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Zum Verhältnis von Originalerhalt und Digitalisierung von schriftlichem Kulturgut

Zum Verhältnis von Originalerhalt und Digitalisierung von schriftlichem Kulturgut 1EinleitungDas 2016 beschlossene Kulturgutschutzgesetz (KGSG) definiert in öffentlichem Eigentum und im Bestand von öffentlich-rechtlichen, Kulturgut bewahrenden Einrichtungen wie Archiven und Bibliotheken befindliche Objekte per se als „nationales Kulturgut“.§ 6 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 11 KGSG; vgl. https://www.gesetze-im-internet.de/kgsg/. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Entsprechend der Fokussierung des Gesetzes auf den internationalen Kunsthandel wird das „Beschädigungsverbot“§ 18 Abs. 1 und 2 KGSG. und damit implizit ein Erhaltungsgebot ausdrücklich nur auf die in das „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ aufgenommenen bzw. aufzunehmenden Stücke bezogen. Bis vor wenigen Jahren bestand darüber hinaus jedoch ein fachlicher Konsens, dass Kulturgut grundsätzlich in seiner ursprünglichen Entstehungsform zu bewahren, zu sichern, zu erhalten und ggf. instand zu setzen sei. Entsprechende Formulierungen finden sich in den Archiv- und Bibliotheksgesetzen des Bundes und der Länder.Beispiele aus dem Archivbereich: Nordrhein-Westfalen: § 2 Abs. 7 ArchivG NRW: „Archivierung umfasst die Aufgaben Unterlagen zu erfassen, zu bewerten, zu übernehmen und das übernommene Archivgut sachgemäß zu verwahren, zu ergänzen, zu sichern, zu erhalten, instand zu setzen, zu erschließen, zu erforschen, für die Nutzung bereitzustellen sowie zu veröffentlichen.“ i. V. m. § 5 Abs. 2: „Archivgut ist auf Dauer sicher zu verwahren. Es ist in seiner Entstehungsform zu erhalten, sofern keine archivfachlichen Belange entgegenstehen.“ Sachsen: § 2 Abs. 4 SächsArchivG „Das Archivieren beinhaltet das Erfassen und Bewerten von Unterlagen und das Übernehmen, Verwahren, Erhalten, Erschließen sowie Nutzbarmachen und Auswerten von Archivgut.“ i. V. m. § 8 Abs. 3: „Das Archivgut ist in seiner Entstehungsform zu erhalten, soweit nicht archivfachliche Belange entgegenstehen. Es ist nachhaltig vor Schäden, Verlust, Vernichtung oder unbefugter Nutzung zu schützen.“ Hessen: § 2 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 HArchivG formuliert: „Die Archivierung umfasst die Aufgaben, die Archivwürdigkeit von Unterlagen festzustellen, diese zu übernehmen, sie sachgemäß aufzubewahren, dauerhaft zu sichern, deren Integrität und Authentizität zu bewahren sowie sie zu erhalten, instand zu setzen, zu erschließen, verfügbar zu machen und für die Nutzung bereitzustellen. […] Archivgut ist grundsätzlich im Original aufzubewahren. Sofern es unter archivfachlichen oder technischen Gesichtspunkten in besonders begründeten Einzelfällen geboten ist, können die öffentlichen Archive die im Archivgut enthaltenen Informationen auch in anderer Form archivieren. Darüber ist ein entsprechender Nachweis zu führen.“ Die jeweils aktuellen Fassungen der Archivgesetze des Bundes und der Länder sind abrufbar unter https://www.archivschule.de/DE/service/archivrecht/. Zuletzt geprüft am 10.01.2023.Beispiele aus dem Bibliotheksbereich: § 2 Nr. 1 DNBG: „Die Bibliothek hat die Aufgabe (a) die ab 1913 in Deutschland veröffentlichten Medienwerke und (b) die ab 1913 im Ausland veröffentlichten deutschsprachigen Medienwerke, Übersetzungen deutschsprachiger Medienwerke in andere Sprachen und fremdsprachigen Medienwerke über Deutschland im Original zu sammeln, zu inventarisieren, zu erschließen und bibliografisch zu verzeichnen, auf Dauer zu sichern und für die Allgemeinheit nutzbar zu machen sowie zentrale bibliothekarische und nationalbibliografische Dienste zu leisten“, https://www.gesetze-im-internet.de/dnbg/BJNR133800006.html. Zuletzt geprüft am 10.01.2023.Hessen: § 9 Abs. 1 HessBiblG: „Die wertvollen Altbestände und spezialisierten Sammlungen der wissenschaftlichen Bibliotheken dienen in besonderer Weise der Bewahrung, Erschließung und Vermittlung des schriftlichen kulturellen Erbes des Landes. Diese sind durch sachgerechte Aufbewahrung, Konservierung und Restaurierung im Original zu erhalten. Besonders bedeutende oder gefährdete Bestände sollen auch durch geeignete Maßnahmen der Reproduktion nach wissenschaftlichen Maßstäben geschützt und für zukünftige Generationen erhalten werden; https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/jlr-BiblGHEV5P9. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. In Kultur- bzw. Bibliotheksgesetzen der Länder ist die Digitalisierung als Methode für Schutz und Vermittlung von Kulturgut verankert; vgl. Nordrhein-Westfalen: § 6 Abs. 4 KulturGB NRW: „Die Digitalisierung dient auch der Bewahrung des kulturellen Erbes und dessen Erforschung durch Schonung der Originale.“ Vgl. ähnlich Niedersachsen: § 9 NKultFöG; https://www.bibliotheksverband.de/sites/default/files/2022-07/Nieders%C3%A4chsisches%20Kulturf%C3%B6rdergesetz%20%28NKultF%C3%B6G%29%20vom%2028.%20Juni%202022.pdf.Der Konsens galt freilich nicht nur auf der normativen Ebene, sondern auch in der Berufspraxis. Als etwa der Sächsische Rechnungshof in seinem Prüfbericht zum Jahr 2003 vorschlug, dass zur Einsparung von Magazinraum große Teile des Archivguts im Sächsischen Staatsarchiv „in anderer Weise gespeichert werden […] und [diese Ersatzmedien] dann im archivischen Sinne als Originale anzusehen sind, während die ursprünglichen stofflichen Originalunterlagen auszusondern und zu vernichten wären“,https://www.rechnungshof.sachsen.de/JB2003.pdf, hier 102 zu 2.1.3. führte dies zu einer einhelligen, klaren und überzeugend begründeten Positionierung seitens der öffentlichen Archive zugunsten des Erhalts des Kulturguts in seiner Entstehungsform.Vgl. die „Erklärung des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare e. V. vom 12. November 2003“ (Fuldaer Erklärung). Der Archivar 57 (2004): 98: „Folgte man beispielsweise dem Bericht des Sächsischen Rechnungshofes vom 9. Oktober 2003, Archivgut nur in Ausnahmefällen im ‚stofflichen Original‘ dauernd aufzubewahren und die große Masse zu verfilmen oder zu digitalisieren, so hätte das jedoch zur Folge, dass dadurch wertvolles Kulturgut sehenden Auges vernichtet würde.“ Vgl. https://www.archive.nrw.de/sites/default/files/media/files/Archivar_2004-1.pdf und https://www.verbaende.com/news/pressemitteilung/erklaerung-des-vorstands-des-vda-verband-deutscher-archivarinnen-und-archivare-e-v-vom-12-november-2003-fuldaer-erklaerung-21973/. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Und in der Tat sind in den vergangenen beiden Jahrzehnten auf Bundes- und Länderebene bemerkenswerte Fortschritte im Bereich des Originalerhalts gerade des schriftlichen Kulturguts erzielt worden.2Primat des OriginalsWichtige Impulse gaben der Schlussbericht der vom Deutschen Bundestag eingesetzten Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“ 2007, in dem die Empfehlung zu einem nationalen Engagement für den Erhalt des schriftlichen Kulturerbes ausgesprochen wurde,https://dserver.bundestag.de/btd/16/070/1607000.pdf, hier 132. sowie die Denkschrift der „Allianz zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts“ im Jahr 2009.„Zukunft bewahren. Eine Denkschrift der Allianz zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts.“ Berlin: 2009; http://www.allianz-kulturgut.de/fileadmin/user_upload/Allianz_Kulturgut/dokumente/2009_Allianz_Denkschrift_gedruckt.pdf. Unter den konkreten Zeitumständen – nach dem Brand der Herzogin Anna Amalia-Bibliothek in Weimar und kurz nach dem Kölner Archiveinsturz – erhöhte die Denkschrift den Handlungsdruck im politischen Raum. In Umsetzung einer der zentralen Forderungen der Denkschrift wurde 2010/2011 aus Mitteln der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien sowie der Kulturstiftung der Länder mit der Schaffung der Koordinierungsstelle zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) die Fachaufgabe des Originalerhalts spartenübergreifend qualitativ und quantitativ auf eine neue Grundlage gestellt.Vgl. z. B. Hartwieg, Ursula. „Die ‚Bundesweiten Handlungsempfehlungen zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts‘.