Beratung als Machtstrategie zur Durchsetzung organisatorischer InnovationBei der Untersuchung von Innovationsvorhaben in der Verwaltung müssen auch die Gründe betrachtet werden, warum diese so oft – wie auch in diesem Fall – scheiterten. Eine Hauptursache ist die Tatsache, dass der Wille der jeweiligen Leitung zur Umsetzung bestimmter organisatorischer Innovationen von den Akteuren innerhalb der Verwaltung nicht geteilt beziehungsweise sogar aktiv unterlaufen wird.Der betont zivile und kleinbürgerliche Hans Apel hatte von Anfang an ein schwieriges Verhältnis zu seinem von der militärischen Kultur dominierten Ministerium. In Folge der politischen Affäre rund um die Tornado-Beschaffung hatte Apel öffentlich eine »Überbürokratisierung«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 15.als krisenursächlich dargestellt. Das klar bürokratiefremde betriebswirtschaftliche Innovationsvorhaben verstärkte den inner-institutionellen Konflikt zwischen der politischen Leitung und den bürokratischen Funktionsträgern. Der Einsatz der Berater war deshalb auch eine Machtstrategie, um die organisatorische Innovation in Form des Controllings überhaupt erst entwickeln und durchsetzen zu können, welche wiederum Zuständigkeiten und damit Macht innerhalb des inner-institutionellen Konfliktes zu Gunsten der Leitung neu verteilen sollte.Luhmann: Kommunikationssperren, S. 441.Generell sind inner-institutionelle Konfliktsituationen ein häufiger Anlass zum Engagement von externen Beratern. Niklas Luhmann bezeichnete die Funktion von Unternehmensberatern deshalb als »konflikttherapeutisch«Luhmann: Kommunikationssperren, S. 441.. Innerhalb von inner-institutionellen Konflikten vertreten Berater dabei in der Regel die Interessen der sie beauftragenden Hierarchieebene und damit in der Regel der Leitung.Untere Hierarchieebenen hatten und haben schon strukturell kaum eine Möglichkeit ihrerseits Beratungsfirmen gegen die eigene Leitung ins Feld zu führen. Auch im vorliegenden Fall war die Entlastung des Ministers sowie dessen binnen-institutionelle Stärkung das maßgebliche Ziel. Dementsprechend sahen die Berater ihre Leistung nicht nur darin, dass sie Innovationsmaßnahmen erarbeiteten, sondern auch und gerade in deren Durchsetzung: »In jedem Fall ist die erfolgreiche praktische Verwirklichung der Beratungsergebnisse wesentlicher Bestandteil der Beratungsaufgabe.«BW 1/190959, McKinsey, McKinsey. Berater des Top-Managements, November 1981, S. 7.Auch Minister Apel betonte diese Funktion:Wir brauchen also die Externen. Erstens um den Blick zu schärfen, zweitens aber auch um das, was dann herauskommt, wenn Sie so wollen, unangreifbarer zu machen. Schließlich drittens auch um die Überzeugungskraft zu verstärken.BArch, BW 190946, Anlage zum Kurzprotokoll der 45. Sitzung des Verteidigungsauschuss am Freitag, dem 30. 10. 1981, Ausführungen von Bundesminister Dr. Apel und Wirtschaftsberater Emcke mit anschließender Aussprache, S. 5.Durch ihren extra-institutionellen Status konnten der Expertise der Berater dennoch die Merkmale Neutralität, Objektivität und Rationalität zugeschrieben werden. Dieser Verweis auf die vermeintliche Objektivität der Berater ist seinerseits eine diskursive Machttechnologie, die die Durchsetzung der jeweiligen Leitungsinteressen befördern sollte. Auch bei der öffentlichen Legitimierung des Einsatzes externer Berater durch Manfred Emcke spielte deren vermeintliche Neutralität und Objektivität eine entscheidende Rolle.BArch, BW 1/190944, Manfred Emcke an Bundesminister der Verteidigung vom 26. 3. 