“ In: Masse und Qualität. Standardisierte Verfahren der Bestandserhaltung in der Diskussion (Archivhefte 47). Hrsg. von Hanns-Peter Neuheuser und Peter K. Weber. Bonn 2016. 18–26, mit einem konzisen Überblick zum Entstehen der Koordinierungsstelle, hier 18–19. Vgl. Nachweise weiterer Beiträge zur Geschichte der KEK unter https://www.kek-spk.de/ueber-uns-0. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Als zentraler Bezugspunkt für vielfältige Aktivitäten der vergangenen Jahre sind die von der KEK in Zusammenarbeit mit Expert*innen aus Bund und Ländern entwickelten und veröffentlichten Bundesweiten Handlungsempfehlungen zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts in Archiven und Bibliotheken in öffentlicher Trägerschaft (2015) entstanden.Die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts in Archiven und Bibliotheken in Deutschland. Bundesweite Handlungsempfehlungen für die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die Kultusministerkonferenz. Berlin: 2015; online abrufbar: https://www.kek-spk.de/sites/default/files/2019-07/KEK_Bundesweite_Handlungsempfehlungen%20Version%20Online_0.pdf. In den mittlerweile zwei Förderlinien der KEK wurden seit 2011 bis einschließlich 2022 gut 21 Mio. Euro Fördermittel projektgebunden für den Originalerhalt eingesetzt. Parallel wurden in vielen Bundesländern eigene Landesprogramme zum Erhalt des schriftlichen Kulturguts auf- und ausgebaut und die Infrastrukturen, etwa zur Beratung zu Förderanträgen, deutlich gestärkt. Heute stehen in den Landesprogrammen insgesamt jährlich mehr als 6 Mio. Euro für den Originalerhalt zur Verfügung.Vgl. Schütte, Jana Madlen. Zwischen Bund und Land. Die Landesprogramme und -konzepte für den Originalerhalt des schriftlichen Kulturguts. ABI Technik 39, Heft 1 (2019): 44–53. https://doi.org/10.1515/abitech-2019-1007. Einen aktualisierten Überblick bietet der Vortrag von Johannes Kistenich-Zerfaß bei der internationalen Konferenz der KEK 2021 „Originalerhalt in Perspektive“; https://www.youtube.com/watch?v=1J6QZoqCWvM. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Für 2023 ist das Erscheinen des Tagungsbandes angekündigt. Im Zusammenwirken mit einem leistungsfähigen, zunehmend auf Mengenbehandlung ausgerichteten Markt für konservatorische und restauratorische Dienstleistungen gelingt es heute, Jahr für Jahr viele Kilometer Archiv- und Bibliotheksgut im Original zu sichern.Einen guten Überblick bieten die Jahresberichte der KEK; vgl. unter https://www.kek-spk.de/publikationen. Zuletzt geprüft am 10.01.2023.In den Erhaltungsstrategien besitzt auch Digitalisierung ihren Stellenwert, nämlich zur Vermeidung von Schäden durch Nutzung der Originale (Schutzmedium).Vgl. hierzu https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Downloads/KLA/digitalisierung-kontext-bestandserhaltung.pdf?__blob=publicationFile. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. In diesem Zusammenhang haben die drei Bestandserhaltungsgremien des Deutschen Bibliotheksverbands, der Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder sowie der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag 2019 ein Grundlagenpapier „Archiv- und Bibliotheksgut schonend digitalisieren“https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Downloads/KLA/digitalisierung-grundlagenpapier.pdf?__blob=publicationFile. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Zu weiterführender Literatur vgl. zukünftig die Hinweise in der DIN 33910. vorgelegt, das aktuell zu einer DIN weiterentwickelt wird, die noch 2023 erscheinen soll (DIN 33910).Entwurf der DIN 33910:2022-09 „Information und Dokumentation – Objektschonende Digitalisierung von Archiv- und Bibliotheksgut“ veröffentlicht unter: https://dx.doi.org/10.31030/3375389.Zentral ist das Verhältnis von Originalerhalt und Digitalisierung zueinander: Im Sinne einer Erhaltungsstrategie ist es wesentlich, dass der Erhalt des Originals in seiner ursprünglichen Entstehungsform Vorrang hat vor der Digitalisierung. So ist beispielsweise die Digitalisierungstechnik den Anforderungen der Substanz- und Informationssicherung anzupassen und nicht umgekehrt. Steht eine entsprechende Technologie für eine vorlagenschonende Digitalisierung nicht zur Verfügung, muss die Erzeugung eines Digitalisats zurückgestellt werden. Sämtliche Bestandteile eines Originals sind historische Informationsträger mit Quellenwertcharakter. Eingriffe in die Originalsubstanz, etwa durch das systematische Auflösen von Bindungen, Abschneiden von Buchrücken oder von Blattkanten, um das Schriftgut bspw. schneller in einem Einzugsscanner digitalisieren zu können,Vgl. einen Vortrag zur Vorgehensweise im Finnischen Nationalarchiv auf einer internationalen Tagung 2016; https://coop.hypotheses.org/229#more-229. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. stellen keine hinnehmbaren Eingriffe in die Originalsubstanz dar. Damit hält das Konzept der Schutzdigitalisierung klar am „Primat des Originals“ fest. Die bestmögliche Sicherung des Kulturguts in seiner Entstehungsform steht im Zentrum; dem dient auch die Digitalisierung.3Neuausrichtung des Bundesarchivs: ErsatzdigitalisierungNun gilt es freilich zu konstatieren, dass der „Primat des Originals“ von Kulturgut offenkundig keine uneingeschränkte communis opinio in der Fachwelt mehr darstellt: Jüngst erschien in der der Monatszeitschrift Politik & Kultur ein Artikel des Präsidenten des Bundesarchivs, Michael Hollmann, unter der Überschrift „Die Zukunft unserer Vergangenheit. Die Situation der öffentlichen Haushalte gibt Anlass zur Sorge – auch beim Bundesarchiv“.https://politikkultur.de/inland/die-zukunft-unserer-vergangenheit/. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Hollmann bringt hier eine strategische Kehrtwende des Bundesarchivs auf die Formel, dass „nach dem faktischen Wegfall des Mikrofilms als Sicherungsmedium nur die digitale Sicherung als zukunftsfähige Methode der Bestandssicherung übriggeblieben ist.“Begrifflich knüpft Hollmann in seinem Artikel vom Herbst 2022 damit unverkennbar an das Programm der Bundessicherungsverfilmung an, durch das seit inzwischen rund 60 Jahren als Teil des Kulturgutschutzes nach der Haager Konvention zum Schutz des Totalverlustes von Kulturgut infolge kriegerischer (!) Auseinandersetzungen Mikrofilmaufnahmen herausragender (Archiv-)Bestände im zentralen Bergungsort der Bundesrepublik bei Oberried eingelagert werden. https://www.bbk.bund.de/DE/Themen/Schutz-Kulturgut/Wie-sichern-wir-Kulturgut/Bundessicherungsverfilmung/bundessicherungsverfilmung_node.html. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Dass diese öffentlichkeitswirksame Positionierung rückblickend als ein Musterfall erfolgreicher Kommunikation fachlicher Anliegen in den politischen Raum gewertet werden kann, zeigte sich wenige Tage später, als durch eine Pressemitteilung der Staatsministerin für Kultur und Medien zum Ausgang der Haushaltsberatungen zum Bundeshaushalt 2023 bekannt wurde, dass für Digitalisierung von Beständen zum Nationalsozialismus und als entscheidende Stärkung für die Erinnerungskultur dem Bundesarchiv zusätzliche Mittel in Höhe von 3 Mio. Euro bereitgestellt werden.https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/bundeskanzleramt/staatsministerin-fuer-kultur-und-medien/staatsministerin-und-ihr-amt/kulturhaushalt. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Tags zuvor hatte der Deutsche Kulturrat in einer Pressemittelung mit dem Titel „Bundesarchiv in Not“ nochmals ausdrücklich auf den Beitrag von Michael Hollmann hingewiesen: https://www.kulturrat.de/presse/pressemitteilung/bundesarchiv-in-not/. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Ob den Entscheidungsträgern im November 2022 bewusst war, welche strategische Kehrtwende des Bundesarchivs damit zugleich gefördert wird? Ganz offenkundig zeigte sich hier nämlich nichts weniger als ein Kurswechsel – weg vom Anspruch des Originalerhalts unikalen analogen Kulturguts in seiner Entstehungsform hin zu einer Ersatzdigitalisierung.Erstmals publik wurde dieses Ergebnis eines umfassenden internen Strategieprozesses in der Ausgabe 2018 des Forum. Das Fachmagazin des Bundesarchivs zum Leitthema „Das Bundesarchiv im Digitalen Wandel“.https://weimar.bundesarchiv.de/DE/Content/Publikationen/Forum/forum-2018.pdf?