1982.Und auch Hans Apel betonte diese Verbindung von Externalität und vermeintlicher Objektivität:Kommt die externe Beraterfirma zu Reorganisationsvorschlägen, dann ist es sehr viel leichter, diese durchzusetzen, weil deren Vorschläge interessensfrei zustande gekommen sind.BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 5.Dabei machten alle Beteiligten mehr oder weniger direkt deutlich, dass kein neutrales Gutachten, sondern die Stärkung der Position des Ministers im Verhältnis zu seinem Haus das eigentliche Ziel der Bemühungen war. Manfred Emcke war seinerseits nicht Berater des Bundesverteidigungsministeriums, sondern »persönlicher Berater des Ministers« und verstand seine Aufgabe explizit darin, Wege zu suchen, um dessen inner-institutionelle Position zu stärken:Ich kann gut verstehen, dass die Herren auf der Hardthöhe keine Veränderungen wollen, das ist nicht nur ein Problem der Hardthöhe, das finden wir in allen grossen Organisationen. Es geht aber hier nicht auch nicht darum, was die Mitarbeiter auf der Hardthöhe wollen, sondern darum, was der jeweils verantwortliche politische Minister für seine Führung als notwendig erachtet.BArch, BW 1/190959, Manfred Emcke an Manfred Wörner vom 8. 11. 1982, S. 3.Es überrascht deswegen nicht, wenn auch das Controlling-Konzept selbst die Machtverhältnisse innerhalb des Ministeriums auf Kosten der unteren und mittleren Hierarchieebenen verschieben sollte. Möglichst viele Entscheidungen sollten »so nahe wie möglich an die Exekutive«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 10f.verlagert werden. Dementsprechend sollte die Zahl der Mitspracheberechtigten, die zwischen der Durchführung haushaltswirksamer Beschaffungsentscheidungen und der Ministeriumsspitze standen, erheblich verringert werden: »Die Vielstufigkeit des Mittelmanagement muß erheblich reduziert werden. Der Weg der Entscheidungsebene zu Ausführungsebene muß erheblich verkürzt werden […].«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 12.Die Installation eines »Wirtschaftsexperten«, »der dem Minister direkt untersteht und bei dem alle Fäden zusammenlaufen«o.A.: Controller im Katasteramt, in: Der Spiegel, vom 12. 10. 1981, online unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14336760.html (5. 1. 2021).sowie die Einrichtung eines betriebswirtschaftlichen Controlling-Apparates zur »Implementierung von Planungskontroll- und Informationsversorgungs-Systemen«o.A.: Controller im Katasteramt, in: Der Spiegel, vom 12. 10. 1981, online unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14336760.html (5. 1. 2021).hätten eine weitreichende Umgehung und Invalidierung bestehender bürokratischer Zuständigkeiten und Arbeitsabläufe bedeutet. Außerdem wären laut Emcke im Rüstungsbereich etwa 400 Beamte entbehrlich; im gesamten Ministerium bis zu 2000.Wolfgang Hoffmann: Rüsten für Papierkrieg, in: Die Zeit, vom 10. 9. 1982, URL: https://www.zeit.de/1982/37/ruesten-fuer-denpapierkrieg/komplettansicht (5. 1. 2021).Beim Personal der Ministerialverwaltung sollte außerdem eine »Umschichtung zu Gunsten von Betriebswirten«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981, S. 5.stattfinden. Nachvollziehbarerweise sahen darin einige Funktionsträger auch ganz direkte persönliche Bedrohungen, beispielsweise durch die Versetzung in nachgeordnete Behörden, Truppenteile oder allgemein weniger attraktive Dienstposten.Bürokratische BeharrungsstrategieSchon während der Vorstellung der Vorschläge Emckes erwartete Minister Apel eine Abwehrreaktion durch die militärischen und bürokratischen Funktionsträger: »Ich weiß allerdings was mir spätestens ab Morgen/Übermorgen von Seiten des örtlichen Personalrats ins Haus steht.