__blob=publicationFile. Hier v. a. 20–22. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Weitaus konkreter legte ein Autor*innenkollektiv aus dem Bundesarchiv die Neupositionierung in einem Anfang 2021 erschienenen Fachartikel in der ABI Technik offen:Hänger, Christian, Kristina John und Vera Zahnhausen. „Status quo und Planungen der Kulturgutdigitalisierung beim Bundesarchiv.“ ABI Technik 41, Heft 2 (2021): 79–89. Der in Heft 1/2023 der ABI Technik erschienene Artikel von Boden, Ragna, Christian Hänger, Jens Niederhut u. a. Bestandserhaltung als Massengeschäft. Das neue Bestandserhaltungskonzept des Bundesarchivs. ABI Technik 43, Heft 1 (2023): 37–45; https://doi.org/10.1515/abitech-2023-0005, erschien nach Fertigstellung des Manuskripts zu diesem Beitrag und konnte nicht mehr berücksichtigt werden. In der Sache ergeben sich hieraus freilich auch keine neuen Gesichtspunkte. Auf den Punkt gebracht, tritt an die Stelle des „Primats des Originals“ der „Primat des Digitalen“, hier euphemistisch als „Sicherungsdigitalisierung“ deklariert, in letzter Konsequenz aber eine Ersatzdigitalisierung. Es steht zu befürchten, dass für einen Großteil des Kulturguts im Bundesarchiv keine aktiven Maßnahmen zum Originalerhalt mehr geplant werden.Einige Auszüge aus dem Fachbeitrag mögen die Positionierung deutlicher machen: Mit Bezug auf Paul Conway und Entwicklungen in Finnland: „Dies bedeutet […], dass im Digitalisierungsprozess entstandene Objekte nicht allein Kopien sind, sondern Manifestationen des Originals darstellen und das Original in letzter Konsequenz auch ersetzen können. Darauf aufbauend leitet Michael Hollmann ab, dass der kulturelle Wert des Originals sich nicht vorrangig aus seiner Materialität, sondern aus den von anderen Personen damit assoziierten Eigenschaften bestimmt. […] Es geht hier ausschließlich um die Operationalisierung der strategischen Entscheidung für den Primat des Digitalen, um eine wirtschaftliche Umsetzung und die Gewährleistung von Integrität, Authentizität, Bereitstellung, langfristige Sicherung und Zugangsautorisierung. […] Eine Digitalisierung der Kernbestände ist die einzige Möglichkeit, den Inhalt der Unterlagen langfristig zu sichern und den Verlust von Informationen zu vermeiden. […] Es ist langfristig nicht möglich, eine große Menge Unterlagen zu digitalisieren und gleichzeitig aufwendige Maßnahmen für den Originalerhalt des Gesamtbestandes zu finanzieren.“ Hänger 2021: 79–80, 82, 85. Entsprechend ausgerichtet ist auch das Anfang 2022 online veröffentlichte „Bestanderhaltungskonzept des Bundesarchivs“,https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Artikel/Ueber-uns/Aus-unserer-Arbeit/bestandserhaltungskonzept.html. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. das durch eine internationale Konferenz zur Massendigitalisierung im Juni 2023 bestätigt werden soll. Deutschlands größtes öffentliches Archiv legt also die Anforderung nach § 3 Abs. 1 Bundesarchivgesetz,§ 3 Abs. 1 BArchivG: „Das Bundesarchiv hat die Aufgabe, das Archivgut des Bundes auf Dauer zu sichern, nutzbar zu machen und wissenschaftlich zu verwerten. Es gewährleistet den Zugang zum Archivgut des Bundes unter Wahrung des Schutzes privater oder öffentlicher Belange. Dies kann auch durch Digitalisierung und öffentliche Zugänglichmachung im Internet geschehen.“ Vgl. https://www.bundesarchiv.de/DE/Navigation/Meta/Ueber-uns/Rechtsgrundlagen/Bundesarchivgesetz/bundesarchivgesetz.html. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Dem Kommentar zum Bundesarchivgesetz folgend bezieht sich Satz 3 ausschließlich auf Zugangsalternativen und nicht auf die Digitalisierung als Alternative zur Sicherung; Partsch, Christoph J. Bundesarchivgesetz. Handkommentar. 2. Auflage. Baden–Baden 2021, 120. das Kulturgut zu „sichern“, so aus, dass zumindest für das Gros seiner Überlieferung langfristig ein Digitalisat das Original vollumfänglich ersetzt.Für einzelne nicht näher abgegrenzten „Kern-“ oder „Leitbestände“ sollen besondere Maßnahmen greifen; vgl. z. B. Forum (2018): 22. Hänger (2021): 80.Mit dieser Haltung steht das Bundesarchiv zumindest im deutschen Archivwesen isoliert da. Niemand wird bestreiten, dass das Bundesarchiv mit seinen inzwischen „rund 540 laufenden Kilometern Akten, 150 000 Spiel- und Dokumentarfilmen, mehr als 15 Millionen Fotografien und mittlerweile nur noch in Petabyte zu messenden digitalen Beständen“, wie Hollmann ausführt, quantitativ vor exzeptionelle Herausforderungen beim Erhalt des Kulturguts gestellt ist. Und gewiss braucht es für deren Bewältigung neben überzeugenden baulich-fachgerechten Lösungen ebenso eine massive Aufstockung entsprechender Haushaltsmittel, verbunden mit dem Ausbau der Infrastruktur und der personellen Ressourcen für die erforderlichen Maßnahmen.Das Bundesarchiv als nachgeordneter Behörde der BKM kann an den Förderlinien der KEK nicht partizipieren. Diesen Herausforderungen stellen sich die Archive der Länder und der Kommunen, die in Summe für deutlich umfangreichere Bestände aus einem wesentlich weiteren zeitlichen Spektrum Verantwortung tragen als das Bundesarchiv. Mit seiner Strategie eines „Primats des Digitalen“ beraubt sich das Bundesarchiv wesentlicher Argumente etwa für nötige fachgerechte Archivbauten. Denn warum sollte der Haushaltsgesetzgeber investieren, wenn man ohnehin den Erhalt des analogen Originals in seiner Entstehungsform nicht mehr ernsthaft verfolgt? Wir erinnern uns an die Argumentation des Sächsischen Rechnungshofs im Jahr 2003.Vgl. Anm. 4 und 5.4Gefahr des Verlusts unikalen KulturgutsDas Bundesarchiv nimmt in Kauf, dass große Massen unikalen Kulturguts dem Zerfall preisgegeben werden, obwohl es geeignete, auch mengentaugliche Verfahren zum Substanzerhalt der allermeisten in öffentlichen Archiven vorkommenden Medientypen gibt, insbesondere für das schriftliche Kulturgut. Entsprechende Empfehlungen der Fachgremien im deutschen Archiv- und Bibliothekswesen werden ignoriert.Z. B. soll für die Erzeugung von Digitalisaten wieder auf das Original statt auf bereits vorhandene Mikrofilme zurückgegriffen werden, soll (fachgerechte) Verpackung nur noch als nachgelagerter Prozess von Digitalisierung erfolgen und die Bindung fadengehefteter Akten grundsätzlich „in Vorbereitung der Digitalisierung“ gelöst werden. Bestände nach 1965 sollen durchgängig mit Einzugsscannern bearbeitet werden; Hänger 2021: 84–85. In den Fußnoten weisen die Autor*innen zwar auf die einschlägigen Empfehlungen hin, stellen sich mit ihrem Konzept jedoch gerade gegen eben die zitierten Empfehlungen. Etablierte Verfahren wie die Massenentsäuerung, mit denen – rechtzeitig durchgeführt – erwiesenermaßen eine Verlängerung der Lebensdauer von Schriftgut um viele hundert Jahre erreicht wird, werden als angeblich ungeeignet von der Agenda genommen, selbst fundamentale Maßnahmen wie eine fachgerechte Verpackung allenfalls als optional nachrangig zu einer Digitalisierung in Betracht gezogen.Vgl. z. B. zum Ausstieg des Bundearchivs aus der Massenentsäuerung, Hänger 2021: 85. „Das Bundesarchiv verzichtet jedoch auf die Massenentsäuerung als flächendeckende bestandserhaltende Maßnahme, da dieses Verfahren sich als nicht geeignet für die großen Mengen schriftlichen Kulturguts erwiesen hat, die das Bundesarchiv verwahrt.“ Bestanderhaltungsstrategie 2022: 6; https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Downloads/Aus-unserer-Arbeit/bestandserhaltungskonzept2022.pdf?__blob=publicationFile. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Stattdessen verfolgt das Bundesarchiv ein Konzept der Kaltlagerung, um chemische Abbauprozesse zu verlangsamen. Dabei ist bislang nicht erkennbar, dass das Bundesarchiv eine solche – übrigens energieintensive und auf störungsfreien Dauerbetrieb angewiesene – Strategie in Zeiten der Verknappung und massiven Verteuerung von Energie auf den Weg bringen und umsetzen kann. Der Weg wirft also auch angesichts von ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen Fragen auf.Die auf die Ersatzdigitalisierung ausgerichtete Bestandserhaltungsstrategie des Bundesarchivs problematisiert nicht die digitale Langzeitarchivierung, die – wenn sie dauerhaft das Original ersetzen soll – sehr aufwendig und kostenintensiv ist. Die zusätzlichen Herausforderungen im Zusammenhang der Resilienz bei Cyber-Kriminalität werden ebenso wenig thematisiert wie der Informationswert der Materialität historischer Quellen.Der KEK-Fachbeirat bedauert, dass in den Beiträgen des Bundesarchivs Originalerhalt und Digitalisierung in fachlich ungeeigneter Weise gegeneinander ausgespielt werden. Digitalisierung ist selbstverständlich seit Jahren für kulturgutbewahrende Einrichtungen ein zentrales Arbeitsfeld. Viele Nutzungszwecke lassen sich mithilfe eines Digitalisats erfüllen, aber eben nicht alle, z. B. materialitätsbezogene Fragestellungen. Die Entlarvung der Fälschung der Hitlertagebücher durch Expert*innen auch des Bundesarchivs mit papiertechnischen Untersuchungen wäre anhand von Digitalisaten nicht gelungen.https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hitler-Tageb%C3%BCcher&oldid=230923730. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Die Annahme, nach fachlichen Standards erzeugte Digitalisate seien hinsichtlich Authentizität und Integrität grundsätzlich mit den analogen Vorlagen identisch,Z. B. Hänger 2021: 80, 84 f. Die von Herrn Hollmann angemahnte „liberale Geschichts- und Erinnerungskultur in Deutschland“ sowie die „kritisch-diskursive Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte“ und die damit zwangsläufig verbundene Pluralität der methodischen Ansätze und historischen Perspektiven kann es ohne den Bezug auf historische Originale und deren Authentizität nicht geben; dies hat nicht erst die Diskussion um den „material turn“ in der Geschichtswissenschaft deutlich gemacht; brillant hierzu der Artikel Hilgert, Markus. „‚Text-Anthropologie‘: Die Erforschung von Materialität und Präsenz des Geschriebenen als hermeneutische Strategie.“ Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft 142 (2010): 87–126. ist schlichtweg falsch und zeugt von wenig Verständnis für den Quellenwert historischer Überlieferung. Es existiert keine Technik der Digitalisierung, die Authentizität quasi „konservieren“ kann. Gerade wenn man politisch motivierter, verfälschender Interpretation der Geschichte vorbeugen möchte, kann man auf die ganzheitliche Information, die nur ein Original bietet, nicht verzichten.Ausgeklammert wird bei dem Konzept der „Sicherungsdigitalisierung“ des Bundesarchivs zudem die Perspektive auf die „Ewigkeitskosten“. Die Autor*innen des erwähnten Artikels in der ABI Technik von 2021 betrachten nur die Kosten für die Erstellung und die Bewahrung der Digitalisate in den nächsten zehn JahrenHänger 2021: 85. – eine für Archive ungewöhnlich kurze Perspektive. Sollen die Digitalisate dauerhaft zumindest den Informationsgehalt der Originale ersetzen, wird man diese in vergleichbarer Form archivieren müssen wie digital entstandene Unterlagen; dies dann freilich mit dem wirtschaftlich relevanten Manko, dass die bei der Digitalisierung einer Akte entstandenen „Bilddaten“ ein weitaus größeres Datenvolumen beanspruchen als etwa eine Akte vergleichbaren Umfangs aus einem Dokumentenmanagementsystem. Es darf bezweifelt werden, dass in der Perspektive dauernder Aufbewahrung die Ersatzdigitalisierung tatsächlich wirtschaftlicher ist als der Originalerhalt.Solange dieser Nachweis nicht geführt ist, kauft sich das Bundesarchiv mit der Ersatzdigitalisierung das Risiko ein, dass wir zwar für den Originalerhalt der meisten analogen Medien über einen weit zurückreichenden Erfahrungsschatz verfügen, wie deren Substanz bewahrt werden kann, während für das digitale Preservation-Management noch weit mehr Unwägbarkeiten bestehen – bestenfalls droht auf der Zielgeraden des Papierzeitalters „ein Blindflug ins Ungewisse“, im Worst-Case der Totalverlust von massenhaft Kulturgut. Vgl. zu den Fragen von Wirtschaftlichkeit und den Langzeitkosten: Wirtschaftliche Digitalisierung in Archiven. Empfehlungen der Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder (KLA). Ausgearbeitet vom Fototechnischen Ausschuss der KLA (2015/2016). https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Downloads/KLA/wirtschaftliche-digitalisierung.pdf?__blob=publicationFile, 6. Glauert, Mario. „Dimensionen der Digitalisierung. Kosten, Kapazitäten und Konsequenzen.“ In: Digital und analog. Die beiden Archivwelten. 46. Rheinischer Archivtag. 21.–22. Juni 2012 in Ratingen. Red. Dr. Claudia Kauertz. Bonn 2013. 48–59, bes. 52 ff. Sie ist auch kein Ersatz für die Sicherung auf Mikrofilm.5Originalerhalt und DigitalisierungEs sei an dieser Stelle betont: Archive und Bibliotheken sollen und müssen ihre Anstrengungen bei der Schutz- und Nutzungsdigitalisierung weiter ausbauen, um ihre Bestände im Sinn einer Notfallvorsorge zu schützen und orts- sowie zeitunabhängige Einsichtnahme zu ermöglichen. Aber Originalerhalt und Digitalisierung müssen Hand in Hand gehen und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden: Originalerhalt und Digitalisierung statt Originalerhalt oder Digitalisierung. Beides lässt sich so kombinieren, dass Synergieeffekte in wirtschaftlicher und strategischer Hinsicht und nicht zuletzt im Sinne von Nachhaltigkeit erzeugt werden, die beiden Ansprüchen gerecht werden. Wenn klar ist, dass für den Erhalt des Originals das Mögliche getan wurde, sind bei weitem nicht so hohe Standards anzulegen wie an die Sicherung von Ersatzdigitalisaten, da im Fall des Datenverlusts erneut auf das Original mit einer größtmöglichen Qualitätsreserve zurückgegriffen werden kann. Wir sollten die Originale nicht für unsere heutigen Nutzungszwecke „verbrauchen“, denn jede neue Generation hat das Recht, sich schriftliches Kulturgut selbst anzueignen, historische Überlieferung nach ihren eigenen Erkenntnisbedürfnissen zu befragen und mit eigenen Methoden zu erschließen. Es steht außer Frage, dass sich auch die Digitalisierungsmöglichkeiten weiterentwickeln werden; aber einmal „abgeschnittene“ Information ist einem nach heutigen Standards erstellten Ersatzdigitalisat höchstwahrscheinlich nie wieder zu entlocken, sie wäre durch die Vernichtung des Originals unwiederbringlich verloren.Und ja: Es gibt Medien, für die kurzfristig eine Ersatzdigitalisierung angezeigt ist, um die Informationen überhaupt zu erhalten, sei es, weil sie unumkehrbaren, rasant verlaufenden Zerfallsprozessen ausgesetzt sind oder es an Reproduktionsmöglichkeiten und „Abspielgeräten“ fehlt („doppelte Obsoleszenz“): Farbfotografien, Magnetbänder, obsolete Videoformate und das von Hollmann zurecht angeführte Film-Erbe.Vgl. hierzu das Empfehlungspapier „Bilder und Töne bewahren.“ https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Downloads/KLA/bewahrung-bild-ton.pdf?__blob=publicationFile. Zuletzt geprüft am 10.01.2023.Und ja: In den schriftlichen Kulturgut bewahrenden Einrichtungen gibt es auch Bestände, bei denen aufgrund des fortgeschrittenen Schadenszustands und/oder der massenhaften Gleichförmigkeit bzw. Mehrfachüberlieferung eine sachliche Diskussion über Ersatzdigitalisierung geführt werden darf.Man denke beispielsweise an die vielen laufenden Kilometer Erfassungsbögen der westdeutschen Volkszählung von 1950 in den staatlichen Archiven. Komplexe Problemstellungen verlangen angemessen differenzierte Lösungen. Wer aber grundsätzlich den Primat des Originals zugunsten eines Primats des Digitalen aufgibt, nimmt den massenhaften Totalverlust von Kulturgut billigend in Kauf, hat ohne Not und angesichts allenfalls vage absehbarer Zukunftsfolgen vor einer lösbaren Aufgabe kapituliert. Denn: Nichts kann ein Original vollumfänglich ersetzen! http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png ABI-Technik de Gruyter

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de Gruyter
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© 2023 bei den Autoren, publiziert von De Gruyter.