«BArch, BW 1/190946, Unkorrigierte Tonbandabschrift, Pressekonferenz mit BM Dr. Hans Apel und Herrn Emcke am 6. 10. 1981 Teil II, S. 3.Auch Manfred Emcke beklagte sich von Beginn seiner Untersuchung über »die Qualität der Mitarbeiter im Hause und das fehlende Engagement einiger leitender Herren«BArch, BW 1/190946, Emcke an Apel vom 26. 11. 1981, S. 2.. Keiner seiner Gesprächspartner hätte grundlegende Reformen für notwendig gehalten.BArch, BW 190946, Anlage zum Kurzprotokoll der 45. Sitzung des Verteidigungsauschuss am Freitag, dem 30. 10. 1981, Ausführungen von Bundesminister Dr. Apel und Wirtschaftsberater Emcke mit anschließender Aussprache, S. 10.Bezeichnend für die ablehnende Haltung gegenüber einer »Verbetriebswirtschaftlichung« der Strukturen des Ministeriums war auch ein Kommentar des Leiters des Organisationsstabes vor dem ersten Treffen mit Emcke: »Ich halte es für bedenklich, daß die vorgesehene Beratungstätigkeit durch einen solchen Gestaltungswillen belastet wird.«BArch, BW 1/251012, Leiter OrgStab an Sts Leister und Sts Leister vom 8. 4. 1981.Stattdessen organisierten einige Referate und Abteilungen eine gemeinsame Beharrungsstrategie um die Implementierung der Innovationspläne zu verzögern und angesichts des sich bereits abzeichnenden Machtwechsels hin zur Union endgültig zu verhindern. Der besondere Widerstand der Rüstungsabteilung ist dabei leicht verständlich, befanden die Berater sie doch für »praktisch überflüssig«BArch, BW Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, S. 5.. Insgesamt sahen die Referate der Rüstungsabteilung keine systemischen Probleme, sondern bloß das »Problem der Umsetzung bestehender Regelungen im konkreten Einzelfall.«BArch, BW Pressereferat, Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 6. 9. 1982 zur Reorganisation im BMVg, S. 5.Auch dass die Mängel bei der Beschaffung des Tornados zum Ausgangspunkt von grundlegenden Veränderungen gemacht werden würden, sei falsch, da der »Tornado wegen seines Ausnahmecharakters in jeder Beziehung nicht zum Maß aller Dinge gemacht werden darf.«BArch, BW 1/159540, Abteilungsleiter Rü an StS Dr. Leister vom April 1981, S. 2.Zur Abwehr der Reformvorschläge wurde zwischen der Rüstungs- und der Haushaltsabteilung eine Koalition mit argumentativer Aufgabenverteilung geschlossen und die Übertragung von betriebswirtschaftlichen Methoden auf die Verwaltung für im Kern unzulässig dargestellt.BArch, BW 1/159540, Abteilungsleiter Rü an Unterabteilungsleiter Rü VIII vom 22. 4. 1982.Ganz im Gegenteil bestand auf Seiten der Verwaltungsakteure kaum eine Motivation zu Einsparungen. Stattdessen war es erklärtes Ziel, »die im Haushalt bewilligten Mittel entsprechend den Zweckbestimmungen voll in Anspruch zu nehmen, da nach geltendem Haushaltssystem nicht ausgegebene Mittel für den Verteidigungshaushalt verloren sind.«BArch, BW 1/159540, Abteilungsleiter Rüstung an Sts Dr Leister vom April 1981.So lagen nicht etwa Einsparungen im Interesse der Bewirtschafter eines jeweiligen Haushaltstitels, sondern im Gegenteil der »volle Mittelabfluß[sic]« BArch, BW 1/159540, Abteilungsleiter Rüstung an Sts Dr Leister vom April 1981.– das Nicht-Ausgeben vorhandener Mittel sei sogar eine »Gefahr«BArch, BW 1/159540, Abteilungsleiter Rüstung an Sts Dr Leister vom April 1981.. Innerhalb des Verteidigungsministeriums führten diese Anreizstrukturen zu teils absurden Episoden, wenn sich beispielsweise Panzerkommandeure am Ende eines Haushaltsjahres zu Panzer-Wettrennen verabredeten, um die Treibstofflager zu leeren, damit die entsprechenden Zuweisungen im nächsten Haushaltsjahr wieder voll ausgeschöpft werden konnten.Apel: Der Abstieg, S. 168.Um die Innovationspläne des Ministers und seiner Berater abzuwehren und damit die eigene Kompetenz und Zuständigkeit zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen, wurde auch systematisch Wissen aggregiert und präsentiert. Als Gegenprogramm zu den Innovationsvorschlägen der externen Ministerberater organisierte der Organisationsstab beispielsweise ein Seminar zu »Organisationslehre – Organisationspraxis«BArch, BW 1/190946, Ergebnisprotokoll über das 4. Org-Seminar »Organisationslehre – Organisationspraxis« am 12. 11. 1981 im BMVg.. Professoren der Bundeswehr-Hochschulen konstatierten dort die »Ineffektivität hochkarätiger Controlling-Dienstposten.«BArch, BW 1/190946, Ergebnisprotokoll über das 4. Org-Seminar »Organisationslehre – Organisationspraxis« am 12. 11. 1981 im BMVg.Mit der »Hofer Kommission« wurde eine eigene Arbeitsgruppe gebildet, die konkurrierende Analyseergebnisse und Innovationsvorschläge produzierte. Weitere diesbezügliche Bemühungen bestanden in der Gründung der »Gesellschaft für Militärökonomie« im Jahr 1981, die Schriften herausgab, in denen Militärs und Ministerialbeamte eigene Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehr präsentieren konnten.Wolfgang Hoffmann: Die falsche Sparsamkeit, in: Die Zeit, vom 16. 10. 1981, online unter: https://www.zeit.de/1981/43/diefalsche-sparsamkeit/komplettansicht (12. 1. 2021).Laut Berichten des Organisationsstabes sei im ganzen Haus »eine gewisse Unruhe durch Mangel an Information nicht zu übersehen«BArch, BW 1/190944, Leiter OrgStab an Minister vom 5. 11. 1981.gewesen. Weiterhin würden durch die Heranziehung externer Berater »gleichzeitige, z. T. sogar durch die Leitung angeordnete Aktivitäten nicht zielstrebig oder gar nicht weitergeführt werden können.«BArch, BW 1/190944, Leiter OrgStab an Minister vom 5. 11. 1981.Diesen Einlass kann man durchaus als kaum verhohlene Boykotterklärung deuten. Und obwohl eigentlich mit der Titelverwaltung im Zusammenhang mit dem Beratungsvorgang beauftragt, weigerte sich der Leiter des Organisationsstabes gegenüber dem Finanzministerium »eine Begründung für die Entsperrung der für 1981 vorgesehenen 100.000 DM«BArch BW 1/190946, Leiter OrgStab an Abteilungsleiter H vom 2. 10. 1981.abzugeben, aus denen der Beratungsprozess finanziert werden sollte.Die Beamten wussten also bewusst politische Spannungen, z. B. die zwischen Verteidigungsminister Apel und Finanzminister Matthöfer, in ihrem Interesse zu nutzen. Die Suche nach politischen Verbündeten außerhalb des eigenen Apparats wurde besonders von weiten Teilen der Spitzenbeamten und Militärs praktiziert, die eine besondere Nähe zu den Unionsparteien hatten.BArch, BW 1/190946, Leiter OrgStab an BM Apel vom 6. 11. 1981.Anlässlich einer Interessenskollision durch die Annahme eines Aufsichtsratsmandates bei der Bremer Vulkan-Werft durch Manfred Emcke, machten sich Vertreter des Verwaltungsapparates ihre Kontakte ins »bürgerliche Lager« zu Nutze; und zwar publikumswirksam in der BILD-Zeitung: »Uns hat er vorgeworfen wir würden nicht richtig arbeiten. Und jetzt macht er für sich das große Geschäft!«BArch, BW 1/190959, Bild am Sonntag vom 18. 4. 1982, Feiner Posten für Minister-Freund.Die Unionsfraktion nahm den Beratungsprozess ihrerseits als günstigen Anlass, die von den Beratern diagnostizierten Fehlentwicklungen auf »die Führungsschwäche und Entscheidungsunfähigkeit des Verteidigungsministers«BArch, BW 1/190944, Pressereferat, Dokumentation vom 15. 10. 