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2191-4664
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2191-4664
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10.1515/abitech-2023-0018
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Abstract

1EinleitungDas 2016 beschlossene Kulturgutschutzgesetz (KGSG) definiert in öffentlichem Eigentum und im Bestand von öffentlich-rechtlichen, Kulturgut bewahrenden Einrichtungen wie Archiven und Bibliotheken befindliche Objekte per se als „nationales Kulturgut“.§ 6 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 11 KGSG; vgl. https://www.gesetze-im-internet.de/kgsg/. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Entsprechend der Fokussierung des Gesetzes auf den internationalen Kunsthandel wird das „Beschädigungsverbot“§ 18 Abs. 1 und 2 KGSG. und damit implizit ein Erhaltungsgebot ausdrücklich nur auf die in das „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ aufgenommenen bzw. aufzunehmenden Stücke bezogen. Bis vor wenigen Jahren bestand darüber hinaus jedoch ein fachlicher Konsens, dass Kulturgut grundsätzlich in seiner ursprünglichen Entstehungsform zu bewahren, zu sichern, zu erhalten und ggf. instand zu setzen sei. Entsprechende Formulierungen finden sich in den Archiv- und Bibliotheksgesetzen des Bundes und der Länder.Beispiele aus dem Archivbereich: Nordrhein-Westfalen: § 2 Abs. 7 ArchivG NRW: „Archivierung umfasst die Aufgaben Unterlagen zu erfassen, zu bewerten, zu übernehmen und das übernommene Archivgut sachgemäß zu verwahren, zu ergänzen, zu sichern, zu erhalten, instand zu setzen, zu erschließen, zu erforschen, für die Nutzung bereitzustellen sowie zu veröffentlichen.“ i. V. m. § 5 Abs. 2: „Archivgut ist auf Dauer sicher zu verwahren. Es ist in seiner Entstehungsform zu erhalten, sofern keine archivfachlichen Belange entgegenstehen.“ Sachsen: § 2 Abs. 4 SächsArchivG „Das Archivieren beinhaltet das Erfassen und Bewerten von Unterlagen und das Übernehmen, Verwahren, Erhalten, Erschließen sowie Nutzbarmachen und Auswerten von Archivgut.“ i. V. m. § 8 Abs. 3: „Das Archivgut ist in seiner Entstehungsform zu erhalten, soweit nicht archivfachliche Belange entgegenstehen. Es ist nachhaltig vor Schäden, Verlust, Vernichtung oder unbefugter Nutzung zu schützen.“ Hessen: § 2 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 HArchivG formuliert: „Die Archivierung umfasst die Aufgaben, die Archivwürdigkeit von Unterlagen festzustellen, diese zu übernehmen, sie sachgemäß aufzubewahren, dauerhaft zu sichern, deren Integrität und Authentizität zu bewahren sowie sie zu erhalten, instand zu setzen, zu erschließen, verfügbar zu machen und für die Nutzung bereitzustellen. […] Archivgut ist grundsätzlich im Original aufzubewahren. Sofern es unter archivfachlichen oder technischen Gesichtspunkten in besonders begründeten Einzelfällen geboten ist, können die öffentlichen Archive die im Archivgut enthaltenen Informationen auch in anderer Form archivieren. Darüber ist ein entsprechender Nachweis zu führen.“ Die jeweils aktuellen Fassungen der Archivgesetze des Bundes und der Länder sind abrufbar unter https://www.archivschule.de/DE/service/archivrecht/. Zuletzt geprüft am 10.01.2023.Beispiele aus dem Bibliotheksbereich: § 2 Nr. 1 DNBG: „Die Bibliothek hat die Aufgabe (a) die ab 1913 in Deutschland veröffentlichten Medienwerke und (b) die ab 1913 im Ausland veröffentlichten deutschsprachigen Medienwerke, Übersetzungen deutschsprachiger Medienwerke in andere Sprachen und fremdsprachigen Medienwerke über Deutschland im Original zu sammeln, zu inventarisieren, zu erschließen und bibliografisch zu verzeichnen, auf Dauer zu sichern und für die Allgemeinheit nutzbar zu machen sowie zentrale bibliothekarische und nationalbibliografische Dienste zu leisten“, https://www.gesetze-im-internet.de/dnbg/BJNR133800006.html. Zuletzt geprüft am 10.01.2023.Hessen: § 9 Abs. 1 HessBiblG: „Die wertvollen Altbestände und spezialisierten Sammlungen der wissenschaftlichen Bibliotheken dienen in besonderer Weise der Bewahrung, Erschließung und Vermittlung des schriftlichen kulturellen Erbes des Landes. Diese sind durch sachgerechte Aufbewahrung, Konservierung und Restaurierung im Original zu erhalten. Besonders bedeutende oder gefährdete Bestände sollen auch durch geeignete Maßnahmen der Reproduktion nach wissenschaftlichen Maßstäben geschützt und für zukünftige Generationen erhalten werden; https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/jlr-BiblGHEV5P9. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. In Kultur- bzw. Bibliotheksgesetzen der Länder ist die Digitalisierung als Methode für Schutz und Vermittlung von Kulturgut verankert; vgl. Nordrhein-Westfalen: § 6 Abs. 4 KulturGB NRW: „Die Digitalisierung dient auch der Bewahrung des kulturellen Erbes und dessen Erforschung durch Schonung der Originale.“ Vgl. ähnlich Niedersachsen: § 9 NKultFöG; https://www.bibliotheksverband.de/sites/default/files/2022-07/Nieders%C3%A4chsisches%20Kulturf%C3%B6rdergesetz%20%28NKultF%C3%B6G%29%20vom%2028.%20Juni%202022.pdf.Der Konsens galt freilich nicht nur auf der normativen Ebene, sondern auch in der Berufspraxis. Als etwa der Sächsische Rechnungshof in seinem Prüfbericht zum Jahr 2003 vorschlug, dass zur Einsparung von Magazinraum große Teile des Archivguts im Sächsischen Staatsarchiv „in anderer Weise gespeichert werden […] und [diese Ersatzmedien] dann im archivischen Sinne als Originale anzusehen sind, während die ursprünglichen stofflichen Originalunterlagen auszusondern und zu vernichten wären“,https://www.rechnungshof.sachsen.de/JB2003.pdf, hier 102 zu 2.1.3. führte dies zu einer einhelligen, klaren und überzeugend begründeten Positionierung seitens der öffentlichen Archive zugunsten des Erhalts des Kulturguts in seiner Entstehungsform.Vgl. die „Erklärung des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare e. V. vom 12. November 2003“ (Fuldaer Erklärung). Der Archivar 57 (2004): 98: „Folgte man beispielsweise dem Bericht des Sächsischen Rechnungshofes vom 9. Oktober 2003, Archivgut nur in Ausnahmefällen im ‚stofflichen Original‘ dauernd aufzubewahren und die große Masse zu verfilmen oder zu digitalisieren, so hätte das jedoch zur Folge, dass dadurch wertvolles Kulturgut sehenden Auges vernichtet würde.“ Vgl. https://www.archive.nrw.de/sites/default/files/media/files/Archivar_2004-1.pdf und https://www.verbaende.com/news/pressemitteilung/erklaerung-des-vorstands-des-vda-verband-deutscher-archivarinnen-und-archivare-e-v-vom-12-november-2003-fuldaer-erklaerung-21973/. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Und in der Tat sind in den vergangenen beiden Jahrzehnten auf Bundes- und Länderebene bemerkenswerte Fortschritte im Bereich des Originalerhalts gerade des schriftlichen Kulturguts erzielt worden.2Primat des OriginalsWichtige Impulse gaben der Schlussbericht der vom Deutschen Bundestag eingesetzten Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“ 2007, in dem die Empfehlung zu einem nationalen Engagement für den Erhalt des schriftlichen Kulturerbes ausgesprochen wurde,https://dserver.bundestag.de/btd/16/070/1607000.pdf, hier 132. sowie die Denkschrift der „Allianz zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts“ im Jahr 2009.„Zukunft bewahren. Eine Denkschrift der Allianz zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts.“ Berlin: 2009; http://www.allianz-kulturgut.de/fileadmin/user_upload/Allianz_Kulturgut/dokumente/2009_Allianz_Denkschrift_gedruckt.pdf. Unter den konkreten Zeitumständen – nach dem Brand der Herzogin Anna Amalia-Bibliothek in Weimar und kurz nach dem Kölner Archiveinsturz – erhöhte die Denkschrift den Handlungsdruck im politischen Raum. In Umsetzung einer der zentralen Forderungen der Denkschrift wurde 2010/2011 aus Mitteln der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien sowie der Kulturstiftung der Länder mit der Schaffung der Koordinierungsstelle zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) die Fachaufgabe des Originalerhalts spartenübergreifend qualitativ und quantitativ auf eine neue Grundlage gestellt.Vgl. z. B. Hartwieg, Ursula. „Die ‚Bundesweiten Handlungsempfehlungen zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts‘.