1981.zurückzuführen. Gleichzeitig entlasteten sie implizit und explizit die militärisch-bürokratischen Personen und Strukturen. Die Unterstützung durch die Union war für die Beamten und Militärs vor allem deswegen besonders wertvoll, da sich ein nahendes Ende der sozialliberalen Koalition bereits atmosphärisch ankündigte und eine baldige Übernahme der Regierungsverantwortung durch die CDU/CSU zusehends absehbar war. Dies erhöhte die Attraktivität von Verschleppungs- und Verzögerungstaktikten auf Seiten der Beamten. Das am direktesten formulierte bürokratische Widerstreben kam von der Personalvertretung der Ministerialbeamten.Der Personalrat warf dem Minister vor, mit der Beauftragung externer Unternehmensberater gegen das Bundesbeamtengesetz und das Grundgesetz verstoßen zu haben. Die Beauftragung von Unternehmensberatungen und die mangelnde Beteiligung der »zuständigen Fachabteilungen und Stäbe« sei rechtlich unzulässig, weswegen der Personalrat Klage beim Verwaltungsgericht einzulegen plante.BArch, BW 1/251358, Mittelungen des Personalrates vom 23. 9. 1982, S. 1f.Schon allein die Befragung durch externe Berater empfand man als Zumutung (»quasi wie vor Gericht«)BArch, BW 1/251358, Mittelungen des Personalrates vom 23. 9. 1982, S. 4.. Die Klagen über die Nicht-Beteiligung der Organisations- und Führungsstäbe wurden vom Personalrat wiederaufgegriffen. Man fühlte sich übergangen:Im Unterschied zu den externen Gutachtern, deren Arbeit der Herr Minister durch laufende Gespräche begleitet hat, hatten die eigenen Mitarbeiter keine Gelegenheit ihre Gedanken dem Herrn Minister vortragen zu dürfen.BArch, BW 1/190959, Mittelungen des Personalrates vom 23. 9. 1982, S. 3.Im ganzen Ministerium breitete sich »zunehmend Unruhe«BArch, BW 1/190959. Mitteilungen des Personalrates vom 7. 4. 1982, S. 2.unter den Mitarbeitern, ob der bevorstehenden Strukturveränderungen und möglicher Versetzungen aus. Das Controlling wurde als »Überwachungssystem, das die systematische Umgehung des Dienstweges einführt«BArch, BW 1/190959, Mittelungen des Personalrates vom 23. 9. 1982, S. 3.disqualifiziert. Es würde »den ersten Schritt einer grundlegenden Änderung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen im BMVg«BArch, BW 1/190959, Mittelungen des Personalrates vom 23. 9. 1982, S. 3.bedeuten, die abgelehnt wurde. Der Personalrat kündigte an, durch seine Mitbestimmungsrechte bei Versetzungen zwischen Dienststellen, jegliche Neuordnungen zu blockieren.Letztlich war diese Blockade- und Beharrungsstrategie der Verwaltungsakteure erfolgreich. Das Controlling-Konzept, welches die McKinsey-Berater erarbeitet hatten, konnte vom Minister zwar noch publikumswirksam vorgestellt werden, allerdings vereitelte das Ende der sozialliberalen Koalition im Herbst 1982 jede Chance auf Implementation. Den Beamten und Militärs war es gelungen, das vom Minister angestoßene und von den externen Beratern formulierte Innovationsvorhaben zu durchkreuzen.FazitIn der in diesem Beitrag untersuchten Episode verbanden sich letztlich zwei Elemente zu einer Innovations-und Machtstrategie. Zunächst sollte durch die »Verbetriebswirtschaftlichung«, also der Übertragung von »manageriellen« und betriebswirtschaftlichen Strukturen und Verfahren auf die Verwaltung, ein neuartiger Ansatz zur Bewältigung der bürokratischen Überforderungserfahrung beitragen. Aber auch der Einsatz von Unternehmensberatern selbst war eine innovative Machtstrategie, bei der organisatorische Neuordnung im Rahmen eines »Controllings« durch den Einsatz von externen Experten entwickelt und implementiert werden sollten.Der vorliegende Beitrag macht besonders deutlich, dass gerade die Implementierung von Innovationen innerhalb von Verwaltungsstrukturen die