“ In: Masse und Qualität. Standardisierte Verfahren der Bestandserhaltung in der Diskussion (Archivhefte 47). Hrsg. von Hanns-Peter Neuheuser und Peter K. Weber. Bonn 2016. 18–26, mit einem konzisen Überblick zum Entstehen der Koordinierungsstelle, hier 18–19. Vgl. Nachweise weiterer Beiträge zur Geschichte der KEK unter https://www.kek-spk.de/ueber-uns-0. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Als zentraler Bezugspunkt für vielfältige Aktivitäten der vergangenen Jahre sind die von der KEK in Zusammenarbeit mit Expert*innen aus Bund und Ländern entwickelten und veröffentlichten Bundesweiten Handlungsempfehlungen zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts in Archiven und Bibliotheken in öffentlicher Trägerschaft (2015) entstanden.Die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts in Archiven und Bibliotheken in Deutschland. Bundesweite Handlungsempfehlungen für die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die Kultusministerkonferenz. Berlin: 2015; online abrufbar: https://www.kek-spk.de/sites/default/files/2019-07/KEK_Bundesweite_Handlungsempfehlungen%20Version%20Online_0.pdf. In den mittlerweile zwei Förderlinien der KEK wurden seit 2011 bis einschließlich 2022 gut 21 Mio. Euro Fördermittel projektgebunden für den Originalerhalt eingesetzt. Parallel wurden in vielen Bundesländern eigene Landesprogramme zum Erhalt des schriftlichen Kulturguts auf- und ausgebaut und die Infrastrukturen, etwa zur Beratung zu Förderanträgen, deutlich gestärkt. Heute stehen in den Landesprogrammen insgesamt jährlich mehr als 6 Mio. Euro für den Originalerhalt zur Verfügung.Vgl. Schütte, Jana Madlen. Zwischen Bund und Land. Die Landesprogramme und -konzepte für den Originalerhalt des schriftlichen Kulturguts. ABI Technik 39, Heft 1 (2019): 44–53. https://doi.org/10.1515/abitech-2019-1007. Einen aktualisierten Überblick bietet der Vortrag von Johannes Kistenich-Zerfaß bei der internationalen Konferenz der KEK 2021 „Originalerhalt in Perspektive“; https://www.youtube.com/watch?v=1J6QZoqCWvM. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Für 2023 ist das Erscheinen des Tagungsbandes angekündigt. Im Zusammenwirken mit einem leistungsfähigen, zunehmend auf Mengenbehandlung ausgerichteten Markt für konservatorische und restauratorische Dienstleistungen gelingt es heute, Jahr für Jahr viele Kilometer Archiv- und Bibliotheksgut im Original zu sichern.Einen guten Überblick bieten die Jahresberichte der KEK; vgl. unter https://www.kek-spk.de/publikationen. Zuletzt geprüft am 10.01.2023.In den Erhaltungsstrategien besitzt auch Digitalisierung ihren Stellenwert, nämlich zur Vermeidung von Schäden durch Nutzung der Originale (Schutzmedium).Vgl. hierzu https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Downloads/KLA/digitalisierung-kontext-bestandserhaltung.pdf?__blob=publicationFile. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. In diesem Zusammenhang haben die drei Bestandserhaltungsgremien des Deutschen Bibliotheksverbands, der Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder sowie der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag 2019 ein Grundlagenpapier „Archiv- und Bibliotheksgut schonend digitalisieren“https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Downloads/KLA/digitalisierung-grundlagenpapier.pdf?__blob=publicationFile. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Zu weiterführender Literatur vgl. zukünftig die Hinweise in der DIN 33910. vorgelegt, das aktuell zu einer DIN weiterentwickelt wird, die noch 2023 erscheinen soll (DIN 33910).Entwurf der DIN 33910:2022-09 „Information und Dokumentation – Objektschonende Digitalisierung von Archiv- und Bibliotheksgut“ veröffentlicht unter: https://dx.doi.org/10.31030/3375389.Zentral ist das Verhältnis von Originalerhalt und Digitalisierung zueinander: Im Sinne einer Erhaltungsstrategie ist es wesentlich, dass der Erhalt des Originals in seiner ursprünglichen Entstehungsform Vorrang hat vor der Digitalisierung. So ist beispielsweise die Digitalisierungstechnik den Anforderungen der Substanz- und Informationssicherung anzupassen und nicht umgekehrt. Steht eine entsprechende Technologie für eine vorlagenschonende Digitalisierung nicht zur Verfügung, muss die Erzeugung eines Digitalisats zurückgestellt werden. Sämtliche Bestandteile eines Originals sind historische Informationsträger mit Quellenwertcharakter. Eingriffe in die Originalsubstanz, etwa durch das systematische Auflösen von Bindungen, Abschneiden von Buchrücken oder von Blattkanten, um das Schriftgut bspw. schneller in einem Einzugsscanner digitalisieren zu können,Vgl. einen Vortrag zur Vorgehensweise im Finnischen Nationalarchiv auf einer internationalen Tagung 2016; https://coop.hypotheses.org/229#more-229. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. stellen keine hinnehmbaren Eingriffe in die Originalsubstanz dar. Damit hält das Konzept der Schutzdigitalisierung klar am „Primat des Originals“ fest. Die bestmögliche Sicherung des Kulturguts in seiner Entstehungsform steht im Zentrum; dem dient auch die Digitalisierung.3Neuausrichtung des Bundesarchivs: ErsatzdigitalisierungNun gilt es freilich zu konstatieren, dass der „Primat des Originals“ von Kulturgut offenkundig keine uneingeschränkte communis opinio in der Fachwelt mehr darstellt: Jüngst erschien in der der Monatszeitschrift Politik & Kultur ein Artikel des Präsidenten des Bundesarchivs, Michael Hollmann, unter der Überschrift „Die Zukunft unserer Vergangenheit. Die Situation der öffentlichen Haushalte gibt Anlass zur Sorge – auch beim Bundesarchiv“.https://politikkultur.de/inland/die-zukunft-unserer-vergangenheit/. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Hollmann bringt hier eine strategische Kehrtwende des Bundesarchivs auf die Formel, dass „nach dem faktischen Wegfall des Mikrofilms als Sicherungsmedium nur die digitale Sicherung als zukunftsfähige Methode der Bestandssicherung übriggeblieben ist.“Begrifflich knüpft Hollmann in seinem Artikel vom Herbst 2022 damit unverkennbar an das Programm der Bundessicherungsverfilmung an, durch das seit inzwischen rund 60 Jahren als Teil des Kulturgutschutzes nach der Haager Konvention zum Schutz des Totalverlustes von Kulturgut infolge kriegerischer (!) Auseinandersetzungen Mikrofilmaufnahmen herausragender (Archiv-)Bestände im zentralen Bergungsort der Bundesrepublik bei Oberried eingelagert werden. https://www.bbk.bund.de/DE/Themen/Schutz-Kulturgut/Wie-sichern-wir-Kulturgut/Bundessicherungsverfilmung/bundessicherungsverfilmung_node.html. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Dass diese öffentlichkeitswirksame Positionierung rückblickend als ein Musterfall erfolgreicher Kommunikation fachlicher Anliegen in den politischen Raum gewertet werden kann, zeigte sich wenige Tage später, als durch eine Pressemitteilung der Staatsministerin für Kultur und Medien zum Ausgang der Haushaltsberatungen zum Bundeshaushalt 2023 bekannt wurde, dass für Digitalisierung von Beständen zum Nationalsozialismus und als entscheidende Stärkung für die Erinnerungskultur dem Bundesarchiv zusätzliche Mittel in Höhe von 3 Mio. Euro bereitgestellt werden.https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/bundeskanzleramt/staatsministerin-fuer-kultur-und-medien/staatsministerin-und-ihr-amt/kulturhaushalt. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Tags zuvor hatte der Deutsche Kulturrat in einer Pressemittelung mit dem Titel „Bundesarchiv in Not“ nochmals ausdrücklich auf den Beitrag von Michael Hollmann hingewiesen: https://www.kulturrat.de/presse/pressemitteilung/bundesarchiv-in-not/. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Ob den Entscheidungsträgern im November 2022 bewusst war, welche strategische Kehrtwende des Bundesarchivs damit zugleich gefördert wird? Ganz offenkundig zeigte sich hier nämlich nichts weniger als ein Kurswechsel – weg vom Anspruch des Originalerhalts unikalen analogen Kulturguts in seiner Entstehungsform hin zu einer Ersatzdigitalisierung.Erstmals publik wurde dieses Ergebnis eines umfassenden internen Strategieprozesses in der Ausgabe 2018 des Forum. Das Fachmagazin des Bundesarchivs zum Leitthema „Das Bundesarchiv im Digitalen Wandel“.https://weimar.bundesarchiv.de/DE/Content/Publikationen/Forum/forum-2018.pdf?