eigentliche Herausforderung darstellte. Der Einsatz von externen Unternehmensberatern sollte dabei auch als Machtstrategie gedeutet werden, die nicht nur die organisatorische oder methodische Bewältigung konkreter Problemstellungen zum Gegenstand hat, sondern auch explizit die Neuverhandlung inner-institutioneller Machtverhältnisse. Im vorliegenden Fall war es gerade die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit und die persönliche Frustrationserfahrung des Verteidigungsministers Hans Apel, die den Anlass zur Hinzuziehung von Manfred Emcke und der McKinsey-Berater gab.Und obwohl der Einsatz der Unternehmensberater auch als Durchsetzungsstrategie gedeutet werden kann, die gerade hier – mehr noch als bei der Konzeption der Reorganisationspläne – ihren eigentlichen Zweck hatte, scheiterte die Implementierung eines betriebswirtschaftlichen Controllings im Verteidigungsministerium letztlich angesichts der organisierten Resilienz innerhalb der Verwaltung. Insgesamt lässt sich ein hohes Maß an Widerstandsfähigkeit innerhalb der Militärbürokratie gegenüber den ministeriellen Innovationsplänen zur Neuordnung institutioneller Verantwortlichkeiten und Abläufe feststellen. Die als Einmischung wahrgenommene Arbeit der externen Experten bei der Konzeption neuer Zuständigkeiten und Verfahren führte auf Seiten der Verwaltungsakteure zu starker (und wirksamer) Ablehnung.Die organisatorischen Innovationen, die aus einer Verbetriebswirtschaftlichung der gewohnten Strukturen, Verfahren und Zuständigkeiten durch die Einführung eines »Controllings« zielte, wurden durchwegs abgelehnt. Im historischen Rückblick kann also die Ministerialverwaltung und das Verwaltungshandeln keineswegs als bloße Verlängerung des politischen Willens des Ministers betrachtet werden. Stattdessen eröffnen sich hier allgemeine Fragen zur Autonomie und Pluralität der Verwaltungsakteure, deren komplexe Binnenstrukturen oft übersehen werden. Wie beschrieben schlossen Teile der Bürokratie inner- und sogar außerhalb des Ministeriums Bündnisse, um die Durchsetzung der ministeriellen Innovationsvorhaben gezielt zu unterlaufen und waren damit letztlich erfolgreich.Der nachfolgende Verteidigungsminister Manfred Wörner (CDU) wurde im Anschluss auf der Hardthöhe »mit offenen Armen«Bald: Bundeswehr, S. 110.empfangen. Noch von der Oppositionsbank hatte er die Reformpläne von Manfred Emcke und das McKinsey-Konzept scharf kritisiert. Schon in der Opposition stand für Wörner fest,daß es unter einer Unionsregierung keinen Controller geben wird. […] Dann ist der Minister die arme Sau, und der Generalinspekteur wird zur Randfigur, die beim Controller allenfalls anfragen darf, ob sie vielleicht noch einen Lastwagen bekommen kann.o.A.: Nur Klarheit.Auf den ersten Blick erstaunlich ist, dass hier der Regierungswechsel hin zur unionsgeführten Bundesregierung die »Verbetriebswirtschaftlichung«, also die Übernahme betriebswirtschaftlicher Handlungsgrundsätze und Strukturen innerhalb der Verwaltung, zunächst stoppte, während die »Wende« von 1982 oft als Auftakt zu einer Ära des »Neoliberalismus« und der »Entstaatlichung« gilt.Vgl. Handschuhmacher: Privatisierung.Auch zuvor war es gerade die Unionsfraktion im Haushaltsausschuss, die 1981–1982 versucht hatte, die externen Berater im Verteidigungsministerium »auszuhungern.«Wolfgang Hoffmann: Bonner Kulisse, in: Die Zeit, vom 20. 11. 1981, online unter: https://www.zeit.de/1981/48/bonner-kulisse/komplettansicht (10. 7. 