__blob=publicationFile. Hier v. a. 20–22. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Weitaus konkreter legte ein Autor*innenkollektiv aus dem Bundesarchiv die Neupositionierung in einem Anfang 2021 erschienenen Fachartikel in der ABI Technik offen:Hänger, Christian, Kristina John und Vera Zahnhausen. „Status quo und Planungen der Kulturgutdigitalisierung beim Bundesarchiv.“ ABI Technik 41, Heft 2 (2021): 79–89. Der in Heft 1/2023 der ABI Technik erschienene Artikel von Boden, Ragna, Christian Hänger, Jens Niederhut u. a. Bestandserhaltung als Massengeschäft. Das neue Bestandserhaltungskonzept des Bundesarchivs. ABI Technik 43, Heft 1 (2023): 37–45; https://doi.org/10.1515/abitech-2023-0005, erschien nach Fertigstellung des Manuskripts zu diesem Beitrag und konnte nicht mehr berücksichtigt werden. In der Sache ergeben sich hieraus freilich auch keine neuen Gesichtspunkte. Auf den Punkt gebracht, tritt an die Stelle des „Primats des Originals“ der „Primat des Digitalen“, hier euphemistisch als „Sicherungsdigitalisierung“ deklariert, in letzter Konsequenz aber eine Ersatzdigitalisierung. Es steht zu befürchten, dass für einen Großteil des Kulturguts im Bundesarchiv keine aktiven Maßnahmen zum Originalerhalt mehr geplant werden.Einige Auszüge aus dem Fachbeitrag mögen die Positionierung deutlicher machen: Mit Bezug auf Paul Conway und Entwicklungen in Finnland: „Dies bedeutet […], dass im Digitalisierungsprozess entstandene Objekte nicht allein Kopien sind, sondern Manifestationen des Originals darstellen und das Original in letzter Konsequenz auch ersetzen können. Darauf aufbauend leitet Michael Hollmann ab, dass der kulturelle Wert des Originals sich nicht vorrangig aus seiner Materialität, sondern aus den von anderen Personen damit assoziierten Eigenschaften bestimmt. […] Es geht hier ausschließlich um die Operationalisierung der strategischen Entscheidung für den Primat des Digitalen, um eine wirtschaftliche Umsetzung und die Gewährleistung von Integrität, Authentizität, Bereitstellung, langfristige Sicherung und Zugangsautorisierung. […] Eine Digitalisierung der Kernbestände ist die einzige Möglichkeit, den Inhalt der Unterlagen langfristig zu sichern und den Verlust von Informationen zu vermeiden. […] Es ist langfristig nicht möglich, eine große Menge Unterlagen zu digitalisieren und gleichzeitig aufwendige Maßnahmen für den Originalerhalt des Gesamtbestandes zu finanzieren.“ Hänger 2021: 79–80, 82, 85. Entsprechend ausgerichtet ist auch das Anfang 2022 online veröffentlichte „Bestanderhaltungskonzept des Bundesarchivs“,https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Artikel/Ueber-uns/Aus-unserer-Arbeit/bestandserhaltungskonzept.html. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. das durch eine internationale Konferenz zur Massendigitalisierung im Juni 2023 bestätigt werden soll. Deutschlands größtes öffentliches Archiv legt also die Anforderung nach § 3 Abs. 1 Bundesarchivgesetz,§ 3 Abs. 1 BArchivG: „Das Bundesarchiv hat die Aufgabe, das Archivgut des Bundes auf Dauer zu sichern, nutzbar zu machen und wissenschaftlich zu verwerten. Es gewährleistet den Zugang zum Archivgut des Bundes unter Wahrung des Schutzes privater oder öffentlicher Belange. Dies kann auch durch Digitalisierung und öffentliche Zugänglichmachung im Internet geschehen.“ Vgl. https://www.bundesarchiv.de/DE/Navigation/Meta/Ueber-uns/Rechtsgrundlagen/Bundesarchivgesetz/bundesarchivgesetz.html. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Dem Kommentar zum Bundesarchivgesetz folgend bezieht sich Satz 3 ausschließlich auf Zugangsalternativen und nicht auf die Digitalisierung als Alternative zur Sicherung; Partsch, Christoph J. Bundesarchivgesetz. Handkommentar. 2. Auflage. Baden–Baden 2021, 120. das Kulturgut zu „sichern“, so aus, dass zumindest für das Gros seiner Überlieferung langfristig ein Digitalisat das Original vollumfänglich ersetzt.Für einzelne nicht näher abgegrenzten „Kern-“ oder „Leitbestände“ sollen besondere Maßnahmen greifen; vgl. z. B. Forum (2018): 22. Hänger (2021): 80.Mit dieser Haltung steht das Bundesarchiv zumindest im deutschen Archivwesen isoliert da. Niemand wird bestreiten, dass das Bundesarchiv mit seinen inzwischen „rund 540 laufenden Kilometern Akten, 150 000 Spiel- und Dokumentarfilmen, mehr als 15 Millionen Fotografien und mittlerweile nur noch in Petabyte zu messenden digitalen Beständen“, wie Hollmann ausführt, quantitativ vor exzeptionelle Herausforderungen beim Erhalt des Kulturguts gestellt ist. Und gewiss braucht es für deren Bewältigung neben überzeugenden baulich-fachgerechten Lösungen ebenso eine massive Aufstockung entsprechender Haushaltsmittel, verbunden mit dem Ausbau der Infrastruktur und der personellen Ressourcen für die erforderlichen Maßnahmen.Das Bundesarchiv als nachgeordneter Behörde der BKM kann an den Förderlinien der KEK nicht partizipieren. Diesen Herausforderungen stellen sich die Archive der Länder und der Kommunen, die in Summe für deutlich umfangreichere Bestände aus einem wesentlich weiteren zeitlichen Spektrum Verantwortung tragen als das Bundesarchiv. Mit seiner Strategie eines „Primats des Digitalen“ beraubt sich das Bundesarchiv wesentlicher Argumente etwa für nötige fachgerechte Archivbauten. Denn warum sollte der Haushaltsgesetzgeber investieren, wenn man ohnehin den Erhalt des analogen Originals in seiner Entstehungsform nicht mehr ernsthaft verfolgt? Wir erinnern uns an die Argumentation des Sächsischen Rechnungshofs im Jahr 2003.Vgl. Anm. 4 und 5.4Gefahr des Verlusts unikalen KulturgutsDas Bundesarchiv nimmt in Kauf, dass große Massen unikalen Kulturguts dem Zerfall preisgegeben werden, obwohl es geeignete, auch mengentaugliche Verfahren zum Substanzerhalt der allermeisten in öffentlichen Archiven vorkommenden Medientypen gibt, insbesondere für das schriftliche Kulturgut. Entsprechende Empfehlungen der Fachgremien im deutschen Archiv- und Bibliothekswesen werden ignoriert.Z. B. soll für die Erzeugung von Digitalisaten wieder auf das Original statt auf bereits vorhandene Mikrofilme zurückgegriffen werden, soll (fachgerechte) Verpackung nur noch als nachgelagerter Prozess von Digitalisierung erfolgen und die Bindung fadengehefteter Akten grundsätzlich „in Vorbereitung der Digitalisierung“ gelöst werden. Bestände nach 1965 sollen durchgängig mit Einzugsscannern bearbeitet werden; Hänger 2021: 84–85. In den Fußnoten weisen die Autor*innen zwar auf die einschlägigen Empfehlungen hin, stellen sich mit ihrem Konzept jedoch gerade gegen eben die zitierten Empfehlungen. Etablierte Verfahren wie die Massenentsäuerung, mit denen – rechtzeitig durchgeführt – erwiesenermaßen eine Verlängerung der Lebensdauer von Schriftgut um viele hundert Jahre erreicht wird, werden als angeblich ungeeignet von der Agenda genommen, selbst fundamentale Maßnahmen wie eine fachgerechte Verpackung allenfalls als optional nachrangig zu einer Digitalisierung in Betracht gezogen.Vgl. z. B. zum Ausstieg des Bundearchivs aus der Massenentsäuerung, Hänger 2021: 85. „Das Bundesarchiv verzichtet jedoch auf die Massenentsäuerung als flächendeckende bestandserhaltende Maßnahme, da dieses Verfahren sich als nicht geeignet für die großen Mengen schriftlichen Kulturguts erwiesen hat, die das Bundesarchiv verwahrt.“ Bestanderhaltungsstrategie 2022: 6; https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Downloads/Aus-unserer-Arbeit/bestandserhaltungskonzept2022.pdf?__blob=publicationFile. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Stattdessen verfolgt das Bundesarchiv ein Konzept der Kaltlagerung, um chemische Abbauprozesse zu verlangsamen. Dabei ist bislang nicht erkennbar, dass das Bundesarchiv eine solche – übrigens energieintensive und auf störungsfreien Dauerbetrieb angewiesene – Strategie in Zeiten der Verknappung und massiven Verteuerung von Energie auf den Weg bringen und umsetzen kann. Der Weg wirft also auch angesichts von ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen Fragen auf.Die auf die Ersatzdigitalisierung ausgerichtete Bestandserhaltungsstrategie des Bundesarchivs problematisiert nicht die digitale Langzeitarchivierung, die – wenn sie dauerhaft das Original ersetzen soll – sehr aufwendig und kostenintensiv ist. Die zusätzlichen Herausforderungen im Zusammenhang der Resilienz bei Cyber-Kriminalität werden ebenso wenig thematisiert wie der Informationswert der Materialität historischer Quellen.Der KEK-Fachbeirat bedauert, dass in den Beiträgen des Bundesarchivs Originalerhalt und Digitalisierung in fachlich ungeeigneter Weise gegeneinander ausgespielt werden. Digitalisierung ist selbstverständlich seit Jahren für kulturgutbewahrende Einrichtungen ein zentrales Arbeitsfeld. Viele Nutzungszwecke lassen sich mithilfe eines Digitalisats erfüllen, aber eben nicht alle, z. B. materialitätsbezogene Fragestellungen. Die Entlarvung der Fälschung der Hitlertagebücher durch Expert*innen auch des Bundesarchivs mit papiertechnischen Untersuchungen wäre anhand von Digitalisaten nicht gelungen.https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hitler-Tageb%C3%BCcher&oldid=230923730. Zuletzt geprüft am 10.01.2023. Die Annahme, nach fachlichen Standards erzeugte Digitalisate seien hinsichtlich Authentizität und Integrität grundsätzlich mit den analogen Vorlagen identisch,Z. B. Hänger 2021: 80, 84 f. Die von Herrn Hollmann angemahnte „liberale Geschichts- und Erinnerungskultur in Deutschland“ sowie die „kritisch-diskursive Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte“ und die damit zwangsläufig verbundene Pluralität der methodischen Ansätze und historischen Perspektiven kann es ohne den Bezug auf historische Originale und deren Authentizität nicht geben; dies hat nicht erst die Diskussion um den „material turn“ in der Geschichtswissenschaft deutlich gemacht; brillant hierzu der Artikel Hilgert, Markus. „‚Text-Anthropologie‘: Die Erforschung von Materialität und Präsenz des Geschriebenen als hermeneutische Strategie.“ Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft 142 (2010): 87–126. ist schlichtweg falsch und zeugt von wenig Verständnis für den Quellenwert historischer Überlieferung. Es existiert keine Technik der Digitalisierung, die Authentizität quasi „konservieren“ kann. Gerade wenn man politisch motivierter, verfälschender Interpretation der Geschichte vorbeugen möchte, kann man auf die ganzheitliche Information, die nur ein Original bietet, nicht verzichten.Ausgeklammert wird bei dem Konzept der „Sicherungsdigitalisierung“ des Bundesarchivs zudem die Perspektive auf die „Ewigkeitskosten“. Die Autor*innen des erwähnten Artikels in der ABI Technik von 2021 betrachten nur die Kosten für die Erstellung und die Bewahrung der Digitalisate in den nächsten zehn JahrenHänger 2021: 85. – eine für Archive ungewöhnlich kurze Perspektive. Sollen die Digitalisate dauerhaft zumindest den Informationsgehalt der Originale ersetzen, wird man diese in vergleichbarer Form archivieren müssen wie digital entstandene Unterlagen; dies dann freilich mit dem wirtschaftlich relevanten Manko, dass die bei der Digitalisierung einer Akte entstandenen „Bilddaten“ ein weitaus größeres Datenvolumen beanspruchen als etwa eine Akte vergleichbaren Umfangs aus einem Dokumentenmanagementsystem. Es darf bezweifelt werden, dass in der Perspektive dauernder Aufbewahrung die Ersatzdigitalisierung tatsächlich wirtschaftlicher ist als der Originalerhalt.Solange dieser Nachweis nicht geführt ist, kauft sich das Bundesarchiv mit der Ersatzdigitalisierung das Risiko ein, dass wir zwar für den Originalerhalt der meisten analogen Medien über einen weit zurückreichenden Erfahrungsschatz verfügen, wie deren Substanz bewahrt werden kann, während für das digitale Preservation-Management noch weit mehr Unwägbarkeiten bestehen – bestenfalls droht auf der Zielgeraden des Papierzeitalters „ein Blindflug ins Ungewisse“, im Worst-Case der Totalverlust von massenhaft Kulturgut. Vgl. zu den Fragen von Wirtschaftlichkeit und den Langzeitkosten: Wirtschaftliche Digitalisierung in Archiven. Empfehlungen der Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder (KLA). Ausgearbeitet vom Fototechnischen Ausschuss der KLA (2015/2016). https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Downloads/KLA/wirtschaftliche-digitalisierung.pdf?__blob=publicationFile, 6. Glauert, Mario. „Dimensionen der Digitalisierung. Kosten, Kapazitäten und Konsequenzen.“ In: Digital und analog. Die beiden Archivwelten. 46. Rheinischer Archivtag. 21.–22. Juni 2012 in Ratingen. Red. Dr. Claudia Kauertz. Bonn 2013. 48–59, bes. 52 ff. Sie ist auch kein Ersatz für die Sicherung auf Mikrofilm.5Originalerhalt und DigitalisierungEs sei an dieser Stelle betont: Archive und Bibliotheken sollen und müssen ihre Anstrengungen bei der Schutz- und Nutzungsdigitalisierung weiter ausbauen, um ihre Bestände im Sinn einer Notfallvorsorge zu schützen und orts- sowie zeitunabhängige Einsichtnahme zu ermöglichen. Aber Originalerhalt und Digitalisierung müssen Hand in Hand gehen und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden: Originalerhalt und Digitalisierung statt Originalerhalt oder Digitalisierung. Beides lässt sich so kombinieren, dass Synergieeffekte in wirtschaftlicher und strategischer Hinsicht und nicht zuletzt im Sinne von Nachhaltigkeit erzeugt werden, die beiden Ansprüchen gerecht werden. Wenn klar ist, dass für den Erhalt des Originals das Mögliche getan wurde, sind bei weitem nicht so hohe Standards anzulegen wie an die Sicherung von Ersatzdigitalisaten, da im Fall des Datenverlusts erneut auf das Original mit einer größtmöglichen Qualitätsreserve zurückgegriffen werden kann. Wir sollten die Originale nicht für unsere heutigen Nutzungszwecke „verbrauchen“, denn jede neue Generation hat das Recht, sich schriftliches Kulturgut selbst anzueignen, historische Überlieferung nach ihren eigenen Erkenntnisbedürfnissen zu befragen und mit eigenen Methoden zu erschließen. Es steht außer Frage, dass sich auch die Digitalisierungsmöglichkeiten weiterentwickeln werden; aber einmal „abgeschnittene“ Information ist einem nach heutigen Standards erstellten Ersatzdigitalisat höchstwahrscheinlich nie wieder zu entlocken, sie wäre durch die Vernichtung des Originals unwiederbringlich verloren.Und ja: Es gibt Medien, für die kurzfristig eine Ersatzdigitalisierung angezeigt ist, um die Informationen überhaupt zu erhalten, sei es, weil sie unumkehrbaren, rasant verlaufenden Zerfallsprozessen ausgesetzt sind oder es an Reproduktionsmöglichkeiten und „Abspielgeräten“ fehlt („doppelte Obsoleszenz“): Farbfotografien, Magnetbänder, obsolete Videoformate und das von Hollmann zurecht angeführte Film-Erbe.Vgl. hierzu das Empfehlungspapier „Bilder und Töne bewahren.“ https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Downloads/KLA/bewahrung-bild-ton.pdf?__blob=publicationFile. Zuletzt geprüft am 10.01.2023.Und ja: In den schriftlichen Kulturgut bewahrenden Einrichtungen gibt es auch Bestände, bei denen aufgrund des fortgeschrittenen Schadenszustands und/oder der massenhaften Gleichförmigkeit bzw. Mehrfachüberlieferung eine sachliche Diskussion über Ersatzdigitalisierung geführt werden darf.Man denke beispielsweise an die vielen laufenden Kilometer Erfassungsbögen der westdeutschen Volkszählung von 1950 in den staatlichen Archiven. Komplexe Problemstellungen verlangen angemessen differenzierte Lösungen. Wer aber grundsätzlich den Primat des Originals zugunsten eines Primats des Digitalen aufgibt, nimmt den massenhaften Totalverlust von Kulturgut billigend in Kauf, hat ohne Not und angesichts allenfalls vage absehbarer Zukunftsfolgen vor einer lösbaren Aufgabe kapituliert. Denn: Nichts kann ein Original vollumfänglich ersetzen!

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ABI-Technikde Gruyter

Published: May 1, 2023

Keywords: Schriftliches Kulturgut; Originalerhalt; Digitalisierung; written cultural assets; preservation; digitization

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