2020).Die Organisatoren der bürokratischen Beharrung gegen seinen Amtsvorgänger Apel wurden von Wörner mit Beförderungen belohnt. Als Verteidigungsminister verwarf Wörner die Konzeptionen, die von den McKinsey-Beratern entwickelt wurden, zunächst vollständig. Aber auch er wurde bald mit den strukturellen Mängeln seiner Bürokratie konfrontiert und so leitete Wörner seinerseits 1985 eine »Neuorganisation« des Rüstungsbereichs ein.Wolfgang Hoffmann: Bonner Kulisse, in: Die Zeit, vom 2. 8. 1985, online unter: https://www.zeit.de/1985/32/bonner-kulisse/komplettansicht (10. 7. 2020).Für die vorliegende Episode muss letztlich konstatiert werden, dass der Versuch einer Innovation durch »Verbetriebswirtschaftlichung« scheiterte und sich damit zunächst auch keine Entwicklung hin zu einer Angleichung der staatlichen Strukturen an unternehmerische Vorbilder ergab. Auch der Einsatz der externen Berater als Machtstrategie im inner-institutionellen Konflikt konnte den Umbau der Verwaltung letztlich nicht garantieren. Dies lag vor allem daran, dass die politische Leitungsebene des Ministeriums den bürokratischen Funktionsträgern, die die Beharrungskräfte gegenüber den externen Beratern organisieren konnten, in der inner-institutionellen Konstellation unterlagen.Durch eine Beharrungsstrategie konnten Letztere die Implementierung der Reformvorschläge bis zum Regierungswechsel im Herbst 1982 erfolgreich verzögern und eine Diffusion »managerieller Fragmente« verhindern. Obgleich die interne Implementation der Vorschläge der Berater auf ganz erhebliche Widerstände stoß, konnte die Tatsache der Hinzuziehung externer Berater für Minister Hans Apel zur Grundlage einer politisch-kommunikativen Strategie genutzt werden, mit der der Minister dem öffentlichen Legitimationsdruck im Zusammenhang mit dem Tornado-Untersuchungsausschuss erfolgreich begegnen konnte.Das Engagement von McKinsey im BMVg war zwar eine Premiere, aber keine Zäsur. Die Einbeziehung von externen, kommerziellen Unternehmensberatern in die Entscheidungsfindung über die innere Struktur der staatlichen Verwaltung war zunächst einer besonderen, an den spezifischen Kontext des Beschaffungsbereichs im Verteidigungsministerium gebundenen, Problemwahrnehmung geschuldet. Gleichwohl war es Teil des Beginns einer Entwicklung, in deren Verlauf sich die Hinzuziehung externer und kommerzieller Unternehmensberatung zu politischen und administrativen Entscheidungsfindungsprozessen enorm verbreitete und normalisierte. Die Einführung eines betriebswirtschaftlichen Controllings, wie von Emcke und McKinsey 1982 gefordert, wurde von Bundeswehr und Ministerialbürokratie zunächst noch weitere drei Jahrzehnte erfolgreich »abgewehrt«. Erst in Folge der Bundeswehrreformen 2011 wurde ein Controlling eingeführt, nachdem jahrzehntelange Implementierungsversuche »von Führungskräften vehement bekämpft, bestenfalls ignoriert«Holger Morick / Christopher Kaatz: Wie Controlling in die Bundeswehr einzog, in: Controlling und Management Review, Sonderheft 3 (2014), S. 82–89, hier S. 82.wurden.About the AuthorJohannes Löhr studied law, history and business administration at the universities of Leipzig, Mannheim and Exeter. As a research assistant at the Chair of Contemporary History at the University of Mannheim, his main research interests centered on the history of administrative and political affairs in the Federal Republic of Germany. Since 2021, Johannes Löhr is manager for information and policy at the National Centre for Charging Infrastructure (“Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur”) of the Federal Ministry for Digital and Transport in Berlin.

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Published: Dec 1, 2021

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